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Krisenmanager mit ernüchternder Bilanz

17 Monate war Christian Schwarz-Schilling Hoher Repräsentant für Bosnien-Herzegowina. Sein Ziel, das Land in die politische Eigenständigkeit zu führen, konnte der ehemalige Bundespostminister nicht realisieren. Im Gegenteil: Heute ist das Land zerrissener denn je.

Von Andrea Mühlberger | 28.06.2007
    Belagerung, Hunger, Granaten, Scharfschützen, Flüchtlinge – all das soll zwölf Jahre nach Kriegsende Geschichte sein in Sarajewo. Heute bezaubert die Hauptstadt Bosniens wieder durch ihre multikulturelle Atmosphäre.

    Oberflächlich betrachtet verströmt Sarajewo den lebensfrohen, orientalischen Geist früherer Epochen: Religiöse Toleranz. Florierender Handel. Ein friedliches Zusammenleben der drei größten Bevölkerungsgruppen des Landes: Bosniaken, Serben, Kroaten. Und Weltoffenheit, schwärmt Mustafa Ceric, geistiges Oberhaupt aller bosnischen Muslime. Die Arbeit des Großmuftis, der Besucher in der Kaisermoschee in Sarajewo empfängt, steht täglich ganz im Zeichen des Dialogs der Religionen:

    "Wenn Sie durch Sarajewo spazieren, können Sie sich genauso zuhause fühlen wie ich mich. Sie finden hier die Symbole aller Glaubensgemeinschaften: Moscheen, Synagogen, orthodoxe und christliche Kirchen. Das macht die Schönheit Sarajewos aus. Wir betrachten uns deshalb als 'zweites Jerusalem' in der Welt und als 'erstes in Europa'. Und ich hoffe sehr, dass es nicht so wird wie in Jerusalem selbst. Wir wollen in Sarajewo den 'Heiligen Frieden', nicht den 'Heiligen Krieg'. Daran arbeiten wir …"

    Und es gibt soviel zu tun wie schon lange nicht mehr, damit der Friede im Land gewahrt bleibt: Die letzten Parlamentswahlen in Bosnien, vergangenen Herbst, haben wieder einmal die nationalistischen Parteien klar gewonnen. Die scharfe Rhetorik der politischen Führungsfiguren, ihre Streitigkeiten und unterschiedlichen Vorstellungen von der Zukunft des Landes, lähmen Bosnien und verhindern wichtige Reformen.

    Die Internationale Gemeinschaft, die das zweigeteilte Land seit dem Friedensvertrag von Dayton 1995 verwaltet, beobachtet diese Polarisierung mit Sorge.

    "Es ist eine verbale Entwicklung im Gange. Diese gegenseitige Verunglimpfungen, die bis an die Grenze gehen. Ich bin 26 Jahre im deutschen Bundestag gewesen – war auch mal Generalsekretär der hessischen CDU. Es ist nicht so, dass ich sagen kann, dass das völlig außerhalb der normalen Situation ist. Aber es ist hier gefährlicher. Und es ist nicht die Absicht der internationalen Gemeinschaft, hier nachzugeben. Sondern dieser Staat soll als ein multiethnischer, multikultureller und multireligiöser weiterentwickelt werden. Die Bevölkerung ist meines Erachtens in ihrem Denken teilweise sehr viel weiter als die politischen Führer."

    Deutschlands früherer Postminister Christian Schwarz-Schilling sollte eigentlich der letzte sogenannte High Representative sein, der letzte Hohe Repräsentant und Oberaufseher an der Spitze der Internationalen Verwaltung in Bosnien. Ein Mann, der kraft machtvoller Befugnisse die politischen Entscheidungen in Bosnien beeinflussen, der Politiker absetzen und Gesetze verhindern kann. Doch anders als sein Vorgänger im Amt, Paddy Ashdown, der während seiner drei Jahre in Bosnien öfter mal mit harter Hand durchgriff, hat Christian Schwarz-Schilling von diesen Machtbefugnissen, den "Bonn-Powers", ganz bewusst nie Gebrauch gemacht.

