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Kreuz-Debatte
"So geht man nicht mit einem Heiligtum um"

Von nächster Woche an werden in bayerischen Behörden Kreuze hängen. Dlf-Hörer Guy Féaux de la Croix, dessen Familie das christliche Zeichen seit 1393 im Namen trägt, hält dieses Gebot für populistisch. Dabei stellt er selbst Kreuze auf gegen Gewalt und Krieg. Wann sind öffentliche Kreuze gute Kreuze?

Guy Féaux de la Croix im Gespräch mit Christiane Florin | 25.05.2018
    Europakreuze von Schülerinnen und Schülern des Klostergymnasium Steinfeld gestaltet
    Europakreuze von Schülerinnen und Schülern des Klostergymnasium Steinfeld gestaltet (Manos Meisen)
    Christiane Florin: Nächste Woche, Schlag 1. Juni, ist es so weit. Dann hängen in allen bayerischen Behörden die viel kommentierten Kreuze. Auch wir haben darüber ausführlich berichtet. Unter den zahlreichen Hörerzuschriften fiel uns eine besonders auf: die von Guy Féaux de la Croix. Ein Name wie ein Chanson. Er ist Jurist, war deutscher Diplomat im Vatikan und seine Familie trägt seit 1393 da Kreuz im Namen. Ein Mann mit Kreuzzugshintergrund, ein Getreuer vom Kreuz, so die wörtliche Übersetzung des Namens. Heute engagiert er sich gegen Krieg und Gewalt mit einer Aktion namens Europakreuze. Wir haben ihn zum Gespräch eingeladen, gestern war er hier im Kölner Funkhaus. Er hat zunächst erzählt, was es mit dem Kreuz auf sich hat.
    De la Croix: Vermutlich stammt der Name aus dem allerletzten Kreuzzug, der schon nicht mehr ins Heilige Land führen sollte, sondern der ein Abwehrkampf gegen die Türken war. Da gab es dann eine Schlacht im Jahre 1393 bei Nikopolis. Das ist heute in Bulgarien. In dieser Schlacht - so geht die Legende - ist der Name De la Croix entstanden.
    Florin: Sie haben sich gemeldet, hier beim Deutschlandfunk, weil Sie sich erregt haben über die Entscheidung des bayerischen Kabinetts vom 1. Juni an Kreuze in bayerischen Behörden aufzuhängen. Was regt sie auf?
    "Das Kreuz ist kein Symbol, sondern ein Heiligtum"
    De la Croix: Mich erregt es als einen Gläubigen, der sich mit dem Kreuz als Zeichen unseres Glaubens zutiefst verbunden fühlt. Und es beginnt ja mit dem Missverständnis, wie es bei Herrn Söder zum Ausdruck kommt, dass es ein Symbol ist. Nein, das Kreuz ist nicht lediglich ein Symbol für irgendwas anderes, sondern das ist ein Heiligtum und das sollte eigentlich für den evangelischen Synodalen Söder auch nicht anders sein. Es ist ein Heiligtum und als solches muss es respektiert werden und damit hat man sehr achtsam umzugehen.
    Florin: Wer entscheidet, was das Kreuz bedeutet? Entscheiden das die Kirchen oder entscheiden das Gläubige wie Sie?
    De la Croix: Jedenfalls kann es nicht die Politik entscheiden und sich zu Nutzen machen. So geht man mit Heiligtümern nicht um.
    Guy Féaux de la Croix
    Fühlt sich mit dem Kreuz besonders verbunden: Guy Féaux de la Croix (Guy Féaux de la Croix )
    Florin: Fühlen Sie sich aufgrund Ihres Namens besonders berufen, zum Thema Kreuz Stellung zu nehmen?
    De la Croix: Ja, auch. Aber es ist eben auch die künstlerische Befassung mit den Kreuzen dazugekommen. Das hat seinen Ausdruck gefunden in der Initiative Europakreuze. Diese Initiative 170 Europakreuze von Schülern und Schülerinnen des Klostergymnasiums Steinfeld geschaffen diente zunächst den Opfern des 1. Weltkrieges, aber inzwischen ist ja vielmehr daraus geworden, ein Gedenken an die Opfer aller Kriege und der Gewaltherrschaft überhaupt.
