Kreativität

Kunst und Leben mit bipolarer Störung

Im Psychiatriemuseum Riedstadt ist ein medizinisches Modell in Form eines halben, geöffneten Kopfes zu sehen.
Weit verbreitet ist der Eindruck, ein bisschen Wahnsinn fördere die Kreativität; sei vielleicht gar die Voraussetzung für ein künstlerisches Leben. © dpa picture alliance/ Nicolas Armer
Von Sascha Verlan und Almut Schnerring · 04.12.2015
Kaum feierte er seine ersten Erfolge, war der Rapper Flowin Immo aus der Szene schon wieder verschwunden. "Bipolare Störung" - so die Diagnose, mit der er sich eine Weile in die Einöde zurückzog, um dort sein nächstes Album zu produzieren.
Obwohl Sebastian Schlösser mit 27 Jahren als Shootingstar der deutschen Theaterszene galt, verzichtete er doch auf seine Stelle als Regisseur am Hamburger Schauspielhaus. Sein Innerstes nach Außen zu kehren, was zum Schauspielberuf dazugehört, davon hatte er in seinen manisch-depressiven Zuständen schon genug.

Auch Naema Gabriel, die gerne Künstlerin geworden wäre, entschied sich gegen diesen Lebensweg - die Krankheit der Mutter hielt sie davon ab, zu groß war die Angst, wie sie an einer bipolaren Störung zu erkranken. Und die bildende Künstlerin Gertrude ist zwar bereit, über ihre "bipolare Begabung" zu sprechen, da ihr aber schon zu viele Künstler mit ihrer psychiatrischen Diagnose Werbung machen, möchte sie in dieser Sendung anonym bleiben.
Tatsächlich: Weit verbreitet ist der Eindruck, ein bisschen Wahnsinn fördere die Kreativität. Von vielen Künstlerinnnen und Künstlern der Vergangenheit wird im Nachhinein vermutet, dass sie eine bipolarer Störung hatten, bei manchen entsteht der Eindruck, sie sei sogar die Voraussetzung für ihre Kunst, dass erst das Leiden diesen besonders klarsichtigen Blick auf unsere gesellschaftlichen Verhältnisse möglich macht. Was sagt das aus über unser Verhältnis zu Kunst und Leben in Zeiten, in denen die Grenzen von Normalität und Gesundheit immer enger gezogen werden, in denen der Konformitätsdruck weiter steigt?
Produktion: DLF 2015