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Krise in Ostafrika
Menschengemachte Hungersnot

Klimawandel, Bürgerkrieg und Terrormilizen: Die Hungersnot in Ostafrika ist von Menschen verursacht. Betroffen sind vor allem Somalia und seine Nachbarländer. Weil durch die Dürre die Nutztiere sterben, verlieren die Nomadenfamilien ihre Existenzgrundlage. Im Bürgerkriegsland Südsudan sind 100.000 Menschen akut vom Hungertod bedroht.

Von Marc Engelhardt und Bettina Rühl | 07.04.2017
    Blick über ein Zeltlager nomadischer Viehhirten in Uusgure, Somalia am 22.02.2017. Aufgrund der anhaltenden Dürre haben sich nomadische Viehhirten am Rande des Dorfes niedergelassen. Viele von ihnen haben ihre Bestände von Ziegen und Kamelen - und damit ihre Lebensgrundlage - verloren.
    Blick über ein Zeltlager nomadischer Viehhirten in Uusgure, Somalia. (picture alliance / dpa / Anna Mayumi Kerber)
    Der Wind ist heiß und weht heftig über die karge Ebene im Nordosten Somalias, die vereinzelten, niedrigen Büsche können ihn nicht brechen. Der Boden ist ausgetrocknet und rissig, hier und da liegen die Skelette von Ziegen, auch der aufgedunsene Kadaver eines Kamels. Es hat seit vielen Monaten nicht geregnet, die letzten beiden Regenzeiten blieben aus. "Die traurige Folge dieser Dürre, dieser schweren, lang anhaltenden Trockenheit, ist das massive Sterben der Tiere. Die Verluste in den Herden sind immens."
    Richard Trenchard leitet die Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen in Somalia, der FAO. Seit Monaten warnt er vor der nächsten schweren Dürre in Ostafrika – nun ist sie da. Betroffen sind vor allem Somalia und seine Nachbarländer. Noch dramatischer ist die Lage im Bürgerkriegsland Südsudan. Dort haben die Vereinten Nationen in einigen Bezirken bereits den Hunger-Notstand ausgerufen, eine Art Alarmstufe Rot. Mindestens 100.000 Menschen sind akut vom Hungertod bedroht, etwa 250.000 Kinder stark unterernährt.
    Erst sterben die Tiere, dann die Menschen
    In Somalia droht eine vergleichbare Katastrophe. Präsident Mohammed Farmajo hat Ende März den nationalen Notstand ausgerufen. Mehr als sechs Millionen Menschen sind dringend auf Lebensmittelhilfe angewiesen, über die Hälfte der Bevölkerung. "50, 60, 70 Prozent der Herden sterben. Nomadenfamilien können so einen Schlag kaum wegstecken. Mit den Tieren verlieren sie ihre Kapitalreserve, ihre Nahrungsquelle und die Milch, die für ihre Ernährung zentral ist."
    Deshalb sterben nach den Tieren oft die Menschen. In der Siedlung Qardho im Nordosten Somalias haben einige Nomaden Zuflucht gesucht – ehemalige Nomaden, muss man richtigerweise sagen. Dahiya Ahmed ist vor der Trockenheit und dem Hunger mit ihren acht Kindern und ihrem Ehemann hierher geflohen.
    "Ich war Hirtin und bin vor drei Monaten hierhergekommen. Fast alle meine Tiere sind schon gestorben. Die paar, die überlebt haben, sind so ausgezehrt und schwach, dass sie keine Milch mehr geben. Fleisch ist auch nicht mehr dran. Sie leben noch gerade so, aber sie haben für uns keinen Nutzen mehr. Der Weg hierher war zu anstrengend. Es gab kein Auto, das uns hätte mitnehmen können, und wir hatten kaum Wasser. Wir haben unseren ganzen Besitz zurückgelassen. Jetzt sind wir hier und haben noch nicht mal einen vernünftigen Schutz vor der Sonne und dem Wind."
    Tiere als Existenzgrundlage
    Dahiya Mohamed und ihr Mann stehen vor dem wirtschaftlichen Ruin. Denn für Nomaden sind ihre Tiere eine Art Bankkonto: So viele wie jeweils nötig werden verkauft, wenn die Familie Getreide braucht, Schulgeld für die Kinder bezahlen muss, oder wenn größere Anschaffungen anstehen. Wenn die Herde verendet, ist das für einen Nomaden dasselbe, als würde ein Europäer seinen Job, sein Eigenheim und sein Konto verlieren.
    Nigerianische Muslime kaufen auf dem Viehmarkt von Kara Schafe für das islamische Opferfest ein.