    "Ich habe von vornherein gesagt, nein ich werde nicht eingreifen. Ich habe auch versucht, das der internationalen Gemeinschaft klar zu machen, wir können nicht einfach in einem Jahr schließen und bis dahin voll regieren. Sondern wir müssen jetzt bereits die Möglichkeit schaffen, dass sie selber die Verantwortung schrittweise voll übernehmen – auch ihre Fehler machen können, das gehört auch dazu. Selber Fehler machen können und nicht nur die internationale Gemeinschaft dafür verantwortlich machen, was alles nicht funktioniert"

    Ursprünglich war geplant, dass die Internationale Gemeinschaft ihre Mission Mitte 2007 an die EU abgibt, an einen Sondergesandten aus Brüssel, dessen Machtbefugnisse und Möglichkeiten, politischen Einfluss zu nehmen, dann aber nur noch sehr eingeschränkt gewesen wären. Und so ist Christian Schwarz-Schilling, insgesamt der fünfte Hohe Repräsentant für Bosnien-Herzegowina, mit dem festen Vorsatz angetreten, das Land endlich in die politische Eigenständigkeit zu führen. Viele glaubten, er würde es schaffen – schließlich war Schwarz-Schilling schon vorher immer wieder auf dem Balkan als Vermittler und Streitschlichter in Erscheinung getreten. Auch in seine Bosnien-Mission steckte er von Anfang an viel Engagement und Herzblut:

    "Ich war ja länger als ein Jahrzehnt hier und komme zurück als ein Freund des Landes und der Menschen, mit denen ich in schwersten Zeiten zusammengearbeitet habe …."

    Deshalb hatte sich Schwarz-Schilling auch vorgenommen, das Amt des Hohen Repräsentanten überflüssig zu machen, sich selbst abzuschaffen:

    "Was ich mir erhoffe, ist, dass es ein ganz normales Land wird, wenn ich einmal weggehe, dass es ein Teil Europas wird, dass die ganze Region sich stabilisiert. Und dass das Vertrauen, das ich hier genieße, auch gerechtfertigt ist."

    Doch nach nur eineinhalb Jahren nimmt Christian Schwarz-Schilling im Prinzip unverrichteter Dinge seinen Hut – er verlässt weder ein stabiles noch ein im europäischen Verständnis demokratisch regiertes Land. Das Amt des Hohen Repräsentanten wird es wegen der angespannten politischen Lage mindestens noch ein weiters Jahr geben. Das hat das dafür zuständige Gremium, das Peace Implementation Council, beschlossen und den Slowaken Miroslav Lajcak zum Nachfolger Schwarz-Schillings gewählt. Das Bosnien, das Schwarz-Schilling zurücklässt, ist politisch zerrissener und gespaltener denn je. Vor allem zwischen Serben und Bosniaken gibt es immer mehr Animositäten.

    Campingidylle auf einem freien Hügel in der Nähe des Olympiastadions am Stadtrand von Sarajewo. Aus dem Tal und den umliegenden Stadtteilen ruft der Muezzin zum Gebet.

    Ein Mann bietet Besuchern im Zeltlager Äpfel und selbstgebackenen Kuchen an. "Willkommen im Camp der Srebrenica-Genozid-Survivers" – steht über dem Eingang. Willkommen im Zeltlager der Überlebenden des schlimmsten Kriegsverbrechens in Europa seit dem Zweiten Weltkrieg. Im Februar hatte der Internationale Gerichtshof in Den Haag zwar die Massentötungen von fast 8000 bosnischen Muslimen aus Srebrenica als Genozid eingestuft. Die anderen von Serben begangenen Kriegsverbrechen in Bosnien aber nicht. Wenige Wochen nach diesem Urteil haben Überlebende von Srebrenica hier am Stadtrand von Sarajewo ihre weißen und grünen Zelte aufgeschlagen. Mit ihrem Lager-Protest wollen die Bosniaken darauf aufmerksam machen, dass sie auch heute, zwölf Jahre nach dem Massaker, noch immer nicht normal in ihrer Heimatstadt Srebrenica leben können – die Kleinstadt liegt heute im serbischen Landesteil Bosniens, der Republika Srpska. Viele seit dem Krieg vertriebene Bosniaken wollen nicht zurückkehren. Aus handfesten Gründen - erklärt eine Frau selbstbewusst, die gerade aus einem Zelt herauskommt:

    "In der Gegend von Srebrenica und Bratunac laufen sehr viele Kriegsverbrecher noch immer frei herum. Sie leben nicht nur in Freiheit, sie haben auch wichtige Funktionen inne, als Politiker, Polizisten oder in der lokalen Verwaltung. Wollen Sie sich zum Beispiel einen Personalausweis ausstellen lassen, dann werden sie auf dem Amt mit einer Person konfrontiert, die in Pototschari vor zwölf Jahren ihren Mann, Sohn, Bruder oder Onkel verschleppt hat …"

