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Krisensicherer Job?

Arcandor, Schiesser, Rosenthal - die Liste der insolventen Unternehmen ist lang. Dafür scheinen Insolvenzverwalter umso mehr Konjunktur zu haben. Doch was machen Insolvenzverwalter eigentlich? Wie wird man das?

Von Daniela Siebert | 02.07.2009
    "Gute Nerven haben, Optimismus, muss man haben. Gesunde Menschenkenntnis ist unverzichtbar."

    "Man muss irgendwie wirtschaftliche Zusammenhänge verstehen. Man muss Spaß haben an Buchhaltung. Man muss ein bisschen detektivische Lust auch haben, zu sagen: ich hab hier eine Insolvenzakte, kann ich da was raus ersehen?"

    Hartwig Albers und Thomas Oberer sind Rechtsanwälte, wie die meisten Insolvenzverwalter in Deutschland. Thomas Oberer betreut vor allem Privatleute, die sich überschuldet haben und Insolvenzen von Klein-Unternehmen. Hartwig Albers hat schon über 1000 Unternehmensinsolvenzen begleitet, vom Fünfmannbetrieb bis hin zu Firmen mit 3000 Mitarbeitern. Insolvenzverwalter müssen mit Paragrafen und mit Zahlen umgehen können.

    Kenntnisse im Steuerrecht und in der Buchhaltung sind unentbehrlich. Albers hat daher auch eine Steuerberaterausbildung gemacht und Oberer neben seiner kaufmännischen Ausbildung auch noch den Fachanwalt für Insolvenzrecht. Letzteres ist kein Muss sagt Thomas Oberer:

    "Es ist vielleicht ein zusätzliches Plus, aber es ist nicht Voraussetzung."

    Beide - Oberer wie Albers - bekommen ihre Aufträge als Insolvenzverwalter vom Berliner Insolvenzgericht, das ist das Amtsgericht Charlottenburg. Für Hartwig Albers ist dann schnelles Handeln geboten: Binnen Stunden muss er zur betroffenen Firma.

    "Dann fährt man da hin, meist zu zweit, bei größeren Dimensionen nimmt man gleich das ganze Team mit, damit sich jeder gleich vor Ort einen Eindruck machen und Informationen sammeln kann. Dann macht man Bestandsaufnahme und muss die ganze Betriebsfortführung begleiten, mit Gläubigern reden, bei Bauinsolvenzen muss man sämtliche Auftraggeber abklappern, ob Sie überhaupt noch bereit sind, weiter zu machen. Muss denen aus der Brust leiern, dass sie auf Ansprüche aus der Vergangenheit verzichten sollen, wenn denn weiter gemacht werden soll, damit sie nicht verrechnen."

    Hartwig Albers reizt dieses Chaosmanagement, wie er es nennt. In eine völlig fremde Welt einzutauchen und zu schauen, was noch geht. Thomas Oberers Klienten sind Einzelunternehmer oder Privatpersonen. Für sie geht es meist darum, eine sogenannte Restschuldbefreiung zu bekommen, die ihnen nach sechs Jahren ein schuldenfreies Weiterleben ermöglicht. Auch hier ist die Bestandsaufnahme die wichtigste Arbeit für den Insolvenzverwalter. Die macht Oberer als Gutachter vor Beginn des Verfahrens:

    "Ich gehe zu den Schuldnern, ich schau mir an, was da ist, prüfe, ob da verwertbares Vermögen da ist, ob Anfechtungstatbestände bestehen, schreibe das in die Gutachten rein. Wenn das Verfahren dann eröffnet ist, dann ist die meiste Arbeit delegiert an die Mitarbeiter."

    Auf die Suche nach Wertgegenständen vor Ort folgt für Oberer dann die Detektivarbeit am Schreibtisch: Er fahndet in den Akten, ob er noch Geld findet, das der Schuldner übersehen oder gar absichtlich versteckt hat.

    Hartwig Albers dagegen dreht bei den Unternehmensinsolvenzen oft ein größeres Rad, muss bei seiner Arbeit Großgläubiger, Betriebsräte und verschiedene Hierarchie-Ebenen innerhalb der insolventen Firmen einbinden. Da ist nicht nur fachliche, sondern auch kommunikative und diplomatische Kompetenz gefordert.

    Erfolg ist für ihn, wenn die Gläubiger alles wieder kriegen, noch was für die Gesellschafter übrig bleibt und auch der Betrieb weitergeführt werden kann. Das hat allerdings keine Priorität betont er:

    "Insolvenzverfahren gibt es nur als Gläubigerschutz. Das ist zum Schutz der Gläubiger da! Das hat sozusagen mit der Firma als solcher oder dem Erhalt einer Firma überhaupt nix zu tun, im Gegenteil: Wenn es für die Gläubiger besser ist, dass die Firma kaputt geht, dann wäre der Insolvenzverwalter verpflichtet, die Firma kaputt gehen zu lassen."

    Zu viel Mitgefühl können sich Insolvenzverwalter deshalb nicht leisten. Auch nicht, wenn ihre Klienten mit sich und dem Leben hadern. Thomas Oberer musste sich dafür ein dickes Fell antrainieren.

    "Da muss man sich abgrenzen können, ich konnte das am Anfang meiner Tätigkeit nicht. Ganz häufig hört man ja: Das ist meine Schuld, aus mir wird nichts mehr und ich bin nix und - keine Ahnung. Das sind solche Sachen, wenn man sich das zu sehr anzieht, belastet es einen unglaublich."

    Durch ein Urteil des Bundesverfassungsgerichtes 2004 gibt es heute deutlich mehr Insolvenzverwalter als früher. Bis dahin hatten die Insolvenzgerichte quasi geschlossene Listen, an wen sie Aufträge verteilen. Das ist jetzt anders. In Berlin beispielsweise sind jetzt rund 100 Insolvenzverwalter zugelassen, vor fünf Jahren waren es nur 30. Die Zahl der Insolvenzen habe aber nicht zugenommen betont einer der zuständigen Insolvenzrichter. Die schlechte Wirtschaftslage hat sich damit noch nicht positiv für die Insolvenzverwalter ausgewirkt - zumindest bislang.