    Schafe und Ziegen sichern die Existenz (AFP / Pius Utomi Ekpei)
    In einem Ernährungszentrum in der somalischen Hauptstadt Mogadischu drängen sich ein paar Hundert Menschen, die dringend Nahrung brauchen, vor allem Mütter mit Kindern. Rama Jimale Mahmoud will die Geschichte ihrer Familie erzählen, kommt aber kaum gegen das Weinen ihrer kleinen Tochter an. Die zweijährige Faduma Abdullahi Mahmoud ist stark unterernährt, hat schon Hungerödeme. Sie weint verzweifelt, klingt in ihrer Not fast aggressiv. "Wo wir herkommen, war alles ausgetrocknet, unsere Tiere sind gestorben, 200 Schafe und Ziegen. Nur die Packkamele haben überlebt.
    Seit alle unsere Tiere tot sind fühlen wir uns, als wären wir in einem großen Ozean verloren. Wir haben früher in einer großen Familie zusammen gelebt und gemeinsam unsere Herden gehütet. Jetzt sind alle in alle Himmelsrichtungen geflohen. Manche haben sogar ihre Kinder zurückgelassen. Haben sie einfach dagelassen. Und sind alleine nach Mogadischu gekommen."
    Grausame Geschichte wiederholt sich
    Was Rama Jimale Mahmoud erzählt, hätte sie heute sagen können. Tatsächlich ist die Begegnung mit ihr sechs Jahre her – schon damals erklärten die UN in Somalia den Hungernotstand, mehr als 260.000 Menschen starben. Heute wiederholt sich die Geschichte. Es droht die größte humanitäre Katastrophe seit dem zweiten Weltkrieg, wie UN-Nothilfekoordinator Stephen O'Brien vor einem Monat im UN-Sicherheitsrat warnte.
    "Wir können den Hungernotstand in Somalia noch abwehren. Somalia hat eine engagierte Regierung, wir haben einen gemeinsamen Plan, wir haben Zugangsgarantien und wir sind bereit, trotz der Risiken und Gefahren. Aber die großen Geberländer und Agenturen müssen jetzt in Somalia investieren. Wir können Leben retten, aber wir brauchen sehr viel Geld, und wir brauchen es jetzt."
    Doch das so dringend benötigte Geld fließt nur zögerlich. Von den mehr als 800 Millionen Euro, die Hilfsorganisationen und die UN als Bedarf kalkuliert haben, sind bislang erst zwei Fünftel zugesagt. Im Südsudan liegt die Quote bei nur einem Fünftel. Jeder fehlende Euro aber hat Konsequenzen, wie Bettina Lüscher vom Welternährungsprogramm der Vereinten Nationen weiß.
    "Was es eben ganz praktisch bedeutet: Dann hat man nicht das Geld, um die Helikopter zu chartern und zu fliegen oder die Flugzeuge mit Nahrungsmitteln zu beladen. Wir müssen Nahrungsmittel kaufen, wir müssen die Helfer dorthin schicken, all das, was die tägliche Arbeit ausmacht, muss finanziert werden. Wir sind sehr, sehr dankbar für die Unterstützung. Deutschland ist ein wunderbarer Geldgeber und die besten Freunde, die man sich nur denken kann. Wir appellieren weltweit, dass die Welt mehr macht, es ist ja genug Geld da."
    Jeder Euro muss mühsam zusammengebettelt werden
    Doch fließen tut es nur aus wenigen Ländern: Mehr als ein Viertel der in diesem Jahr an die UN überwiesenen Hilfen stammt von der EU-Kommission. Gemeinsam mit den USA, Großbritannien, Deutschland und Kanada bestreitet Europa mehr als 60 Prozent aller humanitären Hilfe weltweit. China oder die Golfstaaten rangieren bislang unter ferner liefen. Dass sich das schnell ändern wird, ist unwahrscheinlich. Auch deshalb ist die Angst vor den angekündigten Einsparungen der Trump-Administration groß. Dass die Helfer klamm sind, ist indes nichts Neues.
    Palette mit Hilfsgütern für die vom Ebolavirus betroffenen Gebiete im westafrikanischen Liberia
    Hilfsgüter werden dringend benötigt (dpa / picture alliance / Andreas Gebert)
    Die ständige Geldnot ist Teil eines Fehlers im System. Einerseits brauchen Notfallhelfer fast immer sofort Geld. Für die Planung komplizierter logistischer Prozesse müssen sie zudem wissen, wie viel Geld wann zu erwarten ist. Tatsächlich aber müssen das Welternährungsprogramm und seine Partner jedes Jahr von Null anfangen und jeden Euro mühsam zusammenbetteln. Das kostet Zeit, Geld und Menschenleben.