    Die 54-jährige Muslimin Zumra Schechomerowitsch arbeitet für den Verein "Mütter und Frauen von Srebrenica". Der Kampf für Gerechtigkeit, sagt sie, hat ihr geholfen, all das zu überwinden, was sie während des Krieges erlebt hat. Auch ihr Mann wurde 1995 in Pototschari von einem serbischen Soldaten abgeführt. Der hatte ihr damals gesagt, sie brauche sich keine Sorgen um ihren Mann zu machen. Dessen Leichnam hat Zumra Schechomerowitsch bis heute nicht gefunden. Mehrere Male hat sie versucht, nach Srebrenica zurückzukehren, wo noch immer jedes dritte Haus wie eine Kriegsruine aussieht. Obwohl gewaltige Summen an Hilfsgeldern geflossen sind, kommt der Wiederaufbau nur schleppend voran.
    Alles in Srebrenica erinnert Zumra Schechomerowitsch an die schlimmsten, aber auch an die schönsten Jahre ihres Lebens.

    "Vor dem Krieg war Srebrenica eine sehr nette Kleinstadt, in der wir alle, Serben und Moslems, friedlich und sehr gut zusammenlebten, arbeiteten, feierten, unsere Kinder gingen zusammen in die Schule. Und die Hälfte der Ehen war gemischt, man kann also sagen, es gab sogar echte Liebe in Srebrenica. Und am Anfang habe ich gedacht, niemand hat das Recht, mir meine Arbeit, mein Haus, meine Familie wegzunehmen – und genau das ist passiert. Unsere Nachbarn und Freunde haben dann den Paramilitärs, die aus Serbien kamen, bei ihren Verbrechen in Srebrenica geholfen."

    Und die serbische Verwaltung der bosnischen Republika Srpska, zu der Srebrenica seit dem Abkommen von Dayton gehört, macht es bis heute den bosniakischen Rückkehrern nicht gerade leicht: Arbeit gibt es wenig. Wenn, dann werden Serben bei der Arbeitsplatzvergabe bevorzugt – so der Vorwurf vieler Bosniaken. Und ob die muslimischen Rückkehrer eine Rente oder Krankenversicherung bekommen, ist den Behörden herzlich egal.

    Die Überlebenden in der Zeltstadt von Sarajewo fordern gleiches Recht für alle. Nach dem umstrittenen Genozid–Urteil wollen sie einen Sonderstatus für Srebrenica. Sie fordern, dass die Kleinstadt aus dem serbischen Teil Bosniens ausgegliedert wird. Solange das nicht passiert, werden sie weiter ausharren in ihrem Genozid-Survival-Camp – meint Zumra Schechomerowitsch.

    Natürlich hat auch der Hohe Repräsentant von dem Genozid-Survival-Camp Wind bekommen. Als eine seiner letzten Amtshandlungen hat Christian Schwarz-Schilling sogar einen Sonderbeauftragten für Srebrenica ernannt. Er soll sich um Rückkehrer kümmern und auch dafür sorgen, dass mutmaßliche Kriegsverbrecher strafrechtlich verfolgt werden. Doch Srebrenica ist nur prominentes Beispiel für die ethnische Spaltung des gesamten Landes, die durch den Friedensvertrag von Dayton manifestiert wurde – ein Vertrag, der erfolgreich war, weil endlich die Waffen schwiegen, der aber auch viele neue Probleme geschaffen hat:

    "Hier haben wir x Städte und Gemeinden, die zu 30 Prozent muslimisch sind, zu 20 Prozent serbisch, zu 40 Prozent wieder muslimisch und dann noch 10 Prozent Kroaten. Und umgekehrt. Dieses auf ein Gleis zu bringen heißt, dass eine echte Verfassungsreform erforderlich ist."

    Eine neue Verfassung, die die ethnische Zerrissenheit Bosniens wieder halbwegs kitten kann. Eine solche Reform, die eine bosnische Zentralregierung stärken und die Bevölkerung beider Landesteile einander näher bringen sollte, war auch eines der Hauptziele des Hohen Repräsentanten Schwarz-Schilling:

    "Das müssen wir auf den Weg bringen durch eine echte, parlamentarisch begründete Verfassungsreform, die nicht nur im Bier-Hinterzimmer eines Restaurants sich durch Parteiführer ergibt, sondern die sich tatsächlich auch in entsprechender Weise von den Bosniern selbst vorangetrieben wird. Dafür müssen wir sie aber ausstatten. Dafür muss es Hearings geben. Das können Sie doch bei den Bedingungen, die Sie hier im Parlament vorfinden, überhaupt nicht erwarten."

