Dienstag, 19. März 2024

Archiv

Krisenregion nordöstliches Nigeria
Frauen helfen mit IT-Wissen

Im Nordenosten Nigerias, wo die Terrormiliz Boko Haram wütet, stehen viele Frauen vor dem Nichts. Eine nigerianische Nichtregierungs-Organisation will sie wirtschaftlich auf eigene Beine stellen - mit Computerwissen.

Von Alexander Göbel | 22.07.2017
    Ausgebrannter Prüfungsraum einer staatlichen Schule in der Stadt Chibok im Nordosten Nigerias
    Dieser Prüfungsraum einer staatlichen Schule im nigerianischen Chibok ist ausgebrannt. Viele Mädchen Im Nordosten des Landes marodiert Boko Haram. Viele Mädchen (dpa / picture alliance / Henry Ikechukwu)
    Hawa Alkali freut sich über die gute WLAN-Verbindung im Tagungshotel. Zu Hause in Maiduguri, im Nordosten Nigerias, sei das Internet katastrophal, klagt die Informatikstudentin. Aber das Netz sei dort noch das geringste Problem.
    Zusammen mit rund dreißig anderen jungen Frauen ist Hawa für ein paar Tage nach Abuja gereist. Auf Einladung des CITAD, des Zentrums für Informationstechnologie und Entwicklung, nimmt Hawa in Nigerias Hauptstadt an einem ganz besonderen Digital-Workshop teil.
    "Die ganze Welt wird digital", sagt Hawa. "Sogar an der Universität von Maiduguri schreiben wir jetzt unser Examen am Computer. Aber außerhalb der Uni haben so viele Menschen noch nie einen Rechner benutzt. Ich will hier so viel wie möglich lernen, damit ich später vor allem den vielen Mädchen in Maiduguri helfen kann, die alles verloren haben."
    Maiduguri, die Hauptstadt des Bundesstaates Borno, war lange die Hochburg der islamistischen Terrorgruppe Boko Haram, die schon mehr als 20.000 Menschen getötet hat.
    "Viele Frauen stehen vor dem wirtschaftlichen Nichts"
    Mittlerweile hat die nigerianische Armee die Islamisten zurückdrängen können, aber sie sind immer noch da – fast täglich kommt es zu Angriffen, Entführungen und Selbstmordattentaten. Maiduguri selbst platzt aus allen Nähten – Hunderttausende Menschen aus anderen, vom Terror bedrohten Landesteilen suchen hier Schutz. Jenseits von humanitärer Hilfe gibt es nichts für die Menschen – und genau hier setzt Yunusa Zakari Yau an, er hat für das CITAD das Digital-Seminar organisiert:
    "Wir sehen, dass im Nordosten Nigerias viele Frauen vor dem wirtschaftlichen Nichts stehen. Sie sind einfach am schlimmsten von der Armut betroffen, die diese Region im Griff hat, gerade wegen des Terrors von Boko Haram. Viele Frauen haben durch die Islamisten ihre Eltern oder ihre Ehemänner verloren, Familienstrukturen sind zerstört, die Frauen stehen oft ganz alleine da."
    Digitalwissen kann ein Beitrag zur Emanzipation sein
    Genau diesen Frauen will CITAD helfen. Eigene Business-Ideen, Kunden-Akquise mit dem Handy, Grundlagen in Grafikdesign, die eigene Website: Klingt nicht nach der Priorität in einer Krisenregion. Aber Yunusa Zakari Yau ist überzeugt, digitales Wissen kann ein Beitrag zur Emanzipation sein – und zur Armutsbekämpfung:
    "Wir dachten, wenn wir etwas beitragen können, dann ist es die Vermittlung von Fähigkeiten im IT-Bereich. Die können die Frauen dann nutzen, damit sie irgendwann auf eigenen – sozusagen digitalen - Beinen stehen. Wir wissen ja, dass die Frauen es in dieser kulturell eher konservativen Region schwer haben, als Alleinstehende zum Beispiel ein Geschäft zu eröffnen. Der Vorteil von IT ist: Sie können sich von zu Hause aus selbständig machen, und damit wird es für sie wesentlich leichter."
    "Wer die Wirtschaft aufbauen will, muss im Nordosten anfangen"
    "Warum", fragt der Organisator der Summer School, "sollen die Frauen im Norden Nigerias nicht auch von der Digitalisierung der Welt profitieren können?" Schließlich könnten sie dadurch Klein-Unternehmerinnen werden und für ihre Familien sorgen, vielleicht sogar Jobs schaffen:
    "Wer die Wirtschaft Nigerias wieder aufbauen will, muss im Nordosten anfangen. Wer etwa davon redet, dass er das Wachstum um, sagen wir, drei Prozent erhöhen will, muss wissen, dass er dann im Norden des Landes für ein Wachstum von sechs Prozent sorgen muss. Nach allem, was geschehen ist und immer noch geschieht, braucht diese Region einfach besondere Unterstützung."
    Von der Regierung gibt es kein Geld, wohl aber von US-Unis
    Und da von der nigerianischen Regierung keine Unterstützung kommt, hat CITAD in den USA Verbündete gesucht – und gefunden. Die Johns-Hopkins-Universität in Baltimore und die UC Santa Cruz finanzieren den Workshop mit, in Abuja sind auch Dozenten der beiden Unis dabei.
    "Train the trainer" ist die Devise, freut sich Hawa Alkali, die Studentin aus Maiduguri – nach dem Seminar will sie zu Hause gleich eine Organisation gründen und Sponsoren für Computer suchen.
    "Was auch immer ich hier an neuem Wissen mitnehmen kann, ich will es weitergeben", sagt Alkali, "an die Frauen im Norden Nigerias, damit sie endlich aus dieser schweren Lage herausfinden und wieder Träume haben können – um sie zu verwirklichen ..."