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Krieg im Orchestergraben

Nach Ansicht von Rolf Bolwin, Geschäftsführer des Deutschen Bühnenvereins, geht es in der Auseinandersetzung mit den Orchestermusikern nicht darum, tarifliche Abkoppelungen in Form von Hausverträgen zu erreichen. Außerdem habe der Tarifausschuss des Bühnenvereins am 13. Oktober eine Lohnerhöhung für die Orchestermusiker beschlossen.

Rolf Bolwin im Gespräch mit Rainer Berthold Schossig | 01.12.2008
    Rainer Berthold Schossig: Sind bundesweit nun die Weihnachtsmärchen in Gefahr? Es herrscht Krieg im Orchestergraben. Nichts "Kling, Glöckchen, klingelingeling". Die Mitglieder der insgesamt 90 deutschen Opern und Konzertorchester wehren sich gegen die Abkopplung ihrer Bezahlung vom allgemeinen Tarif im öffentlichen Dienst. Am Wochenende gab es erste Streiks. In acht Städten fielen Vorstellungen aus und nun soll es diese Woche ein Schlichtungstreffen geben zwischen Deutschem Bühnenverein, der Gewerkschaft Verdi und der Deutschen Orchestervereinigung. Eine eventuell denkbare Vereinigung laut Tarifvertrag für Musiker in Kulturorchestern würde im Wesentlichen wohl der Tariferhöhung im öffentlichen Dienst von 2,9 Prozentpunkten folgen. Frage an Rolf Bolwin, mit dem ich vor dieser Sendung sprach, Geschäftsführer des Deutschen Bühnenvereins. Eine fürstliche Gehaltserhöhung wäre das ja nicht. Was ist denn dagegen einzuwenden?

    Rolf Bolwin: Das war immer Politik des Deutschen Bühnenvereins, dass diese Lohnerhöhung des öffentlichen Dienstes auf die künstlerischen Mitarbeiter übertragen werden. Das kann ja nicht sein, dass ein Bühnenarbeiter oder ein Mitarbeiter der Verwaltung, dass der eine Lohnerhöhung bekommt und die, die das Kerngeschäft betreiben, die Künstler, dazu gehören auch die Orchestermusiker, diese Lohnerhöhung nicht bekommen. Das ist völlig selbstverständlich. Es gibt ja keinen einheitlichen Tarifabschluss mehr des öffentlichen Dienstes, die Zahlen sind dann etwas unterschiedlich.

    Schossig: Unabhängig davon, Herr Bolwin, nehmen aber Schauspieler und auch Musiker seit langem anscheinend nicht mehr an der tariflichen Entwicklung richtig teil. Die faktische bisherige Abkopplung widerspreche gerade in Zeiten steigender Lebenshaltungskosten sozialer Gerechtigkeit. Sie haben das ja auch eben gesagt, das sagen auch viele Mitglieder des Bühnenvereins. Was spricht denn für diese, ich sage dennoch, Abkopplung in Form von Hausverträgen?

    Bolwin: Es ist überhaupt keine Abkopplung beabsichtigt und es hat auch keine stattgefunden. Bei den Schauspielern, Sängern und Tänzern sind alle Lohnerhöhungen ohne große Probleme übertragen worden, mit denen haben wir ja auch überhaupt keine Auseinandersetzung. Beim Orchester war das im Großen und Ganzen nicht anders. Dazu muss man erst mal wissen, in den Jahren, um die es geht, 2005 bis 2007, hat es prozentuale Lohnsteigerungen im öffentlichen Dienst überhaupt nicht gegeben. Es hat dort nur Einmalzahlungen gegeben von pro Jahr etwa 300 Euro. Diese Einmalzahlungen haben wir auf die Schauspieler, Sänger, Tänzer sowieso übertragen, das ist gar keine Frage.

    Die haben wir auf die Orchestermusiker nicht übertragen, aus einem ganz einfachen Grunde, weil die Orchestermusiker anders als zum Beispiel der gesamte öffentliche Dienst, anders als die Schauspieler, Sänger und Tänzer bestimmte Nachteile nicht in Kauf nehmen müssen. Also bei denen, nämlich dem öffentlichen Dienst und den anderen künstlerischen Mitarbeitern, ist etwa das 13. Monatsgehalt abgesenkt worden, da ist das Urlaubsgeld entfallen, die haben andere Nachteile in Kauf nehmen müssen. Das haben die Orchestermusiker nie mitgemacht und nicht mitmachen wollen. Und aufgrund dessen sind diese ja durchaus geringfügigen Einmalzahlungen an sie nicht ausgezahlt worden.

    Im Übrigen, was das Jahr 2008 angeht, hat der Tarifausschuss des Bühnenvereins am 13. Oktober eine Lohnerhöhung für die Orchestermusiker trotz der ganzen Auseinandersetzung beschlossen, die dafür Sorge tragen soll, dass die Orchestermusiker weiterhin an den öffentlichen Dienst angekoppelt bleiben.

    Schossig: Wäre nicht künftig ein Normvertrag denkbar, der aufbauend auf so eine Art Grundsicherung wirklich erbrachte Leistungen von Musikern gratifizierte?

    Bolwin: Ich halte den absolut für denkbar. Nur die Gewerkschaft pocht auf eine einheitliche Bezahlung aller Musiker, die in einem Klangkörper beschäftigt werden. Aus meiner Sicht wäre das kein Problem, auch in diesen Fragen den Tarifvertrag zu ändern.

    Schossig: Verträge sind also änderbar. So weit die Meinung von Rolf Bolwin, Geschäftsführer des Deutschen Bühnenvereins zur Auseinandersetzung mit den streikenden Orchestermusikern.