    Die Verfassungsreform ist nicht das einzige Projekt, das in der kurzen Ära Schwarz-Schilling nicht umgesetzt wurde. Hört man sich in Sarajewo um, scheint es überhaupt so, dass viele Bosnier von "Schilling" enttäuscht sind, wie sie den Deutschen nennen.

    "Ich seh’ überhaupt nichts Gutes, was er gemacht hat, ich bin sogar richtig froh darüber, dass er geht. Überhaupt keine Verbesserung, im Gegenteil – Schwarz-Schilling hat alles noch komplizierter gemacht. Nichts ist passiert, nichts hat er voran gebracht. Wahrscheinlich haben wir sogar zwei Schritte zurück gemacht"."

    Ein Rentner relativiert diese harten Worten der jungen Frau etwas, denkt im Grunde aber ähnlich:

    ""Ein bisschen was hat er schon gemacht, aber ich glaube, er hätte durchaus mehr machen können."

    Und ein junger Unternehmer ist die Ansicht, Schwarz-Schilling sei zu gutmütig gewesen und letztlich an der Mentalität der Bosnier gescheitert:

    "Das ist schon ein cleverer Mann. Aber offensichtlich hat Schilling geglaubt, er könne mit vernünftigen Leuten zusammenarbeiten. Sein Vorgänger Ashdown war schärfer, er hat nicht gezögert, seine Autorität zu gebrauchen. Hier muss man Gewalt mit Gewalt beantworten. In Bosnien läuft nichts ohne Gesetze, Regulierungen, Strafen."

    Mangelnde Balkan-Erfahrung, zu wenig Einblick in die bosnische Realität und Seele kann man Christian Schwarz-Schilling aber wirklich nicht vorwerfen. Er kennt die Region und ihre Probleme wie kaum ein anderer.
    Möglicherweise hat aber der Führungsstil, mit dem Schwarz-Schilling sich von seinem autoritären Vorgänger Ashdown abgegrenzt hat, die Bosnier überfordert:

    "Das war das Kontrastprogramm. Bei aller Liebe zu Paddy Ashdown muss ich sagen, dass er natürlich schon eine gewisse Verhaltensweise hatte. Die Absetzung von Politikern, das Aufheben von gesetzlichen Maßnahmen geschah eigentlich ohne Begründung. Da war der Stil von Schwarz-Schilling ganz anders. Der war diskursiver. Er hat das Gespräch gesucht. Er hat auch Begründungen gegeben."

    Der Südosteuropa-Experte Erhard Busek, Koordinator des Stabilitätspaktes für Südosteuropa, bewertet die Arbeit von Schwarz-Schilling positiver als die Bosnier:

    "Ich glaube, dass man Schwarz-Schilling als gesamtes nehmen muss. Er hat ein imponierendes Engagement in der Flüchtlingsfrage innegehabt. Er war einer, der im deutschen Bundestag und in der deutschen Öffentlichkeit das Engagement für den Balkan wirklich immer sehr vital vertreten hat und quasi eine innere Berufung gespürt hat, das zu tun. Daher auch seine Sehnsucht, das Amt in Bosnien-Herzegowina zu übernehmen. Die Dinge in seinem Sinn zu Ende zu bringen, dass die Bosnier für sich selbst verantwortlich sind, und man versuchen kann, nur immer erinnernd zu assistieren. Das hat Schwarz-Schilling nicht erreicht. Das ist aber nicht seine Verantwortung. Das liegt an der internen Situation nach den letzten Wahlen in Bosnien. In dem einen Jahr kam er mitten in ein Übergangsstadium, das natürlich den Spielraum auch relativ beengt hat."

    Kritiker Schwarz-Schillings sagen, durch seine abwartende Haltung habe sich die Lage in Bosnien nach den Wahlen zugespitzt. Haris Silajzic, seit Kriegszeiten politischer Anwalt der bedrohten Bosniaken, will, dass beide Entitäten - der serbische Landesteil und die bosnisch-kroatische Föderation – so schnell wie möglich vereinigt werden.

