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Krebsbehandlung
Darmkeime machen Chemotherapien wirksamer

Medizin. - Die Bakterien in unserem Körper helfen nicht nur bei der Verdauung mit, sie produzieren auch Vitamine und beeinflussen die Hormonbildung. Nun berichten zwei Forschergruppen im Fachmagazin "Science", dass Bakterien offenbar sogar bei der Krebsbekämpfung eine Rolle spielen. Bei Mäusen, denen diese Mikroben fehlen, wirken so genannte Immuntherapien deutlich schlechter, als bei ihren verkeimten Artgenossen.

Von Christine Westerhaus | 22.11.2013
    Immuntherapien gegen Krebs sind vom Prinzip her eine geniale Behandlungsmethode: Mit Medikamenten aktivieren Ärzte das körpereigene Abwehrsystem. Es greift die Tumorzellen an und macht sie unschädlich. Doch diese Selbstverteidigung ist offenbar effektiver, wenn körpereigene Bakterien mit von der Partie sind. Fabiana Saccheri und ihre Kollegen vom Nationalen Gesundheitsforschungsinstitut im französischen Villejuif haben beobachtet, dass ein Teil der symbiontischen Darmkeime krebskranker Mäuse den Darm verlässt, wenn die Tiere mit einer Immuntherapie behandelt werden. Sie wandern ins Innere des Körpers und aktivieren dort das Immunsystem, das sich dann gegen die Krebszellen richtet.
    "Die Bakterien lösen in den Lymphorganen eine Immunreaktion aus, die sich gegen sie selbst richtet. Und diese Abwehrreaktion aktiviert vor allem so genannte T-Helfer Zellen, die bei der Krebsbekämpfung eine Rolle spielen. Diese helfen dann dabei, den Tumor angreifen und ihn zu zerstören."
    Normalerweise leben diese Mikroben ausschließlich im Darm und sind durch eine undurchlässige Barriere vom Blutgefäßsystem und von den anderen inneren Organen getrennt. Erst die Behandlung mit Medikamenten führt dazu, dass die Darmbakterien ins Lymphsystem gelangen können.
    "Die Chemotherapie bewirkt offenbar, dass die Darmwand durchlässiger wird, so dass die symbiontischen Bakterien sie passieren können. Wir konnten in unserer Studie zeigen, dass das dazu führt, dass die körpereigenen Mikroben in das Körperinnere einwandern können – in den Blutkreislauf und das Lymphsystem."
    Gleichzeitig beobachteten die Forscher, dass sich im Darm der behandelten Mäuse andere Bakterien tummelten, als in unbehandelten. Offenbar bewirkte die Mikrobenwanderung, dass sich andere Keime im Darm niederließen, als ohne Medikamente. Parallel dazu behandelten die Forscher eine Gruppe von Mäusen mit einem Cocktail aus Antibiotika, der so gut wie alle Bakterien im Darm abtötete. Bei diesen keimfreien Tieren wirkte die Immuntherapie deutlich schlechter, als bei Nagern, die von Bakterien besiedelt waren. Das zeigte sich auch in einer ähnlichen Studie, die Forscher vom US-amerikanischen Krebsinstitut in Frederick durchführten. Diese Beobachtungen ließen sich eventuell therapeutisch nutzen, meint Giorgio Trinchieri einer der Autoren dieser Studie. Sollte sich zeigen, dass die körpereigenen Bakterien auch dem menschlichen Immunsystem dabei helfen, Tumoren zu bekämpfen, könnte man sie in der Krebstherapie einsetzen.
    "Ich denke, das ist ein guter Start, um das Zusammenspiel zwischen den Bakterien und den Krebszellen besser zu verstehen und die Therapie eventuell zu verbessern, indem man die Zusammensetzung der Mikrobengemeinschaft verändert. Es gibt in unserem Körper zehn Mal mehr Bakterien als eigene Zellen. Unser Körper ist also ein Zusammenspiel zwischen Bakterien, Viren und unseren Zellen und die Mikroben haben definitiv ein Interesse daran, selbst zu überleben und dafür zu sorgen, dass der Körper überlebt. Für beide Seiten hat es also Vorteile."
    Gleichzeitig warnt Trinchieri aber vor voreiligen Schlüssen. Auch wenn die Bakterien den Kampf gegen die Krebszellen unterstützen: Wer sich mit einer Immuntherapie behandeln lässt, sollte nicht auf Antibiotika verzichten, wenn er sie dringend braucht.