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Krieg oder Frieden?

Jemens Präsident Ali Abdullah Saleh hat schon seit langem mit der schwierigen Lage in seinem Land zu kämpfen, ohne dass er nachweislich zur Lösung der Probleme beigetragen hätte. Doch seine Tage sind gezählt, der Widerstand hat sich breit aufgestellt.

Von Birgit Kaspar | 26.03.2011
    Schüsse auf dem so genannten "Platz des Wandels" vor der Universität in Sanaa. Dort wurden vor einer Woche mehr als 50 friedliche Demonstranten von den Sicherheitskräften Ali Abdullah Salehs getötet. Das Vorgehen beschleunigte den Niedergang des Präsidenten.

    Das Anti-Saleh Lager rückte enger zusammen, religiöse Gelehrte sowie angesehene Stammesführer, Diplomaten und Minister schlossen sich den Protestlern an. Noch wichtiger: Einflussreiche Militärs, unter ihnen der wohl zweitmächtigste Mann im Jemen, Generalmajor Ali Mohsen al Ahmar. Die Sicherheitskräfte waren damit gespalten, die Sorge vor einem Bürgerkrieg wuchs. Ginny Hill, Jemen-Expertin des Londoner Think-Tanks Chatham House:

    "Ein Bürgerkrieg, der die beiden nun verfeindeten Militärlager einschließt, ist ein Szenario. Das andere: Viele Jemeniten hoffen, dass dieses militärische Patt zu einer friedlichen Lösung führt, zu einer Einigung auf einen Übergangsrat, der eine neue politische Ordnung vorbereitet."

    Einen solchen Übergangsrat fordert auch die "Koalition für eine friedliche Revolution", ein loses Bündnis verschiedener, vor allem jugendlicher Bürgerrechtsgruppen und reformorientierter Aktivisten. Der Rat könnte aus Zivilisten bestehen, die mit dem korrupten Regime nichts zu tun haben aber alle wichtigen Gruppierungen im Land vertreten. Er sollte in einer sechs-monatigen Übergangsperiode eine neue Verfassung erarbeiten und Neuwahlen vorbereiten, erklärte die Revolutions-Koalition. Doch die Details seien ungeklärt, gibt der unabhängige Jemen-Experte Philipp McCrum zu bedenken:

    Abzuwarten bleibe auch, ob diese so unterschiedlichen Oppositionsgruppen, die derzeit einzig die Forderung nach Saleh's Rücktritt eint, überhaupt eine gemeinsame Strategie für die Post-Saleh Zeit finden könnten, so McCrum. Diese Periode werde von extremer Unsicherheit geprägt sein, betont der Jemen-Spezialist.

    Es ist tatsächlich eine ungewöhnliche Protestbewegung, die sich in der kleinen Zeltstadt nahe der Universität zusammengefunden hat: Studenten, Intellektuelle, Bürgerrechtler, Anwälte, Ärzte, Militärs, Politiker und Stammesführer. Und dann die ganz normalen Jemeniten. Sie fordern politisches Mitspracherecht und Demokratie, ein Ende der Korruption sowie eine Verbesserung ihrer desolaten wirtschaftlichen Lage. Doch ob das Gefühl der neuen Einheit Salehs Sturz überleben wird, sei sehr fraglich:

    Die Sorge bestehe, dass der Jemen in seine historischen inneren Kämpfe und Konflikte zurückfalle. Deshalb fordere die Jugend-Bewegung nachdrücklich eine Verfassung und ein föderale Struktur, sagt McCrum. Sollten die anderen Kräfte - also das Militär, die Stämme und die traditionellen Oppositionsparteien - auf sie hören, sei ein friedlicher Übergang möglich.

    Einem solchen föderalen System könnte sogar die Unabhängigkeitsbewegung im Süden zustimmen, bekräftigt der von dort stammende Mohammed Qubaty. Qubaty war Berater des Premierministers bevor auch er sich der Protestbewegung anschloss:

    "In Aden sprechen die Leute jetzt schon von einem neuen, demokratischen Jemen und einem historischen Kompromiss."

    Doch je länger ein politisches Vakuum besteht, wie in diesen Tagen, desto größer ist die Gefahr, dass sich die Südjemeniten abspalten. Der ehemals sozialistische Süden wurde mit dem islamisch-konservativen Norden erst in den 90er Jahren vereint. Auch die Houthis im Norden, die sich in den letzten Jahren einen immer wieder aufflammenden Bürgerkrieg mit der jemenitischen Armee lieferten, könnten dann ihren eigenen Weg einschlagen. Das alles müsse nicht unbedingt einen Bürgerkrieg nach sich ziehen oder eine Situation wie in Somalia, betont McCrum:

    Vor allem deshalb nicht, weil die Stämme außerhalb der Hauptstadt Sanaa sich schon lange ihre eigene Ordnung gäben, denn der Staat sei sehr schwach.

    Die amerikanische Sorge davor, dass al Qaeda sich des Jemen völlig bemächtigen könnte, halten viele Experten für übertrieben. Präsident Saleh hat zwar mit Washington im Anti-Terror-Kampf mehr oder weniger kooperiert, al Qaeda kontrollieren konnte er allerdings nie.

    Er sei schon lange der Meinung, betont McCrum, dass Saleh Teil des Problems sei, nicht aber Teil der Lösung.