    "Sich für die Republika Srpska stark machen, für die Teilung des Landes in zwei Entitäten – ist das nicht eine Sache der Vergangenheit? Wir wollen doch ein demokratisches, ein auf europäische Weise geordnetes Land werden. Schließlich wollen wir in die EU. Dort liegt für mich die Zukunft!"

    Silajdzic Ziel, den Gesamtstaat zu stärken, wäre im Prinzip auch der direkte Weg Bosniens in die Selbständigkeit. Was den Serben an der Rhetorik Silajdzic aber generell missfällt: Der bosnische Nationalist hat die Existenz der Republika Srpska von Anfang an in Frage gestellt. Nach dem Genozid-Urteil fordern die Bosniaken jetzt kleine Teile der Republika Srpska wie Srebrenica zurück. Die serbische Seite, allen voran ihr um nichts weniger nationalistischer Wortführer, Milorad Dodik, wehrt sich gegen diese "Zerstückelung" und besonders gegen kollektive Schuldzuweisungen.

    "Von mir aus kann jeder über die Republika Srpska denken, was er will. Aber wer uns nicht als real akzeptiert, mit dem gibt’s auch keine Vereinbarungen. Auch wenn Bosnien auf seinem Weg in die EU um hundert Jahre zurückfallen sollte. Aber wir verhandeln nicht mit Menschen, die uns verachten und uns permanent in die Rolle der Schuldigen drängen – obwohl das nirgends so steht. Das können alle in dem Urteil nachlesen …"

    Tatsächlich hat sich die Rhetorik nach dem das Genozid-Urteil noch einmal verschärft. Dodik warnt gerne vor einer Islamisierung des Landes, sozusagen vor der feindlichen Übernahme. Dafür gibt es gewisse Anzeichen, wie die vielen neuen Moscheen auch im serbischen Landesteil, deren weiße Minarette inmitten trostlos-grauer Kriegsruinen stolz in den Himmel wachsen. Auch die mögliche Unabhängigkeit des Kosovo spielt eine gewisse Rolle in Bosnien: Bevor wir zwangsislamisiert werden, erklären wir Serben uns lieber für unabhängig – hat Dodik schon mehrere Male gedroht. In die EU führt eine solche Verhaltensweise nicht gerade – meint auch der Balkanexperte Erhard Busek. Allerdings ist er auch davon überzeugt, dass die Aussicht auf einen EU-Beitritt das beste Druckmittel ist, um die bosnischen Streithähne zusammenbringen wird.

    "Vielleicht haben die beiden Repräsentantenseiten den Eindruck, wenn sie auf ihren Positionen bleiben, wird sich die EU an sie anpassen, aber es ist ja nicht so, dass die EU Bosnien-Herzegowina beitreten soll, sondern umgekehrt. Und diese Lektion muss gelernt werden. Da ist meine Erfahrung aus dem Stabilitätspakt, dass das das beste Druckmittel ist … selbst bei Serbien hat es funktioniert und eine halbwegs stabile Regierung ist zustande gekommen."

    Auch der Vermittler Schwarz-Schilling beendet seine Mission mit mahnenden Worten an die beiden Politiker, die den Fortschritt des Landes, wie er sagt, blockieren und mit ihrer aggressiven Rhetorik die politische Situation gefährden:

    "Ich hoffe nur, dass Dodik und Silajdzic sich bewusst werden, dass sie dem Land schaden. Und wenn das nicht der Fall ist, dann wird der Weg nach Europa sehr langsam vorangehen. Und sie dürfen das Zeitfenster der Geschichte nicht verpassen, denn manchmal sind Fenster nicht jahrzehntelang offen, sondern nur ein paar Jahre."

    Die Zeit von Schwarz-Schilling in Bosnien ist jedenfalls abgelaufen. Dass er selbst mit dem Ergebnis seiner Arbeit nicht wirklich zufrieden ist, zeigt auch, dass er seinem Nachfolger angeboten hat, ihn bis zum Ende des Jahres bei einigen noch offenen Fragen zu unterstützen. Sollte der neue Hohe Repräsentant, der Slowake Miroslav Lajcak, dieses Angebot nicht annehmen, wird dem früheren deutschen Postminister aber sicher nicht langweilig.

    "Ich werde meine frühere Situation als Mediator teilweise wieder aufnehmen, mein Team im Kosovo und in Mazedonien ist ja noch tätig, Und man wird sich sicher dann und wann treffen, um seine Gedanken auszutauschen."