    "Was wichtig ist, und wo wir immer appellieren: Wir müssen einfach mehr Planungssicherheit haben, das ist ein scheußliches Wort, aber dass wir eben wissen, wir kriegen jedes Jahr so und so viel von den einzelnen Ländern, damit wir besser planen können, schon vorher die Lebensmittel kaufen, wenn die notwendig sind, schon vorher die großen Cash-Programme planen können, einfach um flexibler zu sein."
    Forscher rechnen mit noch mehr Dürren
    In den vergangenen Jahren haben die Helfer vieles verändert. Gerade in Somalia wollen sie so ein Massensterben wie 2011 verhindern. Entscheidend dafür sind neue Verteilungswege. Denn trotz Hungersnot gibt es gerade in den Städten Nahrung, die sich wegen der großen Nachfrage und entsprechend hoher Preise aber kaum noch jemand leisten kann. Dort verteilt das WFP inzwischen Gutscheinkarten, die von mehr als 700 Händlern akzeptiert werden. Ansonsten spielt gerade mobile Technik eine immer wichtigere Rolle, weiß Bettina Lüscher.
    "Wir haben auch sehr viel moderne Technologie wie Mobiltelefone, um im Kontakt zu sein mit den Menschen, die unsere Hilfe bekommen, um zu kontrollieren, was braucht ihr, ist das angekommen? Wir benutzen modernste Technologie, um zu sehen, wo die Not ist, wie wir helfen können, ob es funktioniert. Von daher passiert da eine Menge und hat sich viel getan in den letzten Jahren."
    Dass diese Technik bald nicht mehr gebraucht wird, ist unwahrscheinlich. Forscher wie Joachim von Braun rechnen mit mehr statt weniger Dürren. Der Agrarwissenschaftler arbeitet am Zentrum für Entwicklungsforschung an der Universität Bonn und beschäftigt sich seit Jahrzehnten mit den Gründen des Hungers in Afrika.
    "Die klimatischen Verhältnisse haben sich in mehrerlei Hinsicht in Ostafrika gewandelt. Zum einen haben wir öfter Dürre-Situationen, und zwar nicht nur Dürre einmal in einem Jahr anhaltend, sondern über Jahre hinweg. Das ist die fatale Situation in Teilen Äthiopiens und Somalias. Zum anderen haben sich die Regenfallperiodizitäten verändert, also der Regen kommt zum Teil früher, ist unterbrochen und kommt dann nicht wieder. Die dritte Konstellation ist, dass wir nicht nur Dürre haben, sondern ab und an auch dramatische Sturzregen mit Überflutungskonsequenzen."
    Zuviel Regen ist auch nicht gut
    Die meist ohnehin dünne fruchtbare Bodenkrume wird fortgespült, vor allem an Hängen. Die Folgen von zu viel Wasser sind also kaum weniger dramatisch als die Konsequenzen einer Dürre. Trotz der Zunahme extremen Wetters wären Hungerkatastrophen nicht nötig, sagt von Braun. Nothilfe und vor allem die langfristige Entwicklung der Landwirtschaft könnten verhindern, dass aus der Dürre eine Hungersnot wird.
    "Diese Maßnahmen sind tatsächlich sehr viel besser geworden, also die Nothilfemaßnahmen, die langfristig wirken und nicht nur Speisungsprogramme, sind viel besser geworden, als sie noch vor zehn, 15 Jahren waren. Aber sie sind nicht genug. Und insbesondere haben wir große Schwierigkeiten, diese Maßnahmen greifen zu sehen, wenn Krieg und Verfolgung herrscht, wie an den Standorten im Südsudan, insbesondere."
    Hilfsbedürftige können nur schwer erreicht werden
    In dem hohen Gras einersumpfiger Wiese leuchten die blauen Helme einiger UN-Soldaten. Sie stehen ein paar hundert Meter entfernt von der völlig zerschossenen und ausgebrannten Stadt Bentiu im Südsudan und sollen Menschen und Tiere von der sumpfigen Wiese fernhalten, um Verletzungen zu verhindern. Denn ein Frachtflugzeug des Welternährungsprogramms der Vereinten Nationen wird in wenigen Sekunden 50-Kilo-Säcke mit Getreide abwerfen. Die Abwürfe sind nötig geworden, weil die Zahl der Kriegsvertriebenen zunimmt und die Straßen nicht passierbar sind – vor allem nicht während der Regenzeit.
    Südkoreanische UNO-Soldaten verteilen Wasser an ein Flüchtlingslager im Südsudan, das aus vielen Zelten und Hunderten Menschen besteht.
