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Kraftakt mit Feuerzauber

Nach dem Abschluss von Wagners Ring-Tetralogie in Los Angeles wollte Achim Freyer den Kraftakt nicht noch einmal inszenieren. Dann sagte er aber schließlich doch in Mannheim zu - zum Glück: Freyer bewältigt die Walküre auf hervorragende Weise.

Von Jörn Florian Fuchs | 26.03.2012
    Na, gut. Auf den Speer hätte man sicher verzichten können. Nein, nicht auf die bisweilen in Einzelteile zerfallende, längliche Lichtskulptur auf der Bühne. Sondern auf das brennende Ungetüm, das in der zweiten Pause ins Theaterrestaurant einschlug. Kein Witz! Sogar im Inneren des Restaurants wurde fein säuberlich das Einschlagloch präpariert. Übrigens leuchtete zu all dem eine glasklare Mondsichel, das war real, hätte aber wirklich auch von Freyer sein können.

    Dem SWR sagte Freyer vor Kurzem, er habe einst – nach der Absage Lars von Triers – den Bayreuther Festspielen ein Ringangebot gemacht. Dass diese aber nicht mal ausschlugen: Es gab keinerlei Antwort.

    Nach dem Schweigen aus Oberfranken inszenierte Achim Freyer einen bunten Hightech-Ring in Los Angeles und wenige Jahre später erfindet er für die Quadratestadt Mannheim die Tetralogie noch mal ganz neu. Schwarz und weiß und grau sind nun die Grundelemente, überhaupt wirkt diese Walküre noch reduzierter als das Rheingold. Dabei entsteht ein Paradoxon: Freyer erzählt die Kernhandlung präzise und seziert die Konflikte messerscharf. Zugleich reichert er das Geschehen durch Rückblenden, Symbole, Vorausblicke an.

    Gespielt wird hauptsächlich auf einer Drehbühne, die Personen, diverse Objekte oder sogar lebende Hunde heranzoomt und wieder entfernt. Auf Raum füllenden Videos sieht man Sterne, aber es gibt auch ganz kurze Filmclips, die zum Rheingold zurückführen oder die unmittelbare Vorgeschichte der Walküre zeigen. Alles scheint hier mit allem in Verbindung zu stehen und die Konstellationen der Figuren werden mal ins Kosmische, mal auch ins Komische erweitert. Ein Mobile mit Kreis und Speerteilen hängt über allem, Rheingold-Gott-Donner schlägt lautlos eine Trommel und sanfter Rauch steigt auf. Sein Kollege Froh malt auf einem Videoscreen Farbbilder. Donner und Froh sind starre Puppen, Sieglinde, Siegmund und Hunding dagegen haben bewegliche Puppendoubles, mit denen Wotan und Fricka das Unheilsgeschehen schon mal im Vorfeld durchexerzieren.

    Bei Winterstürmen und Wonnemond fällt ein Gazevorhang, das Wälsungenpaar ist nun sozusagen menschlich verdoppelt, zum einen bleiben die beiden der Drehbühne verhaftet, zum anderen können sie für kurze Zeit aussteigen und besitzen eine Prise Autonomie.

    Immer wieder rauscht Loge herein, raucht eine Zigarre und entschwindet wieder, mit züngelnden Bewegungen. Am Ende sorgt er persönlich für einen Feuerzauber, der allerdings vor allem aus Rauch und Nebel besteht. Freyer gelingen ungemein stimmige Bilder, manches bleibt verrätselt, an einigen wenigen Stellen wird es auch zu flach. Die Walküren etwa tragen Hüte mit Bügeleisen, Nähmaschinen oder Kleiderbügeln. Brünnhildes Kopf ziert ein schwarzer Rabe, was natürlich in Ordnung geht für Wotans Wunschmaid.

    Sämtliche Kostüme sind, wie immer bei Freyer, aufwendig gestaltet und stilisiert, die Personenregie arbeitet mit Gesten und Bewegungen, die an asiatische Theaterformen erinnern. Es gibt kaum Sichtkontakt, Hände und Arme werden energisch-energetisch geführt. Alles in allem ist dieser Abend ein Theaterwunder, den das Publikum allerdings durch extremes Husten und Buhs nach jedem Aufzug torpedierte.

    Am Pult stand Dan Ettinger, der nach seinem Rheingold-Debakel zu neuer Form gefunden hat. Man hört einen schroffen, aggressiven Wagner mit extremen Blechausbrüchen und jubelnden Streichern – ein interessanter Kontrast zur Szene.

    Manfred Hemm singt einen überragenden Hunding, Karsten Mewes gibt einen soliden Wotan, Judith Németh eine kräftige, aber leicht klirrende Brünnhilde. Edna Prochnik eine funkelnd überdrehte Fricka. Heike Wessels Sieglinde überzeugt durch Anmut und laute Schmerzenstöne, Endrik Wottrich singt Siegmund textverständlich, sauber, aber mit etwas engem Tenor.

    Beim Applaus stand Achim Freyer eine gefühlte Ewigkeit lang allein vorne auf der Bühne und nahm die Mischung aus Buhs und Bravos ziemlich gelassen zur Kenntnis.

    Informationen:

    Nationaltheater Mannheim