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Krim-Parlament
Mehrheit für Russland-Beitritt

Das Parlament der Halbinsel Krim hat die Weichen für eine Abspaltung von der Ukraine gestellt. Fast einstimmig votierten die Abgeordneten für einen Anschluss an Russland. Die Krim-Tartaren rufen zum Boykott des vorgezogenen Referendums auf und bitten die UNO um Friedenstruppen.

Von Sabine Adler | 06.03.2014
    Demonstranten mit russischen Flaggen vor dem Parlamentsgebäude der Autonomen ukrainischen Republik Krim in Simferopol.
    Das Parlament der Krim hat entschieden, die Halbinsel als autonome Republik der Russischen Föderation anzuschließen, dafür hätten 78 von 81 Abgeordneten gestimmt. Das Referendum soll trotzdem abgehalten werden, jetzt noch früher, bereits am 16 März.
    Der Parlamentspräsident der Krim machte bei seiner Begründung einen alles andere als sortierten Eindruck. Wladimir Konstantinow:
    "Wir haben das Referendum anberaumt. Das ist kein Projekt mit langer Strategie, sondern der Versuch, auf die Situation zu reagieren. Und die Russische Föderation soll bis zum Referendum entscheiden, ob sie uns aufnehmen oder nicht. Damit die Leute sich nicht wie Idioten fühlen."
    Die Krimtataren bitten die UNO um Friedenstruppen und rufen zum Boykott auf, die Volksbefragung sei absurd. Refat Tschubarow, der Sprecher der Krimtataren.
    "Wenn sie die Entscheidung bereits getroffen haben, Russland beizutreten, wozu dann das Referendum? Das ist nicht nur ein unlogisches Verfahren, sondern eine Erniedrigung der Krim-Bevölkerung. Ein Referendum mit Streitkräften auf den Straßen, völliger Anarchie, dem Fehlen jeglicher gesetzlicher Grundlage trägt nur zur weiteren Destabilisierung der Lage auf der Krim bei."
    Die pro-russische Regionalregierung verfügte, dass die Krim ab sofort russisches Territorium ist und die ukrainischen Streitkräfte als Okkupanten betrachtet werden und der Rubel als Währung gelte.
    Die ukrainische Regierung akzeptiert die Loslösung der Krim nicht, wie Premier Arseni Jazeniuk am Rande des EU-Gipfels in Brüssel erklärte.
    Waren die Heckenschützen keine Berkut-Spezialkräfte?
    Für zusätzliche Unruhe sorgte heute in Kiew sorgte ein Telefonmitschnitt. In dem Gespräch mit Catherine Ashton berichtet der estnische Außenminister Urmas Paet, dass die Scharfschützen, die zwischen dem 19. und 21. Februar fast 90 Menschen erschossen haben, nicht Berkut-Spezialkräfte gewesen sein sollen, sondern aus den Reihen der Opposition gekommen sein sollen. Der estnische Außenminister beruft sich auf Aussagen der Maidan-Ärztin Olga Bogomolez. Urmas Paet:
    "Was beunruhigend ist, war, dass die gleichen Heckenschützen Menschen auf beiden Seiten getötet haben. Sie – Olga Bogomoletz – zeigte mir einige Fotos. Sie sagte, als Arzt könne sie sagen, dass das die gleiche Handschrift war. Der gleiche Typ Munition. Und was wirklich sehr beunruhigend ist, ist, dass jetzt die neue Koalition nicht untersuchen möchte, was exakt geschehen ist. Es gibt mehr und mehr Hinweise, dass hinter den Heckenschützen nicht Janukowitsch stand. Dass das jemand von der neuen Koalition war."
    Die Ärztin Olga Bogomoletz gilt in Kiew als Heldin des Maidan. Sie hat unzählige Rettungseinsätze geleitet, Lazaretts aufgebaut, geholfen, hunderte Verletzte zu versorgen. Sie operierte und organisierte.
    Zu den Vorwürfen, jemand aus der neuen Regierung stünde hinter den Heckenschützen, die auf die Sicherheitskräfte und auf die Demonstranten geschossen haben, äußerte sie sich bislang nicht.
    Der neue Innenminister Arsen Awakow soll gestern am Rande seines Besuchs in Charkow gesagt haben, weder Janukowitsch noch die Oppositionsführer waren involviert, und äußerte statt dessen die Spekulation, dass die russische Seite beteiligt gewesen sein soll.
    Der ukrainische Generalstaatsanwalt Oleg Machnitzki äußerte sich genauer. Gegen einen Oberst des Innenministeriums der pro-russischen Krimregierung, Sergej Asawaluk, werde ermittelt wegen der Beteiligung am Massenmord. Er sei zur Fahndung ausgeschrieben.