    UNO-Blauhelme versorgen Flüchtlinge im Südsudan mit Wasser. (dpa picture alliance / Yna)
    Shaun Hughes hat das WFP im Südsudan bis Herbst 2016 geleitet, jetzt ist er für diese Organisation in Kenia für Analyse und Weiterentwicklung zuständig. "Es ist sehr schwierig, die Hilfsbedürftigen überhaupt zu erreichen. 60 Prozent des Landes sind über viele Monate im Jahr auf dem Landweg gar nicht zugänglich, die Straßen unpassierbar. Neben dem Regen ist die unsichere Gesamtlage für uns ein großes Problem. Seit dem Beginn des Krieges im Dezember 2013 ist es in vielen Regionen auch für unsere Mitarbeiter gefährlich, sie können deshalb diejenigen nicht erreichen, die vor den Kämpfen fliehen. Immer wieder kommt es vor, dass wir den Menschen aus Sicherheitsgründen in manchen Gegenden auch für längere Zeit nicht helfen können."
    Fruchtbare Gegenden liegen brach
    Für zwei Gebiete im Bundesstaat Unity haben die Vereinten Nationen bereits offiziell eine Hungersnot erklärt. Dabei ist die Gegend grün und fruchtbar, die Bauern könnten genug Nahrung für alle produzieren. Aber immer mehr Felder liegen brach, nicht nur in Unity State. Wolf-Christian Paes arbeitet für das Bonner Internationale Konversionszentrum BICC, ein gemeinnütziges Forschungszentrum, das Frieden und Entwicklung fördern will. Paes begleitet die Situation im Südsudan seit vielen Jahren.
    "Seit einigen Monaten gibt es starke militärische Operationen in Central Equatoria, in der Region um Yei herum, hunderttausende von Menschen sind auf der Flucht, auch Landwirte sozusagen, die vorher kleinbäuerlich gewirtschaftet haben. Und es ist genau diese Region, die früher die Hauptstadt und die Bevölkerungszentren mit Nahrungsmitteln versorgt haben, und heute wird halt nichts mehr angebaut und dadurch kann auch nichts geerntet werden. Also ein natürliches Phänomen wird deutlich verschlimmert dadurch, dass es einen Zusammenbruch von Staatlichkeit gibt, dass es keinen Zugang zu den Märkten gibt, dass es Banditen auf der Straße gibt, aber halt auch durch die – sagen wir mal – Militäraktionen der Regierung, die im Wege der Aufstandsbekämpfung Menschen vertreibt, die in der Vergangenheit das Land ernährt haben."
    Denn trocken ist der Südsudan nur im Norden, der Süden ist ausgesprochen fruchtbar – nun aber wird auch hier nichts mehr geerntet. Der Mangel nimmt also überall dramatisch zu. Währenddessen profitieren die Milizen von der Trockenheit und der Hilfe, die deshalb ins Land kommt.
    Regierung will an Hungernden verdienen
    "Es ist ja ein offenes Geheimnis, am Horn von Afrika genauso wie in Syrien oder anderswo, dass der Zugang zu Hilfsgütern eine Ressource im Konflikt ist, im Südsudan auch in Somalia war es in der Vergangenheit so, dass sie, um in gewissen Regionen helfen zu können, selbstverständlich einen Anteil der Hilfsgüter an die dort herrschende Miliz oder Regierungstruppe abgeben mussten. Das war in der letzten großen Hungerskatastrophe der 80er Jahre der Fall, dass der Zugang zu humanitärer Hilfe als Machtfaktor genutzt wurde, um die eigenen Leute zu unterstützen und andere Gruppen möglicherweise auch gezielt verhungern zu lassen. Das ist auch heute noch so. Das sehen Sie in Syrien und das werden wir auch, so befürchte ich, auch im Südsudan wieder erleben."
    Die südsudanesische Regierung verhält sich kaum anders als jede andere bewaffnete Gruppe – mit dem einzigen Unterschied, dass sie als legitime Macht noch mehr Druckmittel in der Hand hat. Vor einem Monat erklärte sie plötzlich, von jedem ausländischen Helfer eine Gebühr von 10.000 Dollar erheben zu wollen. Nach Protesten wurde der Plan vorübergehend gestoppt. Doch dass die südsudanesische Regierung an den Hungernden verdienen will, steht außer Frage. Die Helfer setzen unterdessen ihr Leben aufs Spiel. Allein im Südsudan sind seit Beginn des jüngsten Bürgerkriegs 2013 79 Helfer getötet worden. UN-Nothilfekoordinator Stephen O'Brien macht dafür Rebellen und die Regierung gleichermaßen verantwortlich.
