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Krim-Krise
Hektischer Abspaltungsversuch

Auf der Krim werden Fakten geschaffen: Das Regionalparlament der Halbinsel will binnen weniger Tage den Anschluss an Russland durch ein Referendum feststellen lassen. Ein Schnellschuss, der nach hinten losgehen könnte für die Initiatoren - und unabsehbare Konsequenzen hätte.

Von Florian Kellermann | 07.03.2014
    Ein in eine russische Flagge gehüllter prorussischer Aktivist am 6. Maärz 2014 vor dem Parlament der Krim, das von zwei prorussischen Uniformierten, vermutlich Kosaken bewacht wird.
    Das Parlament der Krim. Die Volksvertretung der Halbinsel beschloss am Donnerstag einstimmig den Anschluss an Russland. (dpa/EPA/MAXIM SHIPENKOV)
    Der Ministerpräsident der Krim, Sergej Aksjonow, der von der Regierung in Kiew nicht anerkannt wird, ist um große Worte nicht verlegen.
    "Für uns gilt nur die Meinung der Krimbewohner, nicht die Meinung der ukrainischen Regierung in Kiew. Dort kam ein halbverrückter Präsident nach dem anderen an die Macht. Der eine hat uns von der Europäischen Union erzählt, der andere von einer Zollunion mit Russland. Aber keiner hat Wort gehalten. Deswegen sagen wir jetzt: Wie die Krimbewohner entscheiden, so soll es sein."
    Folgerichtig habe sich das Parlament der Halbinsel zu einer Volksabstimmung entschlossen, so der Ministerpräsident. Das klingt nach Demokratie, hat aber nicht das Geringste mit ihr zu tun. Dafür gibt es viele Belege. Der eindeutigste: Die neuen Machthaber haben das Ergebnis der Abstimmung schon vorweggenommen. So beschloss das Parlament gestern, dass die Krim Teil der Russischen Föderation werden soll. Ministerpräsident Aksjonow kündigte schon vor Tagen an, nach der Abstimmung werde auf der Krim die Moskauer Zeit eingeführt - also die Uhr um zwei Stunden vorgestellt.
    "Wir wollen mehr Vollmachten für die Krim"
    Außerdem ist eine öffentliche Debatte über das Referendum völlig unmöglich. Nicht nur, weil dafür gerade noch eine Woche bleibt und das Land von fremden Soldaten okkupiert ist. Darüber hinaus war der Gegenstand der Abstimmung bis jetzt unklar. Zunächst hieß es, die Krim solle innerhalb der Ukraine mehr Rechte bekommen. Parlamentspräsident Konstantinow sagte:
    "Wir wollen mehr Vollmachten für die Krim - bei der Steuergesetzgebung, bei der Landverteilung und in der Investitionspolitik. Dafür soll künftig das Parlament verantwortlich sein - und ihr, die Krimbewohner."
    Nur wenige Tage später sprach Ministerpräsident Aksjonow davon, dass die Krim eine eigene Armee bekommen, also ein selbstständiger Staat werden soll. Inzwischen sollen die Krimbewohner entscheiden, ob sie eine größere Autonomie bekommen oder ob sie zu Russland gehören wollen.
    "Wie der Anschluss an Russland gehen soll, ist schon technisch völlig unklar. Bis auf die Umstellung auf Moskauer Zeit gibt es dazu keine Aussagen der Krim-Regierung. Soll auf der Halbinsel bald mit dem Russischen Rubel bezahlt werden? Gilt ab sofort das russische Recht, das weder Polizisten noch Richter kennen?"
    "Die Krim-Regierung geht beinahe hysterisch vor"
    Der russische Politologe Kirill Rogow meint, auf diese Fragen hätten die Entscheidungsträger selbst noch keine Antworten.
    "Das sieht alles nach einer fürchterlichen Improvisation aus, alles ändert sich laufend. Offenbar ist irgendetwas am ursprünglichen, fundierteren Plan von Russland und seiner Marionettenregierung auf der Krim schiefgegangen, deshalb jetzt diese Hektik. Die Krim-Regierung geht beinahe hysterisch vor, man sieht ihr an, dass sie selbst nicht weiß, was sie tut."
    Auch auf rechtliche Fragen gibt es keine Aussagen von der Krimregierung. Das einzige Argument, das sie immer wieder vorbringt: Schließlich sei auch der ukrainische Ex-Präsident Janukowitsch widerrechtlich gestürzt worden. Deshalb könne sie sich über bilaterale und internationale Abkommen ebenso hinwegsetzen wie über die Verfassungen der Ukraine und der Krim.
    Die Machthaber in Simferopol zeigen nur allzu deutlich: Ihnen geht es nicht um mehr Autonomie für die Krim, die viele auf der Halbinsel befürworten. Sie wollen politisches Kapital aus dem Chaos schlagen, das sie mithilfe von Russland angerichtet haben.
    Zumindest versuchen sie bisher, den ethnischen Konflikt nicht eskalieren zu lassen. Die Minderheit der Krimtateren, die vehement gegen einen Anschluss an Russland sind, wollte Ministerpräsident Aksjonow zu beruhigen.
    "Wir werden ihnen den Vorschlag unterbreiten, dass sie in praktisch in allen Ministerien der Halbinsel vertreten sein werden. Sie werden alle Prozesse beeinflussen können, und wir werden ihre Programme finanzieren. Sie sind auch Krimbewohner."
    Erfolg hat die Krim-Regierung mit dieser Rhetorik nicht, wie die völlig entsetzte Reaktion von Refat Tschubarow auf das vorgezogene Referendum zeigte, des Vorsitzender der Krim-Vertretung Medschliz.
    Programmtipp: Der Deutschlandfunk berichtet laufend in seinen Informations- und Magazinsendungen über die Ereignisse in der Ukraine und auf der Krim - alle Beiträge und Audios zum Thema finden Sie auch auf deutschlandfunk.de.