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Krim-Krise
Chinas Schlingerkurs setzt sich fort

Seit Wochen zögert Peking, sich eindeutig im Konflikt um die Krim zu positionieren. Dabei werden die Europäer klare Worte erwarten, wenn Staatschef Xi Jingping in der kommenden Woche erstmal die EU besucht. Auch in Deutschland wird er Station machen.

Von Axel Dorloff | 22.03.2014
    Eine eindeutige Position hört sich anders an. Vor wenigen Tagen stellte sich der chinesische Vizeaußenminister Li Baodong in Peking den Fragen der Journalisten. In ermüdender Länge referierte er detailliert über Xi Jinpings Europareise, ohne wirklich etwas Interessantes dabei zu sagen. Als er im Anschluss gefragt wird, ob China das Ergebnis des Referendums auf der Krim für rechtmäßig hält, bleibt er nebulös. "Wir sind sehr besorgt über die aktuelle Situation in der Ukraine. Wir hoffen, dass sich die Konfliktparteien zurückhalten und versuchen zu verhindern, dass die Situation noch schlimmer wird. Es muss einen Dialog geben, um die Krise politisch zu lösen. Das ist die einzige Möglichkeit."
    China steckt im Dilemma
    Es ist die Kein-Kommentar-Taktik. Die schwammigen und ausweichenden Reaktionen von Chinas Vize-Außenminister Li Baodong sind exemplarisch für den Versuch der Volksrepublik, neutral zu bleiben. China befindet sich beim Konflikt um die Krim in einem Dilemma.
    Auf der einen Seite ist Russland ein wichtiger, vielleicht der wichtigste strategische Partner. Besonders wenn es darum geht, dem Westen gemeinsam die Stirn zu bieten. Seit 2007 hat China Russland in allen Vetos innerhalb des UN-Sicherheitsrates unterstützt. Nur im Falle des Georgienkrieges 2008 nicht. Und es ist nicht nur eine politisch-strategische Partnerschaft, auch als Wirtschaftspartner wird Russland immer bedeutender.
    Das jährliche Handelsvolumen zwischen Russland und China steigt rasant. Lag es 2011 noch bei rund 80 Milliarden Dollar, soll es bis 2020 auf etwa 200 Milliarden Dollar wachsen. Das hat vor allem zwei Gründe: China ist aufgrund seines wachsenden Energiebedarfs an Öl, Gas- und Stromlieferungen aus Russland interessiert. Außerdem ist Russland der größte Rüstungslieferant für China.
    Aus diesem Grund werde China Russland auch nicht direkt kritisieren, sagt Chen Xinming, Professor für Internationale Studien an der Renmin-Universität in Peking: "Für China ist die Situation sehr schwierig. China kann nicht klar Farbe bekennen, wenn man die Partnerschaft zwischen China und Russland mitdenkt. China hat auch ein Stück weit Verständnis für Russland."
    China will gute Beziehung zu der Ukraine nicht gefährden
    Das Verständnis geht aber wiederum nicht soweit, dass China das Referendum oder gar die russische Eingliederung der Krim offiziell unterstützt. Denn: China möchte auch die Führung in Kiew nicht verprellen. China fördert seit Jahren die Beziehungen zur Ukraine. Politisch gilt das Land als interessanter Partner mit Blick auf Europa. Die Ukraine exportiert in großem Stil Waffen, Militärtechnologie und Nahrungsmittel nach China. Darauf möchte die Volksrepublik nicht verzichten.
    Aber es hat auch einen politisch-ideologischen Grund, das China Putins Krim-Politik nicht offiziell absegnet. Die Nicht-Einmischung gehört zu den Grundlinien, zu den obersten Prinzipien der chinesischen Außenpolitik. Diese Haltung hat vor wenigen Tagen der chinesische UN-Botschafter Liu Jieyi in New York noch mal klar formuliert.
    "China respektiert die Unabhängigkeit, Souveränität und territoriale Integrität von Staaten. Das war und bleibt die chinesische Position. Und China wird weiter versuchen, Friedensverhandlungen voranzubringen und eine konstruktive Rolle für eine politische Beilegung der Krise in der Ukraine zu spielen."
    Zuvor hatte sich China der Stimme enthalten, als der UN-Sicherheitsrat über den Resolutionsentwurf abstimmte, der dem Krim-Referendum die Gültigkeit abspricht. China ist außerdem besorgt, dass das Beispiel Krim als Vorbild für separatistische Bewegungen im eigenen Land dienen könnte. Besonders mit Blick auf die Konflikte in Tibet oder Xinjiang: Die nationale Einheit Chinas hat immer oberste Priorität. Abspaltungs-Szenarien irgendwo anders beobachtet man grundsätzlich mit großem Argwohn.
    Aufgrund der Nichteinmischungs-Politik lehnt China auch zunächst mal Sanktionen als Mittel der internationalen Politik ab. Sanktionen gegen ein bestimmtes Land werden als Einmischung in nationale Angelegenheiten gewertet. Ob Myanmar 2007, Zimbabwe 2008 oder Syrien 2011 und 2012: China hat Sanktionen im UN-Sicherheitsrat entweder kritisiert oder sogar sein Veto eingelegt.
    Auch gegen Russland wird China keine Sanktionen mitragen, deutet der Sprecher des chinesischen Außenministeriums an, Qin Gang:
    "In den Internationalen Beziehungen ist China gegen eine Sanktionspolitik. Und auch dagegen, mit Sanktionen zu drohen. In der aktuellen Situation rufen wir alle Konfliktparteien dazu auf, eine weitere Eskalation zu vermeiden und den Konflikt politisch zu lösen. Nur so lässt sich die Krise beilegen."
    Der chinesische Botschafter in Deutschland, Shi Mingde, hat sogar explizit vor einer Sanktions-Spirale gewarnt. Die Befürchtung: Sanktionen haben Gegensanktionen zur Folge. Und dass schade dann langfristig allen, nämlich der Weltwirtschaft insgesamt.
    Krim-Krise überschattet erste Europareise von Chinas Staatspräsident
    Das Thema Ukraine und Krim überschattet jedenfalls die erste Europareise von Chinas Staatspräsident Xi Jinping. Der ist bis zum 1. April in Europa, nimmt dort am Gipfel zur nuklearen Sicherheit in Den Hag teil und besucht außerdem die Niederlande, Frankreich, Deutschland, Belgien und die EU in Brüssel. Und überall wird die Ukraine ein Thema sein, vermutet Fen Zhongping, Europa-Experte an einem regierungsnahen Thinktank für Internationale Beziehungen.
    "Die Leute werden an Xi Jinpings Position zur Krise in der Ukraine interessiert sein. Die Europäer werden wissen wollen: Wie positioniert sich China?"
    Aber auch die Europäischen Staatschefs werden vermutlich damit leben müssen, dass China nicht klar Farbe bekennt. Die Volksrepublik will jegliche Konfrontation mit den beteiligten Nationen vermeiden. Die Krim-Krise bleibt für China eine Zwickmühle.