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Korruptionsskandal in Wahlkampfzeiten

FIFA-Präsident Joseph Blatter greift derzeit tief in die Trickkiste – und in die mit 1,3 Milliarden Dollar prall gefüllte Kasse der FIFA. Zu Beginn der Woche schreckte er nicht davor zurück, sich als Korruptionsbekämpfer zu verkaufen. Das macht sich gut in Wahlkampfzeiten.

Von Jens Weinreich | 15.05.2011
    Großspurig verkündete die FIFA eine Spende von 20 Millionen Euro für die internationale Polizeibehörde Interpol – die angeblich größte Spende, die Interpol je von einer privaten Organisation erhalten habe. Der PR-Trick war leicht zu durchschauen, zumal es nicht wirklich einen Anlass für dieses Treffen von Interpol-Generalsekretär Ronald Noble mit dem skandalumtosten FIFA-Vorsteher gab – außer, dass am 1. Juni in der FIFA gewählt wird, und Blatter die FIFA-Administration hundertprozentig für seine Zwecke einspannt.

    Nun sponsert die FIFA ein Interpol-Projekt gegen Wettbetrug und Spielmanipulationen in Singapur. Eine Organisation, deren Exekutivmitglieder in großer Zahl in schwerste Korruptionsaffären verstrickt sind. Auf die Frage des Deutschlandfunks, ob er ein schlechtes Gewissen habe, den skandalumtosten FIFA-Präsidenten bei seinem PR-Festival zu unterstützen, sagte Interpol-Generalsekretär Noble:

    "Ich bin Chef der weltgrößten Polizeibehörde. Ich bin alt genug zu wissen, dass es wohl keine Organisation in der Welt gibt, die noch keine Korruptionsprobleme hatte. Wir arbeiten seit einer Weile eng mit der FIFA zusammen – das läuft sehr professionell, und für dieses konkrete Projekt bin ich auch sehr sehr zuversichtlich."

    Peinlich für Noble, der so gern FBI-Direktor werden würde. Dabei war er nach Informationen des Deutschlandfunks von höchsten politischen Kreisen in den USA gewarnt worden, sich von der FIFA-Propaganda missbrauchen zu lassen.

    Blatters präsidialer Herausforderer Mohammed Bin Hammam hat von der so genannten Spende erst über einen Journalisten erfahren und regt sich darüber nun mächtig auf. Bin Hammam wird von manchen als Saubermann in diesem Spiel verkauft. Das aber ist er gewiss nicht, die Welt ist komplizierter, die Geschichte lässt sich nicht in ein Schwarz-Weiß-Schema pressen.

    Einen Tag nach der PR-Nummer von FIFA und Interpol gab es in London eine Anhörung einer parlamentarischen Untersuchungskommission zur jüngsten Entscheidung über die Fußball-Weltmeisterschaften, die das FIFA-Exekutivkomitee im Dezember unter skandalösen Umständen an Russland (2018) und Katar (2022) vergab. Einmal mehr war es Lord David Triesman, der seine Erfahrungen über korrupte FIFA-Vorständler mitteilte. Triesman war vor einem Jahr seine Posten als Präsident des englischen Fußballverbandes FA und des WM-Bewerbungskomitees losgeworden, nachdem eine Zeitung ein Tonband veröffentlichte, auf dem er gegenüber seiner ehemaligen Geliebten über Korruption geplaudert hatte. Nun machte er es im Parlament ganz offiziell und erzählte, was die notorischen FIFA-Abkassierer Jack Warner (Trinidad), Ricardo Teixeira (Brasilien), Worawi Makudi (Thailand) und Nicolas Leoz (Paraguay) so alles verlangen. Millionen auf Privatkonten – natürlich. Der greise südamerikanische Fußball-Supremo Leoz wollte gar zum Ritter geschlagen werden.

    Eine vergleichsweise bescheidene Forderung. Doch Triesman machte ihm klar, dass das so nicht läuft. Und Leoz trollte sich, beleidigt.