    "Offene Gewalt, Zugangsverbote und bürokratische Auflagen machen es uns schwer oder unmöglich, die notleidende Bevölkerung zu erreichen. Mitarbeiter von Hilfsorganisationen sind getötet worden, Lager mit Hilfsgütern überfallen, geplündert und von bewaffneten Gruppen besetzt worden. Gerade erst mussten Helfer eine der Regionen aufgeben, in denen der Hungernotstand gilt, weil dort weiter Krieg geführt wird. Zusicherungen von hochrangigen Regierungsvertretern, uns ungehinderten und unbürokratischen Zugang zu gewährleisten, müssten endlich umgesetzt werden."
    Militär und Terroristen behindern und attackieren Helfer
    In Somalia, wo die Regierungsarmee gegen die Terrorgruppe Al-Shabaab kämpft, ist die Lage ähnlich. 165 Mal sind Helfer dort im vergangenen Jahr angegriffen oder überfallen worden. Straßen in 29 der 42 Distrikte, auf denen Hilfe zu den Menschen gebracht werden könnte, werden von Milizen, Terroristen oder Militärs blockiert. Bettina Lüscher vom Welternährungsprogramm ist sich sicher:
    "Wenn wir es schaffen würden, überall zu diesen Gebieten zu gehen, ohne dort bedroht zu werden, attackiert zu werden, vergewaltigt zu werden, angeschossen zu werden, oder schlicht und einfach dran gehindert zu werden, könnten wir diese Hungersnöte vermeiden. Es ist nicht immer nur das Geld, es ist vor allen Dingen auch der Zugang, um sicher dort zu operieren."
    Somalische Soldaten bereiten sich am 07.02.2017 in Mogadischu auf die Sicherung der Hauptstadt vor. Unter stark verschärften Sicherheitsvorkehrungen wählt das somalische Parlament einen neuen Präsidenten.
    Somalische Straßen werden blockiert - Helfer kommen nicht durch (dpa/picture-alliance/Farah Abdi Warsameh)
    Daran, dass die Hungerkrisen in Somalia und im Südsudan zu einem guten Teil menschengemacht sind, zweifelt auch Achim Wennmann nicht. Er forscht seit 20 Jahren am Genfer Hochschulinstitut für internationale- und Entwicklungsstudien zu internationalen Konfliktfragen. Er glaubt: Man hätte die Eskalation der Lage in Somalia und im Südsudan verhindern können, hätte man früher – präventiv – eingegriffen.
    "Das ist das, was ich als Forschender immer als das große Trauerspiel empfinde. Ich kann Ihnen mindestens zehn Orte sagen, wo wir im Moment die rote Flagge heben. Aber viele Institutionen sind leider überfordert mit den existierenden Problemen, die es gibt. Weil viele Geberländer haben dort ein Problem, dass Präventivinvestments sehr schwierig zu verkaufen sind in Parlamenten und auch sehr schwierig sind zu legitimieren. Auch wenn wir wissen, dass in den nächsten zwölf oder 18 Monaten eine Krise stattfinden wird."
    Noch nie gab es weltweit so viele Krisen
    Die Weltgemeinschaft scheint überfordert. Noch nie gab es so viele Krisen in der Welt, die teils seit Jahren und Jahrzehnten anhalten. Jede einzelne ist zudem zu komplex, als dass einzelne Akteure sie noch lösen könnten, warnt Wennmann.
    "Diese Konflikte, seien es Dürrekatastrophen oder auch bewaffnete Konflikte, sind zu groß dafür, dass es wirklich nur einen Akteur geben könnte, der diese auch regeln könnte. Diese Illusion, die man oft hat, dass es doch hoffentlich diesen einen Akteur gibt, der einen Konflikt für immer und überall auch regeln kann, das ist eine Utopie, die es wirklich nicht mehr gibt. Einige Geberländer haben noch diesen Anspruch, aber de facto sind Konfliktherde heutzutage so komplex und durch so viele Akteure geprägt, dass man ganz klar sehen muss, wo ein Akteur wie Deutschland in einem globalen Partnership einen Mehrwert hat."
    Prävention und partnerschaftliches Vorgehen in der Weltgemeinschaft mögen langfristig die konflikt-induzierten Hungersnöte lösen, wie wir sie heute in Ostafrika sehen. Kurzfristig werden die Helfer weiter auf hohem Niveau improvisieren müssen, um Leben zu retten. In Somalia sind es mehr als sechs, im Südsudan mehr als siebeneinhalb Millionen Menschen, deren Leben auf dem Spiel steht.