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Nahost-Konflikt
Waffenstillstand nach blutigem Wochenende

600 Raketenabschüsse aus Gaza allein bis zum Sonntagabend: Nach den jüngsten Auseinandersetzungen zwischen Israel und militanten Palästinensern gibt es Tote auf beiden Seiten zu beklagen. Nun gibt es offenbar eine Verständigung auf eine Feuerpause.

Von Tim Aßmann | 06.05.2019
Zerstörungen an einem Haus in einem Wohngebiet in der israelischen Küstenstadt Aschkelon
Zerstörungen an einem Haus in einem Wohngebiet in der israelischen Küstenstadt Aschkelon (dpa/ Ilia Yefimovich)
In vielen Orten im Süden Israels heulten auch am Abend und in der vergangenen Nacht noch die Luftschutzsirenen und waren Explosionen zu hören, wenn Abfangraketen Geschosse vom Himmel holten oder diese auch einschlugen. In der Hafenstadt Ashdod starb ein Mann durch Raketensplitter. Damit erhöhte sich die Zahl der Todesopfer auf israelischer Seite auf vier. Zehntausende verbrachten auch die vergangene Nacht in Angst. Diese Frau zog vor sieben Jahren aus den USA mit ihrer Familie in die Kleinstadt Sderot an der Grenze zum Gaza-Streifen.
"Ich habe vier Kinder, das nächste ist unterwegs und kann jeden Tag kommen. Auch wenn das hier nicht neu für uns ist, macht es uns trotzdem Angst. Die Kinder schlafen nicht gut, haben vor jedem Lärm Angst, wollen nicht ins Badezimmer gehen und auch nicht draußen spielen wie normale Kinder."
Regierung unter Handlungsdruck
Alleine bis zum Sonntagabend zählte die israelische Armee rund 600 Raketenabschüsse aus Gaza. Schulen im Süden Israels sind geschlossen. Die Behörden haben dort auch größere Menschenansammlungen im Freien untersagt. Selbst einige Ortschaften im Norden des Landes haben ihre öffentlichen Luftschutzbunker mittlerweile für die Bevölkerung geöffnet, darunter auch ein Vorort von Tel Aviv. Die israelische Regierung steht unter Handlungsdruck. So wie dieser Einwohner von Sderot verlangen viele Israelis eine deutliche Reaktion.
"Es ist schwer durchzuhalten. Jeder erwartet jetzt entschlossenes Handeln von der Regierung. Das heißt, es zu Ende zu bringen, damit wir hier Ruhe haben. Nicht für fünf Jahre, oder ein Jahr oder zwei Monate – für viele Jahre. Wir müssen das hinkriegen und nicht aufgeben. Ohne Zweifel sind alle hier bereit einen weiteren Krieg auszuhalten, damit es danach dann vorbei ist."
Während in der Nacht bewaffnete palästinensische Gruppen im Gaza-Streifen noch Raketen auf Israel abschossen, wurde offenbar unter ägyptischer Vermittlung versucht, eine Waffenruhe zu erreichen. Am Morgen wurde dann unter Anderem von einem Sender der palästinensischen Hamas im Gaza-Streifen gemeldet, eine Feuerpause sei vermittelt worden und greife bereits. Ismail Hanyie, der Führer des Politbüros der Hamas, die den Gaza-Streifen kontrolliert, hatte Stunden zuvor in einer Stellungnahme erklärt, es sei möglich wieder Ruhe herzustellen, wenn Israel sich ebenfalls verpflichtet fühle. Die Hamas drängt auf eine Lockerung der Abriegelung des Küstenstreifens. Israel verstärkte unterdessen die Truppen an der Gaza-Grenze. Armeesprecher Jonathan Conricus.
"Wir haben eine gepanzerte Brigade mit der Fähigkeit zur Offensive entsandt – nicht um unsere Verteidigung zu stärken, sondern um, falls nötig, offensive Operationen durchführen zu können. Wir haben die ausreichende Feuerkraft zur Verfügung und die Streitkräfte sind bereit und gerüstet um weiter gegen die Hamas zu kämpfen und israelische Zivilisten zu schützen."
Auswirkungen auf Eurovision Song Contest möglich
Die israelische Armee griff als Reaktion auf die Raketenangriffe über 300 Ziele im Gaza-Streifen an. Nach palästinensischen Angaben kamen dabei bisher mehr als 20 Menschen ums Leben – darunter auch Mitglieder der Hamas und der Gruppe Islamischer Dschihad. Unter Anderem wurde ein Hamas-Kommandeur gezielt durch einen Luftangriff getötet. Die israelische Armee teilte mit, der Mann sei für Geldtransfers aus dem Iran an bewaffnete Palästinensergruppen verantwortlich gewesen. Die jüngste Eskalation drohte auch Auswirkungen auf den Eurovision Song Contest zu haben. Das Finale des Musikwettbewerbs soll am übernächsten Wochenende in Tel Aviv ausgetragen werden. In den nächsten Stunden muss sich nun zeigen, ob sich die Meldungen über eine Feuerpause auch tatsächlich bestätigen.