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Krim-Referendum
Putins historische Mission

"Er wird so weit gehen und so viel nehmen, wie die Ukraine ihn lässt", sagt ein Putin-Kenner zu den Plänen des russischen Präsidenten. Putin sei auf einer historischen Mission, die russischen Gebiete und das russische Volk zusammenzuschließen. Der Westen verstehe das Ausmaß des Problems nicht.

Von Sabine Adler | 16.03.2014
    Wladimir Putin im Anzug winkt mit beiden Händen
    Wladimir Putin will Russland ausweiten, glauben Kenner (picture alliance / dpa / Sergei Chirikov)
    Vitali Jarema, Vizepremier der Übergangsregierung in Kiew, hat seinen Landsleuten heute womöglich einen weiteren Schrecken eingejagt. Er deutet die fortwährende militärische Aufrüstung der Krim als mögliche südliche Front, von der Russland aus weiter in die Ukraine vorstößt. Von der Krim im Süden und nicht mehr nur aus dem Osten. Dort konzentrieren sich seit Tagen 80.000 russische Soldaten. Mit denen auf der Krim hat Russland über 100.000 Mann in Bereitschaft. Grund genug, nervös zu werden, alles in die Verteidigungsbereitschaft des Landes zu investieren.
    Der Putin-Kenner Andrej Illarionow zögert keinen Augenblick, als er bei seinem Besuch in Kiew dieses Wochenende gefragt wird, ob der Kremlherrscher tatsächlich auch nach der Ostukraine greifen wird, gar bis Kiew marschiert.
    „Er wird so weit gehen und so viel nehmen, wie die Ukraine ihn lässt.“
    Alle internationale Diplomatie könne den russischen Präsidenten nicht stoppen, denn der sei in historischer Mission unterwegs, sagt Illarionow, der fünf Jahre von 2000 bis 2005 Putins Wirtschaftsberater war. Nicht Putin lebe außerhalb der Realität, sondern Bundeskanzlerin Merkel und viele andere westliche Staats- und Regierungschefs.
    „Frau Merkel versteht leider nichts von Putins Psyche, das was er tut ist nicht zufällig, auch kein Fehler. Er ist dabei, seine historische Mission zu erfüllen. Die besteht im Zusammenschluss der russischen Gebiete und des russischen Volkes. Putin findet, dass die Hälfte der Ukraine eigentlich russisches Gebiet ist, das gilt auch für die Krim. Leider versteht man im Westen das Ausmaß des Problems nicht und in der Ukraine ebenso wenig.“
    Viele Millionen Russen leben heute außerhalb der russischen Föderation. Jede ehemalige Sowjetrepublik hat heute eine russische Minderheit. Russen gibt es in Weißrussland, den baltischen Ländern, dort vor allem in Lettland, aber auch in Kasachstan, Kirgisistan, Usbekistan usw. Überall dort hätten die Regierungen nun Anlass zur Sorge.
    Dass die Ukraine nach Georgien der zweite Staat war, in den Russland einmarschiert, hätte jeder, der am NATO-Gipfel 2008 in Bukarest teilgenommen habe, befürchten müssen. Denn dort hätte Putin nicht nur den Krieg in Georgien vorausgesagt, sondern auch offen erklärt, was er über die Ukraine denkt.
    „Keiner hat ernst genommen, was Putin dort sagte: Die Ukraine gibt es überhaupt nicht, einen solchen Staat gab es auch nie. Das ist ein scheiternder Staat, der zur Hälfte ohnehin aus ur-russischem Territorium besteht.“
    Illarionow, der dem Kremlchef 2005 den Rücken kehrte, weil er dessen Kurs nicht mehr mittrug, gilt heute als einer der besten Kenner aber auch härtesten Kritiker Putins. Den könne nur Widerstand aufhalten. Der sei bei US-Präsident Barak Obama aber nicht zu erkennen.
    „Wenn es keinen Widerstand gibt, und damit ist nicht nur militärischer gemeint, wenn er nicht aufgehalten wird, geht er, soweit er kann. Aus den Gesprächen, die Präsident Putin mit Präsident Obama wegen der Krim geführt hat, hat er geschlossen, dass Obama nicht nur keine Gewalt anwendet, sondern noch nicht einmal Gewalt androht. Das hat Putin als grünes Licht verstanden.“
    Dabei habe Georgien gezeigt, dass Putin zu stoppen ist. Präsident Saakaschwili habe seine Truppen kämpfen lassen und sei für verrückt erklärt worden. Doch das habe dem Aggressor gezeigt, dass er einen Preis zu zahlen hat. Obamas Vorgänger Georg Bush habe angedroht, die Luftstreitkräfte in die Türkei und Rumänien sowie Marineeinheiten ins Schwarze Meer zu verlegen. Das habe gewirkt.