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Kosovo
Alle Hoffnungen ruhen auf Kerry

Der Kosovo ist in der Krise: Die Opposition blockiert seit Wochen das Parlament und versprüht dort sogar Tränengas. Nun kommt US-Außenminister John Kerry zu Besuch. Für sein Land ist der kleine Kosovo wichtig, denn dort ist einer der größten US-Militärstützpunkte in Europa. Die Menschen haben deshalb große Erwartungen.

Von Ralf Borchard | 02.12.2015
    Anhänger der Oppositionsparteien demonstrieren in Pristina gegen die Regierung.
    Anhänger der Oppositionsparteien demonstrieren in Pristina gegen die Regierung. (picture alliance / EPA / Valdrin Xhemaj)
    Pristina am vergangenen Wochenende. Die Oppositionspartei Vetevendosje, übersetzt "Selbstbestimmung", hat zu Straßenprotesten aufgerufen. Oppositionsführer Albin Kurti schimpft lautstark auf die Regierung, die der serbischen Minderheit im Kosovo mehr Rechte einräumen will. Auch im Grenzstreit mit Montenegro sei die Regierung viel zu nachgiebig.
    Seit Wochen blockiert die nationalistische Opposition das Parlament, versprüht dort Tränengas, immer wieder mussten Sitzungen abgebrochen werden. Vergeblich hat Parlamentspräsident Kadri Veseli zur Mäßigung aufgerufen:
    "Ich lade die Opposition ein, friedlich ins Parlament zurückzukehren und an gemeinsamen Gesprächen teilzunehmen", so Veseli.
    Nach den jüngsten Straßenprotesten wurde Oppositionschef Kurti von schwerbewaffneten Polizisten festgenommen, mit ihm sind weitere Oppositionelle in Untersuchungshaft. Das kleine Balkanland, durch Korruption und Arbeitslosigkeit geprägt, ist noch tiefer in die Krise gerutscht.
    Zwei Rauchsäulen im Sitzungssaal des Parlaments.
    Oppositionelle haben mehrfach im kosovarischen Parlament in Pristina Tränengas freigesetzt. (AFP / Driton Vitia)
    US-Interessen im Kosovo
    Umso größer sind die Erwartungen an den Besuch von US-Außenminister John Kerry. Kann er den politischen Streit befrieden? Bringt er neue Investitionspläne mit? Die USA haben die 2008 erklärte Unabhängigkeit von Serbien mit Nachdruck unterstützt, auch weil sie im Kosovo einen ihrer größten Militärstützpunkte in Europa betreiben: Camp Bondsteel.
    Die einzige Autobahn im Land wurde von US-Investoren gebaut. Jetzt setzt der frühere Regierungschef und heutige Außenminister Hashim Thaci, nach wie vor der starke Mann Kosovo, auf eine von Amerikanern angeführte Investorengruppe im Energiebereich. Ein neues Kohlekraftwerk soll endlich für ein Ende der ständigen Stromausfälle im Kosovo sorgen.
    Doch die Stimmung in der Bevölkerung bleibt schlecht. "Nur mit Beziehungen zu einer Regierungspartei hast du überhaupt Chancen auf einen Job", sagt der Koch Faton Latifi in einem Café in Pristina: "Wenn Du bist normal, Leute wie ich - kein Job, kein Garnichts. Überhaupt keine Chance für einen Job."
    Angst vor Anschlägen
    Latifi hat wie tausende andere versucht, mit seiner Familie nach Deutschland zu kommen, doch er wurde zurückgeschickt. Die verbreitete Stimmung im Kosovo ist, dass die gleichen korrupten Eliten immer weiter regieren, unterstützt von USA und Europäischer Union, sagt der Politikwissenschaftler Lulzim Peci:
    "Die internationale Gemeinschaft stützt die Elite im Kosovo, weil sie vermeintlich Stabilität garantiert und für einen Dialog mit Serbien eintritt", sagt Peci. "Die meisten Menschen haben deshalb die Hoffnung verloren, etwas ändern zu können. Die Regierenden werden als unantastbar gesehen, weil sie stets ungestraft davonkommen."
    Noch dazu steigt auch im Kosovo die Angst vor Anschlägen. Nach unbestätigten Medienberichten rechnet die Regierung mit der Rückkehr von bis zu 150 islamistischen Kämpfern aus Syrien. Auch US-Außenminister Kerry wird es schwer haben, die Stimmung im Kosovo ins Positive zu wenden.