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Krise beim Europarat
Umstrittene Reisen und geheime Gelder

Für die Parlamentarische Versammlung des Europarats geht es um ihre Glaubwürdigkeit. Denn das Gremium sieht sich mit einem Korruptionsskandal konfrontiert und hadert mit seinem Präsidenten Pedro Agramunt. Der lässt sein Amt inzwischen ruhen, was vielen aber nicht mehr ausreicht.

Von Tonia Koch | 27.06.2017
    Pedro Agramunt
    Pedro Agramunt, der Präsident der Parlamentarischen Versammlung des Europarats, steht unter Druck. (Iliya Pitalev/Sputnik)
    In Sitzungssaal 5 des Europarates reden sich die Vertreter der EVP, der europäischen Volkspartei, die Köpfe heiß, denn der Spanier Pedro Agramunt ist einer von ihnen. Dann öffnen sich die Türen und die Abgeordneten stimmen darüber ab, ob sie Aragmunt das Vertrauen entziehen. Das Ergebnis ist eindeutig, sagt Axel Fischer, CDU-Bundestagabgeordneter aus Karlsruhe und Vorsitzender der EVP-Fraktion.
    "Wir hatten 38 Stimmen, die der Meinung sind, dass wir den Präsidenten nicht weiter mittragen sollen und 26 Stimmen, die zum Präsidenten weiter stehen. Das heißt, wir als Fraktion fordern ihn auf zurückzutreten."
    Alle übrigen politischen Kräfte waren bereits Ende April der Überzeugung, dass der Präsident sie nicht länger vertreten könne. Das Präsidium der Versammlung hatte ihm daraufhin einen Teil seiner Befugnisse entzogen. Seitdem darf Pedro Agramunt nicht mehr im Namen der Versammlung sprechen und bleibt den Sitzungen fern. Nur seines Amtes enthoben ist er dadurch noch lange nicht. Nun hat auch die EVP-Fraktion den Stab über Agramunt gebrochen und den Druck erhöht. Seine Reise zum syrischen Machthaber Baschar al-Assad sei indiskutabel, formuliert es der litauische Abgeordnete Emmanuelis Zingardis.
    Versammlung berät über ein Abwahlverfahren
    "Dieser Besuch war die schlimmste Sache, die gegen diese Versammlung passieren konnte. Mit Assad zusammenzusitzen und etwas zu erörtern im Namen der parlamentarischen Versammlung, dieser Fehler war zu groß."
    Ausbügeln kann diesen Fehler nur der Präsident selbst und zwar mit einem Rücktritt, denn über Regeln, ihn des Amtes zu entheben, verfügt der Europarat im Augenblick noch nicht. Und deshalb setzten inzwischen alle fünf Fraktionen des Europarates von rechts bis links auf den letzten Funken Ehrgefühl bei Pedro Agramunt, sagt der Vorsitzende der vereinigten Linken, der Niederländer Tiny Kox.
    "In einfachen Worten, wir können keine lahme Ente gebrauchen, sondern wir benötigen einen handlungsfähigen, verantwortungsvollen Präsidenten."
    Heute berät die Versammlung über neue Regeln, wie ein Abwahlverfahren eingeleitet werden kann, wenn eine Führungspersönlichkeit - wie im Falle des aktuellen Präsidenten - das Vertrauen der Versammlung unwiederbringlich verloren hat. Und es wird auch darüber diskutiert werden müssen, welcher Personenkreis in ein solches Verfahren miteinbezogen werden kann, nur der Präsident und der Generalsekretär oder ein größerer Kreis von Betroffenen.
    Eine Glaubwürdigkeitskrise droht
    Der eigentliche Knackpunkt aber wird sein, sollen die Regeln so beschaffen sein, dass sie sozusagen rückwirkend auf Pedro Agramunt angewendet werden können. Davor warnt der Vorsitzende der EVP-Fraktion, Axel Fischer ausdrücklich:
    "Bauchweh hätte ich damit, wenn man Dinge rückwirkend durchführen könnte, weil wir genau dann mit Doppelstandards arbeiten, andere Länder kritisieren, dass sie Gesetzentwürfen machen, die rückwirkend gelten sollen und selber ist es dann für uns eine Selbstverständlichkeit, das ist nicht möglich."
    Je länger aber die Hängepartie dauert, desto größer wird die Glaubwürdigkeitskrise, in die die Parlamentarische Versammlung gestürzt werde, glaubt der den Liberalen zugehörige Schweizer Abgeordnete, Roland Büchel.
    "Es gibt starke Stimmen in der Schweiz, wir sollten aussteigen. Zum Teil natürlich von Parteien wie der schweizerischen Volkspartei, die sich das auf die Fahnen geschrieben hat, aber auch andere sagen, wir können das Geld der Steuerzahler nicht so ausgeben, wenn es Korruptionsvorwürfe und konkret Korruption gibt."
    Korruptionsfall noch nicht geklärt
    Büchel spielt auf den Fall eines ehemaligen italienischen Abgeordneten an, der sich wegen Geldwäsche vor Gericht verantworten muss. Offensichtlich stammten die Zahlungen in Höhe von 2,4 Millionen Euro aus den Kassen Aserbaidschans, das damit verhindern wollte, dass das autokratisch geführte Land allzu negativ beurteilt wird in Straßburg. Eine detaillierte Aufarbeitung der Korruptionsfälle steht noch aus. Trotz alledem dürfe man das Kind nicht mit dem Bade ausschütten, auch wenn Aufarbeitung nötig sei und der amtierende Präsident nicht vorzeigbar sei im Moment, die parlamentarische Versammlung funktioniere, sagt Tiny Kox.
    "Wir haben einen Präsidenten, der nicht funktioniert, aber die Versammlung funktioniert doch, wir erstellen Berichte und hatten am Wochenende Wahlbeobachter nach Albanien entsandt. Mit der Versammlung als solcher läuft nichts in die falsche Richtung."