Donnerstag, 18. April 2024

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Kremlkritiker erschossen
Entsetzen in Moskau und Kiew nach Mord an Journalisten

Nach dem Mord an Journalist Arkadij Babtschenko ist die Bestürzung in Russland und der Ukraine groß. Babtschenko trat kritisch gegenüber Russland auf und unterhielt enge Kontakte zu den Freiwilligen-Bataillonen der Ukraine. Wohl deshalb wurde er zum Ziel der Mörder, glauben Oppositionspolitiker in Russland.

Von Florian Kellermann | 30.05.2018
    Arkadij Babtschenko beim Literaturfestival lit.cologne im Jahr 2009
    Erschossen in seiner eigener Wohnung in Kiew: Arkadij Babtschenko (dpa/ Frank Carstensen)
    Arkadij Babtschenko verließ Russland im Februar 2017. Eine vorübergehende Vorsichtsmaßnahme sei das, sagte er damals. Er sei in Gefahr, erklärte er:
    "Ich habe die Information bekommen, dass die Genossen vom KGB dabei sind zu entscheiden, was sie mit mir machen wollen. Ob sie mich fertig machen sollen - oder ob sie mich, diesen schlimmen Journalisten, schreiben lassen, was ich will. Das hatte ich aus zuverlässiger Quelle. Ich bin ein netter Mensch und habe ihnen die Qual der Entscheidung abgenommen und bin ausgereist."
    "Putin ist mindestens 150 Jahre zu spät geboren"
    Mit dem Begriff "KGB" meinte Babtschenko natürlich den russischen Geheimdienst FSB. Denn der Kriegsreporter hatte sich in Russland unbeliebt gemacht. Nicht nur, dass er den russischen Präsidenten Vladimir Putin kritisierte. Er lehnte die russische Annexion der Halbinsel Krim ab. Und im Krieg im Donezbecken stellte er sich auf die Seite der Ukraine - nicht der von Moskau gesteuerten Separatisten.
    Über den russischen Präsidenten sagte er: "Vladimir Putin ist mindestens 150 Jahre zu spät geboren. Im 18. oder 19. Jahrhundert wäre er ein toller Imperator gewesen. Er hätte sich dafür feiern lassen können, dass er die Krim erobert hat. Er wäre gern ein Zar - aber er ist ein Präsident im 21. Jahrhundert."
    In eigener Wohnung erschossen
    Seine kritische Haltung habe ihn in Gefahr gebracht, erklärte Babtschenko nach seiner Flucht aus Russland: "Ich lebe seit sieben, acht Jahren in ständiger Angst. Wenn Du in Russland anders denkst als die Staatsmacht, dann denkst Du daran, dass sie Dich jede Minute ins Gefängnis stecken können. Oder Du wirst zusammengeschlagen oder Du bekommst eine Giftspritze verpasst. Daran denkst du ständig."
    Doch auch in der Ukraine war der 41-Jährige nicht in Sicherheit, wie sich gestern Abend zeigte. Ein bisher Unbekannter schoss auf ihn in seiner eigenen Wohnung in Kiew, in der sich auch Babtschenkos Frau befand. Der Journalist verstarb auf dem Weg ins Krankenhaus.
    Die Tat löste in Moskau und Kiew Entsetzen aus. Der russische Oppositionspolitiker Ilja Ponomarjow: "Arkadij war sehr beliebt in der Ukraine, zu seinen Vorträgen kamen immer sehr viele Leute. Er ist dabei sehr kritisch gegenüber Russland aufgetreten und hat in der Ukraine enge Kontakte auch zu den Freiwilligen-Bataillonen gepflegt, die in der Ostukraine kämpfen. Wohl deshalb wurde er zum Ziel der Mörder."
    Unklarheit über Kreise des Täters
    Ponomarjow und andere Freunde von Babtschenko wollten gestern allerdings noch nicht festlegen, aus welchen Kreisen die Täter stammen könnten. Das russische Außenministerium forderte die Ukraine noch am Abend auf, den Fall so schnell wie möglich aufzuklären. Kiew solle dabei internationale Hilfe erbeten, so die Forderung aus Moskau.
    Babtschenko war nicht der erste Kremlkritiker, der in Kiew getötet wurde. Vor etwas über einem Jahr wurde der ehemalige Duma-Abgeordnete Boris Woronenkow in der ukrainischen Hauptstadt erschossen. Auch zu zwei tödlichen Attentaten auf Journalisten, die vor allem die ukrainische Regierung kritisierten, kam es dort in den vergangenen Jahren.