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Krebs
Kraft- und Ausdauertraining für Tumorpatienten

Schonen sollten sich früher die Kranken. Doch diese Zeiten sind vorbei. Inzwischen untersuchen Wissenschaftler sogar, ob und wie schwer Krebskranke von Sport und Bewegung profitieren können.

Von Renate Rutta | 06.01.2015
    Diagnose Lungenkrebs: Ein Arzt zeigt auf einem Röntgenbild auf einen Tumor.
    Tumor, Lungenkrebs: Die Auswirkung von Bewegung auf Krebskranke wird in Studien untersucht. (picture alliance / dpa / Rainer Jensen)
    "Oftmals, das kennen wir ja auch als Gesunde, ist natürlich eine körperliche Bewegung etwas, was uns hilft, uns abzulenken, von Gedanken abzulenken und tatsächlich wie wir wissen, auf einer physiologischen Ebene Veränderungen bringt."
    Sagt Dr. Anette Brechtel, die Leiterin der psychoonkologischen Ambulanz am Nationalen Centrum für Tumorerkrankungen (NCT) in Heidelberg. Aber körperliche Bewegung hilft nicht nur, auf andere Gedanken zu kommen, auch Nebenwirkungen der Krebsbehandlung lassen sich dadurch in vielen Fällen lindern.
    "Mittlerweile haben wir die Erfahrung gemacht, dass viele Patienten - besonders mit Problemstellungen wie dieser ausgeprägten Erschöpfung oder Ermüdung, wenn wir von Fatigue sprechen -, sehr stark von solchen Sportangeboten, Bewegungsangeboten, profitieren können."
    Bewegung gegen Erschöpfung und Ermüdung
    Das ist von großer Bedeutung, denn über Erschöpfung und Ermüdung als Nebenwirkung der Krebsbehandlung klagen viele Patienten. Ob und wie Bewegung auch Tumorpatienten im fortgeschrittenen Krankheitsstadium hilft, das untersucht derzeit Dr. Joachim Wiskemann in mehreren Studien. Er ist wissenschaftlicher Koordinator des Projektes "Bewegung und Krebs" am Nationalen Centrum für Tumorerkrankungen (NCT) in Heidelberg.
    "Die Studie dreht sich darum, bei Patienten mit fortgeschrittenem Lungenkarzinom zu untersuchen, inwieweit eine begleitende bewegungstherapeutische Maßnahme hilfreich ist, die Lebensqualität zu verbessern bei einer durchschnittlichen Überlebenssituation des Patienten bei zehn bis zwölf Monaten."
    Größtenteils kann der Tumor bei den Kranken nicht mehr operiert werden und sie leiden auch unter den Begleiterscheinungen von Chemo- und Strahlentherapie. Dadurch ist ihre körperliche Leistungsfähigkeit stark beeinträchtigt.
    "Die Patienten haben häufig eine Kurzatmigkeit, das heißt, sie bekommen schwer Luft, weil sich der Tumor schon sehr weit im Organ der Lunge ausgebreitet hat. Das heißt, die Erkrankung ist nicht mehr einzudämmen, sondern nur noch zu kontrollieren und das Überleben ist eben begrenzt. Das macht die Situation für den Patienten sehr schwierig. Und genau da setzt die Bewegungstherapie an durch systematisches Training, ganz langsam am Anfang, diese Leistungsfähigkeit wieder herzustellen. Und man kriegt auch dadurch eine Verbesserung der Atmung, der Kurzatmigkeit hin."
    Mehrere Studien untersuchen Wirkung von Bewegung
    Bisher beteiligen sich über 70 Lungenkrebs-Patienten an der Studie. Sie berichten, dass es ihnen durch das leichte Kraft- und Ausdauertraining, Spazierengehen und Walking schon besser oder zumindest nicht schlechter geht.
    "Manche Patienten sind am Anfang extrem verblüfft und sagen: Ich hätte nicht gedacht, dass ich so was noch kann. Also überhaupt sowas wie leichtes körperliches Training zu machen. Ich habe gedacht, das geht alles nicht mehr. Von daher sind sie überrascht, dass sie gewisse Dinge können."
    Dr. Wiskemann arbeitet an zwei weiteren Studien mit schwer Krebskranken, wie beispielsweise Patienten mit Blutkrebs, die sich einer Stammzelltransplantation unterziehen. Auch bei diesen Lymphom- und Leukämiepatienten zeigte sich, dass sie weniger erschöpft und ermüdet waren, wenn sie am Bewegungstraining teilnahmen.
    "Wir sehen auch, dass die Patienten eine schnellere Herstellung des blutbildenden Systems wieder haben, das heißt, sie werden schneller wieder resistenter gegen Keime, die vonseiten der Umwelt auf sie einprasseln. Und darüber hinaus haben wir erste Daten, die uns nahelegen, dass vermutlich auch etwas in der Prognose passiert, das heißt, dass die Patienten, die systematisch sport- und bewegungstherapeutisch arbeiten, auch länger leben."
    Konkretere Aussagen dazu erhoffen sich die Wissenschaftler in ein bis zwei Jahren. Ein wichtiger Aspekt für den Erfolg des Bewegungstrainings scheint zu sein, dass die Patienten selbst aktiv sein können.
    "Denn sie waren vorher nur verdammt, zu warten, spricht die Therapie an, wird etwas besser und mit dem Trainieren, mit dem körperlich aktiv sein merken sie, hoppla, ich kann selbst etwas tun und dadurch verändert sich subjektiv wahrgenommen meine Gesundheit und die Dinge, die ich im Alltag kann."