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Krippensammlung des Bayerischen Nationalmuseums
Alle Jahre wieder

Die Heilige Familie, die Geburt im Stall, in Gegenwart von Ochs und Esel sowie von allerlei Engeln: Das Bayerische Nationalmuseum in München besitzt die künstlerisch wertvollste und in dieser Qualität umfangreichste Krippensammlung der Welt.

Von Julian Ignatowitsch | 26.12.2015
    Weihnachtskrippe von Sebastian Osterrieder - Neuerwerbung des Bayerischen Nationalmuseums in München
    Weihnachtskrippe von Sebastian Osterrieder - Neuerwerbung des Bayerischen Nationalmuseums in München (Imago)
    "Die Darstellung der Krippe gibt es schon in frühchristlicher Zeit - und im Mittelalter kommen dann die Darstellungen der verschieden weihnachtlichen Ereignisse wie Geburt Christi, Anbetung der Hirten, Anbetung der Könige und Verkündigung dazu."
    11 Uhr, öffentliche Führung im Bayerischen Nationalmuseum in München: Sybe Wartena führt durch die Krippensammlung, eine der größten und bedeutendsten auf der ganzen Welt, rund 100 Krippen sind hier in fast 200 Schaukästen ausgestellt:
    Ursprung des Krippenbrauchtums
    "Sie sehen dann hier hinten in der Vitrine die goldenen Figuren, das sind lose Figuren, die zu einer Inszenierung der weihnachtlichen Ereignisse mit Szenenwechsel gehören. Diese stammen aus Altötting aus einem Jesuitenkonvent und sind auf 1620 datiert. In dieser Zeit hat sich das Krippenbrauchtum an den Kirchen im alpenländischen Raum angefangen, allgemein durchzusetzen."
    Die erste Krippe in Deutschland stand in München, 1607 aufgestellt. Als Begründer dieses Brauchtums gilt Franz von Assisi, der bei einer Predigt mit lebenden Tieren und Menschen die Weihnachtsgeschichte nachstellte, fast 400 Jahre vorher.
    Die umfangreiche Sammlung in München – alle Jahre wieder zwischen November und Januar ausgestellt - geht in erster Linie auf den Kommerzienrat Max Schmederer zurück. Er sammelte Ende des 19. Jahrhunderts leidenschaftlich unterschiedlichste Krippenszenen.
    "Er berichtet selbst, dass er wegen langer Krankheit im Winter das Haus hüten musste. Und da er die Natur so vermisst hat, hat er sich die Natur mit einer Landschaftskrippe ins Haus geholt."
    Krippen aus Bayern, Tirol, Neapel, Sizilien
    Zu Lebzeiten stellte er sie in seinem Privathaus in der Brienner Straße auf einem ganzen Stockwerk aus und vermachte die Sammlung später dem Bayerischen Nationalmuseum. Jetzt sind sie hier zu sehen: Krippen aus Bayern, Tirol, Neapel, Sizilien; in großflächigen Landschaften oder kleinen Kästen; aus Wachs, Terrakotta, Papier oder Holz.
    Der Rundgang beginnt bei den alpenländischen Kirchen- und Klosterkrippen aus der Barockzeit. Die hölzernen, fein geschnitzten Gliederpuppen tragen meist die Tracht ihrer Herkunftsgegend und zeigen das klassische Motiv: Maria, Josef und das Christus Kind.
    Bei Adeligen en vogue
    Den größten und beeindruckendsten Teil machen die neapolitanischen Krippen aus, bis zu fünf mal zehn Meter groß. Bei ihnen rückt der religiöse Aspekt oft in den Hintergrund. Statt in Kirchen standen sie in den Palästen der Adeligen – und zeigen prächtige Szenen. Detaillierte Straßen- und Marktansichten mit Händlern, Gauklern und dem einfachen Volk. Große Tempelanlagen oder eine Grotte vor dem Vesuv. Die Geburt Christi ist dabei nur ein Randaspekt.
    Krippen waren zu dieser Zeit schwer in Mode und weit verbreitet unter den Vermögenden. Die aus Terrakotta gefertigten Köpfe erinnern zu weil an jene Masken der italienischen Commedia dell'arte. Um die Krippen entstand ein ganzer Geschäftszweig. Webereien und Schneider fertigten Gewänder, Porzellanmanufakturen die Figuren, andere Handwerker das Zubehör aus Wachs oder Ton. Selbst Goethe schreibt in seiner Italienreise von diesen aufwändigen Installationen und ist beeindruckt:
    "Er schreibt vom Besuch in einem Adelspalast, wo auf dem Flachdach unter einem Schutzdach aus Palmwedeln und Stroh die Krippe aufgestellt ist – und er ist ganz begeistert von der Verschmelzung der gebauten Krippenlandschaft mit der echten Landschaft. Er schreibt, man könne gar nicht unterscheiden, ob sich ein Berg in zehn Metern oder zehn Meilen Entfernung befindet."
    "Genau die Situation der Bürgerkriegsflüchtlinge"
    Wieder wesentlich ernster und näher an den christlichen Ikonen sind dann die sizilianischen Krippen, die auffallend häufig die Flucht nach Ägypten, die Herbergssuche und den brutalen Kindermord zu Bethlehem zeigen, was unweigerlich an aktuelle Themen denken lässt:.
    "Da hat man wirklich genau die Situation der Bürgerkriegsflüchtlinge aus Syrien heute, die sich vor solchen Gemetzel in Sicherheit begeben, wie es die heilige Familie tat auf der Flucht nach Ägypten."

    Natürlich, im Kern geht es bei jeder Krippendarstellung genau darum: das Geschenk und den Schutz von Leben, der Appell an die Nächstenliebe. Damals wie heute.