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"Kreisler hat es verstanden, eine ganz breite Gefühlsskala abzudecken"

Für seine Interpretationen von Liedern George Kreislers wurde der Chansonnier Tim Fischer weithin gefeiert. Im Corso-Gespräch erinnert er sich an den verstorbenen Komponisten, Autoren und persönlichen Förderer.

Tim Fischer im Gespräch mit Marietta Schwarz | 23.11.2011
    Marietta Schwarz: Einer, der auf seine eigene Art für dieses Überleben des Kreislerschen Werkes sorgt, ist Tim Fischer, der jetzt am Telefon ist, übrigens gerade im Zug sitzt, in Österreich - Tim Fischer, guten Tag!

    Tim Fischer: Ja guten Tag, hallo!

    Marietta Schwarz: Tim Fischer, Sie haben Kreislers Werk selbst auf die Bühne gebracht, da gab’s schon das Musical "Adam Schaf hat Angst" und es gab die "Gnadenlose Abrechnung", ein Bühnenprogramm, das Georg Kreisler eigens für Sie geschrieben hat. Das ist für Sie jetzt auch ein trauriger Tag heute, oder?

    Tim Fischer: Ja natürlich, das ist einfach ein unglaublich herber Verlust. Ich bin auf der anderen Seite natürlich sehr dankbar, dass er überhaupt so lange gemacht hat. Er hat ja ein stolzes Alter erreicht und irgendwann ist es ja auch mal gut. Und in seinem Leben, das kann man ja auch aus seinem künstlerischen Schaffen nehmen – waren ja Tausende Leben vorhanden.
    Klar, ich bin traurig und mein tiefstes Mitgefühl gilt natürlich vor allem seiner Frau und seinen Kindern und seinen Freunden. Aber Georg hatte eben ein sehr entspanntes, humorvolles Verhältnis zum Tod und das hat er ja in seiner Kunst auch sehr zum Ausdruck gebracht und hat gesagt; "die Glücklichen sind längst vorangegangen, die Unglücklichen zählen noch ihr Geld, die ganze Welt steht angestellt in Schlangen und jeder wartet, bis sein Stichwort fällt". Er hat den Tod ja immer sehr humorvoll behandelt und wir sollten uns – irgendwie, so es geht, 'ne Scheibe davon abschneiden.

    Marietta Schwarz: Was zeichnet denn, würden Sie sagen, Kreislers Werk aus? Ist es vor allem die Sprache?

    Tim Fischer: Es ist nicht die Sprache, es ist der Inhalt. Er hat immer eine Außenseiterposition bezogen. Er war da total visionär und hat durch seine Sicht auf die Dinge Positives bewirkt. Er war in der Lage einen in seine Irrgärten, in seine Labyrinthe zu entführen, dahin wo eben das Schwere leicht, das Hässliche schön und das Unmögliche möglich war. Das bleibt ja vor allem auch erhalten, also sein Geist lebt ja in seinem Werk auch weiter und es ist ein zeitloses Werk und ich bin sehr, sehr froh, dass ich mit ihm so intensiv arbeiten durfte und das war im Grunde mein Förderer. Er hat an mich geglaubt und hat mir seine Freundschaft angeboten künstlerisch wie privat und das war im Grunde eine oder die produktivste Zeit – er hat mich einfach auch zu Dingen gebracht, die ich mir selber nie zugetraut hätte und dafür bin ich ihm sehr dankbar.

    Marietta Schwarz: Würden Sie auch sagen, dass das die Stärke in der Zusammenarbeit mit Kreisler war. Dieses Befürworten, dieses Voranbringen, dieses Puschen?

    Tim Fischer: Ja also er war ziemlich gnadenlos in der Arbeit und hat mich wirklich bis aufs Blut arbeiten lassen. Aber wissen Sie, das war auch eine große Freude, denn überhaupt erstmal zu realisieren, dass dieser Kreisler wirklich existiert. Ich hatte unglaubliche Hemmungen, als er mir das Du angeboten hat, hab ich das ganz lange nicht fertiggebracht, ihn zu duzen. Ich hab ihn ewig lange weiter gesiezt, bis er wirklich sehr böse mit mir wurde und sagte: "Tim, wenn du mich jetzt nicht duzt, dann können wir unsere Zusammenarbeit beenden". Und ansonsten war er eigentlich ein sehr bodenständiger Mensch was ich gar nicht erst so überein bekommen habe. Das war großartig, mit ihm zusammenzusitzen, mit seiner Frau, mit seinen Freunden zu sein. Dann hat er sich an das Klavier gesetzt und wir haben alle seine Lieder gesungen. Das war einfach toll.

    Marietta Schwarz: Tim Fischer, geht denn mit Georg Kreislers Tot auch so etwas wie eine Kabarettära zu Ende?

    Tim Fischer: Ja absolut, denn was Kreisler für ein Spektrum abgedeckt hat, das gibt es heute einfach nicht mehr. Die Autoren, die heute komisch schreiben, schreiben ausschließlich komisch und Kreisler hat es eben verstanden, eine ganz ganz breite Gefühlsskala abzudecken und zu behandeln, er war ja vor allem besonders stark, nicht in dem – wofür er bekannt ist – für die schwarzhumorige Seite, sondern in seinen seltsamen Liebesliedern. Da hat er den Menschen wirklich eine Art Lebenshilfe, eine Stütze geboten. War für verirrte und verwirrte ein Halt in der Brandung.

    Marietta Schwarz: Eins haben wir ja gespielt "Please shoot your husband"

    Marietta Schwarz: Ja das ist ja ein sehr komisches Lied. Der Wunsch eben, dass die Geliebte doch bitte ihren Ehemann erschießen solle, weil die neue Liebe vor der Nase steht. Das ist ein unglaubliches Werk, das er uns hinterlassen hat. Das war schon eine Marke und er hat einfach seine wunderbare, kriminelle feine Art, hat er sich sein ganzes Leben bewahrt und es war einfach toll mit ihm.

    Marietta Schwarz: Tim Fischer, ich danke Ihnen für das Gespräch:

    Tim Fischer: Ich danke auch, danke.

    Marietta Schwarz: Und heute Abend ab 21.05 Uhr hier im Deutschlandfunk mehr zu Georg Kreislers Leben und Werk in unserer Sendung Querköpfe.

    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.