    Im Rahmen der Untersuchungskommission in London wurden zwei weitere FIFA-Vorständler belastet, beide nicht zum ersten Mal: Afrikas Fußball-Präsident, FIFA-Vize und IOC-Mitglied Issa Hayatou aus Kamerun sowie Jacques Anouma von der Elfenbeinküste. Beide sollen Millionen aus Katar erhalten haben. Beweise aber gibt es dafür nicht.

    Und das ist ein Problem in der aufgeregten Diskussion. Zwar werden weltweit Schlagzeilen kreiert, doch alles beruht auf Hörensagen und kann von den beschuldigten Personen, von denen viele in der Tat eine lange Korruptions-Geschichte haben, relativ leicht abgewehrt werden.

    Typen wie Jack Warner, Nordamerikas Fußball-Boss, oder Teixeira, Chef des WM-Organisationskomitees 2014, schafften es trotz erdrückender Beweislast sogar stets, an der Macht zu bleiben – und nicht etwa im Gefängnis zu landen. Beide machen sich über die jüngsten Anschuldigen nur lustig. Bei Leoz, Hayatou und Anouma verhält es sich ähnlich. Makudi gibt am Montag in Bangkok eine Pressekonferenz und will juristisch gegen Triesman vorgehen. Angeblich.

    Für die Korruptions-Anschuldigungen gegen Katar (als Geber-Nation) sowie Hayatou und Anouma (als Nehmer) existieren – noch – keine Beweise. Die Veröffentlichung basiert auf einem Deal von Sunday Times und der Untersuchungskommission: Die Zeitung fasste in einem Brief einige Recherche-Ergebnisse zusammen, auf anonymen Informanten beruhend, und Politiker plauderten diese Sachverhalte aus. Schon war die Story im Umlauf - und bei der Internetplattform "Youtube" beispielsweise aus dem Mund der Politikerin Louise Bagshawe nachzuhören.

    Zwischenergebnissen von Recherchen durch Zitate aus berufenem Munde einen offiziellen Anstrich zu verleihen, ist eine gängige Methode im Zusammenspiel von Medien und Politik - hilfreich vielleicht, um manche Funktionäre in der Branche unter Druck zu setzen und das Thema kurz vor der FIFA–Wahl anzuheizen. Im Grunde hat sich an der Situation aber nichts geändert: Die genannten Funktionäre in der FIFA-Führung, mit denen Sepp Blatter seit Jahrzehnten dealt, bilden eine mafiose Clique. Keine Krähe hackt der anderen die Augen aus. Und wenn einmal Millionenzahlungen dokumentiert wurden, wie etwa im ISL-Bestechungsskandal, dann zahlt die FIFA eben Millionen für einen Deal mit der Staatsanwaltschaft, um jene Namen für immer geheim zu halten.

    Es mag in der FIFA-Führung aufrechte Zeitgenossen geben, wer weiß das schon. Sollte dies so sein, dann vermisst man deren empörte Stimmen. Frischlinge im FIFA-Exekutivkomitee - wie etwa der deutsche Verbandschef Theo Zwanziger - sprechen Blatter konsequent ihr Vertrauen aus.

    So lange keine Beweise vorgelegt werden, fällt es auch Blatter leicht, sich zu verteidigen gegen die "Teufel da draußen" wie er so gern dichtet. Seine Propaganda geht sogar so weit, eine Gefahr heraufzubeschwören, sollte nicht er, sondern Bin Hamman am 1. Juni – nun ja – gewählt werden. "Irreversibel" sei´ diese "tektonische Plattenverschiebung" ließ Blatter am Freitag in einem Schweizer Boulevardblatt dichten, dessen ehemaliger Sportchef ihn nun im Wahlkampf für ein fürstliches Gehalt berät.

    Ja, es stimmt, der Weltsport - inklusive des Fußballs – hat neue Herrscher. Es sind, zum Beispiel, die Öl-Milliardäre aus Russland und Katar. Oligarchen, Fürsten und KGB-Granden wie Wladimir Putin. Nur: Der Sport, und vor allem die FIFA, hat sich diesen Typen gnadenlos ausgeliefert. Blatter trägt die größte Verantwortung an dieser schleichenden Machtübergabe. Seine Rolle aufzuklären, ist eines der spannendsten Projekte derzeit.