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Kristallforschung im Norden

Am Deutschen Elektron-Synchrotron Desy in Hamburg gibt es eine mächtige Röntgenstrahlungsquelle. Ada Yonath, die Pionierin der Ribosomenstrukturanalyse, hat dort dort viele Jahre lang regelmäßig ihre neuesten Ribosomenkristallen durchleuchtet.

Von Frank Grotelüschen | 07.10.2009
    Eine ungastliche Ecke in einer ungastlichen Experimentierhalle am Forschungszentrum Desy in Hamburg. Das ist der Arbeitsplatz, an dem Ada Yonath bis vor fünf Jahren ihre Biomoleküle untersucht hat. Links ein paar Schrankwände voller Elektronik und blinkender Leuchten. Rechts ein schmuckloser Kontrollstand mit Bildschirmen und Tastaturen.

    "Hier draußen in diesem Kontrollstand werden die Experimente eigentlich im Wesentlichen nur gesteuert. Das heißt, hier draußen sitzt man geschützt vor der Röntgenstrahlung, und die Probe selber ist innerhalb der Experimentierhütte und wird dort der Röntgenstrahlung ausgesetzt. Die Röntgenstrahlung wird von einem Synchrotronring erzeugt, das heißt, da werden Elektronen oder Positronen auf eine Kreisbahn gezwungen, und weil sie in einer Kreisbahn beschleunigt werden, müssen sie strahlen. Und diese Röntgenstrahlung wird genutzt, um solche Experimente wie Kristallografie durchzuführen", "

    sagt Frank Schlünzen. Der Physiker ist ehemaliger Mitarbeiter von Ada Yonath. Das Besondere: Die Röntgenstrahlung aus dem Beschleuniger ist millionenfach stärker als eine Röntgenröhre, sowie wie man sie in einer Arztpraxis hat. Außerdem ist der Röntgenstrahl extrem gebündelt - ideale Voraussetzungen, um damit winzige Kristalle aus Biomolekülen zu untersuchen, zum Beispiel Ribosomen. Und weil die Röntgenstrahlung so intensiv ist, müssen die eigentlichen Experimente in einem speziell abgeschirmten Bereich stattfinden, der Röntgenhütte. Ihre Wände sind aus Blei, Schilder warnen vor dem Betreten.

    " "Wenn man sich dieser Röntgenstrahlung selber aussetzen würde, besteht durchaus die Gefahr, dass man ernsthaften Schaden nimmt. Deswegen gibt es extra Schutzmechanismen, die verhindern, dass man dieser Röntgenstrahlung ausgesetzt wird. Zum Beispiel, wenn man versucht, diese Tür zu öffnen, wenn das Experiment läuft, wird automatisch der Strahl im ganzen Gelände hier ausgeschaltet."

    Im Moment ist der Strahl nicht aktiv, deshalb können wir hinein in die Hütte. Sie ist kaum größer als ein Kinderzimmer. Diverse Pumpen manchen einen Heidenlärm. Frank Schlünzen zeigt auf eine Röhre, die aus der hinteren Wand kommt:

    "Durch diese Röhre hier wird der Röntgenstrahl durchgeleitet und kommt im Prinzip hier aus einem ganz kleinen auf die Kristalle. Die sehen eigentlich nicht viel anders aus als sagen wir mal Salzkristalle. Wenn man einen sehr großen Salzkristall hat - es gibt ja heutzutage auch so Kästen, mit denen man selber kristallisieren kann, im Prinzip sieht das ganz genauso aus. Diese Kristalle sind nur relativ klein und sehr, sehr empfindlich."

    Rund 10.000 dieser extrem schwer zu züchtenden Ribosomenkristalle haben Yonath und ihr Team im Laufe der Jahre mit Röntgenlicht bestrahlt. Und zwar wird das Röntgenlicht von den Atomen des Kristalls abgelenkt, und diese abgelenkten Reflexe haben die Forscher mit Spezialdetektoren aufgefangen. Anhand dieser Messdaten lässt sich dann ziemlich genau rekonstruieren, wie im Detail das Ribosom. Also die Proteinfabrik der Zelle, aussieht.

    "Das ist ein außerordentlich komplizierter Prozess. Zum ersten Mal hat man nur sehr viele einzelne Aufnahmen, also ein sogenannter Datensatz kann aus bis zu 1000 Einzelaufnahmen bestehen. Diese werden dann erst mal, sagen wir, auf wesentliche Informationen reduziert. Aus diesen einzelnen Intensitätsmessdaten, die man dann gewonnen hat, kann man tatsächlich zurückrechnen, wie die Elektronen innerhalb des Kristalls verteilt waren."

    Daraus können die Forscher dann mithilfe anderer Informationen schließen, welche Atome im Ribosom an welcher Stelle sitzen. Ein höchst anspruchsvolles 3D-Puzzle. Erst wenn es fertig ist, sind die Forscher am Ziel - einem räumlichen und hochdetaillierten Bild des Ribosoms.