    "Mit den Kreuzen nähern wir uns einem Opfer an"
    Florin: Das sind also sehr bunte Kreuze, individuell gestaltete Kreuze, die Sie aufstellen, entweder bei größeren Veranstaltungen oder in Schulen. Gegen Gewaltherrschaft in Gedenken an die Opfer von Kriegen. So heißt es im Begleitheft zu Ihrer Aktion. Das ist doch auch eine Instrumentalisierung.
    De la Croix: Jeder einzelne Schüler, jede einzelne Schülerin, jeder einzelne Künstler setzt sich mit dem Schicksal eines Menschen auseinander, der vermutlich unter einem Kreuz begraben ist, wenn man ihn gefunden hat. Die Kreuze in diesem Fall sind auch ein Zeichen für den Tod, aber auch für die Hoffnung auf Wiederauferstehung. Ich denke, dass wir uns damit dem Schicksal eines Gefallenen annähern. Mit dem Mittel der Kunst, aber auch der Warte des Glaubens. Instrumentalisierung bedeutet ja Nutzung für eigene Zwecke. Und darin unterscheiden wir uns doch sehr vom Ministerpräsidenten Söder. Wir wollten ganz gewiss diese Kreuze nicht für unsere Zwecke instrumentalisieren.
    Florin: Sie haben jetzt sehr Ihren persönlichen Glauben betont. Wir wirken die Kreuze auf Menschen, die nicht Christen sind?
    De la Croix: Die Erfahrung zeigt, dass diese Kreuze auch Anstoß geben zu vielen Gesprächen. Dass andere Menschen darin unsere Ernsthaftigkeit erkennen, uns mit dem Schicksal von Kriegsgefallenen auseinanderzusetzen, aber überhaupt mit allen leidenden Menschen. Ich denke, dass gerade diese Hinwendung, diese Empathie, die in unserem Glauben, in unserem Christentum angelegt ist, auch viele Menschen beeindruckt, die es nicht fertigbringen, an Gott zu glauben.
    Florin: Und warum soll es nicht möglich sein, wenn im Eingangsbereich einer bayerischen Behörde ein Kreuz hängt, dass auch das einen Anstoß liefert für ein Gespräch?
    De la Croix: Weil es dann aus einem Kontext herausgerissen ist. Als Bundesverfassungsrichter würde ich doch dem Herrn Söder die Frage eines Tages stellen wollen: Haben Sie denn nicht schon genug Kreuze in Bayern? Ich freue mich als Sympathisant der bayerischen Kultur über all die Gipfelkreuze auf der Alpspitze bis zur Zugspitze, auf keinen Fall möchte ich, dass irgendein traditionelles und vorhandenes Kreuz aus einer bayerischen Amtsstube entfernt wird. Aber in diesem anderen Kontext ist der politische Missbrauch zu offensichtlich, als dass man ihn übersehen und als Traditionspflege anerkennen kann.
    "Für Söder eine Win-Win-Situation"
    Florin: Söder wollte ein Zeichen setzen, sicherlich schon mit Blick auf die Landtagswahl. Was meinen Sie, wird sich das am Wahltag lohnen für ihn?
    De la Croix: Also jetzt können wir ja mal spielerisch CSU-Präsidium um 17 Uhr am 14. Oktober spielen, nicht wahr?
    Florin; Ja, Sie sind kein Diplomat mehr ...
    De la Croix: Ja, ich kann da vieles sagen: entweder die Sache ist gut gelaufen, dann sagt Söder, super, ihr seht, das Kreuz hat's gebracht. Vergelt's Gott, stellt dem Herrgott am Sonntag ein Kerzerl in der Kirche auf. Oder aber es ist schlecht gelaufen und er sagt, seht es wäre ohne meine Kreuzaktion noch viel schlechter gelaufen. Es ist für den Herrn Söder eine Win-Win-Situation.
    In jedem Fall kann man nicht vermuten, dass sich in einer Empörung und Entrüstung über diese Amtskreuze von der CSU abwenden. So ist das mit dem Populismus. Der Populismus ist in der Tendenz immer äußerst erfolgreich. Das Problematische am Populismus ist aber, dass er die Menschen nicht bei ihren tugendhaften Intentionen und Motiven abholt, sondern bei ihren niederen. Und das ist schlimm genug. Aber wenn für diesen Populismus auch noch die Heiligtümer der Religion eingesetzt werden, gibt es nur ein Wort dafür und das lautet: Schindluder.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.