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Kritik an CO2-Zielen

Mehrere Umweltverbände haben vor dem Bundeskanzleramt in Berlin gegen das von der Bundesregierung vorgeschlagene Bonussystem für Elektroautos und Plug-in-Hybride protestiert. Sie kritisieren, dass dadurch die CO2-Bilanzen der Hersteller verwässert werden.

Philip Banse im Gespräch mit Christian Bremkamp | 17.04.2013
    Christian Bremkamp: Mit verbindlichen Klimaschutzvorgaben will die EU-Kommission fahrende Dreckschleudern von Europas Straßen verbannen. Neuwagen sollen in Zukunft weniger Sprit verbrauchen und damit auch weniger Kohlendioxid in die Luft pusten. Ende des Monats geht es auf EU-Ebene ans Eingemachte, heute schon haben sich verschiedene Umweltverbände bei einer Protestveranstaltung vor dem Kanzleramt in Berlin versammelt. Sie waren für uns vor Ort, wofür oder wogegen wurde denn genau demonstriert?

    Philip Banse: In der EU wird gerade darüber verhandelt, wie viel CO2-Autos ab 2020 ausstoßen dürfen. Kommende Woche berät darüber der Umweltausschuss des EU-Parlaments, eine Sitzung, die von den Umweltverbänden als vorentscheidend angesehen wird. Die Diskussion zwischen EU-Kommission, Regierungen und EU-Parlament scheint auf einen Grenzwert von 95 Gramm CO2 je Kilometer raus zu laufen, moniert Gerd Lottsiepen vom Verkehrsclub Deutschland, VCD:

    "Wir hätten uns einen ambitionierteren Grenzwert gewünscht, die ganze deutsche Umweltbewegung, die heute hier auch steht. Und zwar wollten wir einen Grenzwert von 80 Gramm CO2. Jetzt ist in Europa praktisch Fakt, dass es 95 Gramm CO2 sein werden. Jetzt versucht die Bundesregierung immer noch, diesen Wert zu verwässern. Und dagegen wehren wir uns."

    Die Umweltverbände befürchten, dass dieser in ihren Augen ohnehin schon lasche Grenzwert von 95 Gramm CO2 2020 nur auf dem Papier stehen wird. Das hat mit der Anrechnung von Elektroautos zu tun. Die Rechnung ist komplex, aber geht so: 95 Gramm - so viel sollen die Flotten der EU-Autohersteller im Schnitt ausstoßen dürfen - manche Autos stoßen also weniger aus, andere mehr, im Schnitt 95 Gramm je Kilometer. Die Kritik der Umweltschützer: Elektroautos sollen erstens als Nullemissionsautos angerechnet werden – was umstritten ist, weil Elektroautos nur dann kein CO2 produzieren, wenn sie zu 100 Prozent mit Ökostrom fahren. Diese günstige Anrechnung der Elektroautos senke den Flottenschnitt also unangemessen stark, so die Kritik. Doch damit nicht genug. Elektroautos sollen zweitens mehrfach angerechnet werden dürfen. Das heißt: Sie verkaufen zehn Autos, davon ist eines ein Elektroauto. Dann dürfen sie den gesamten CO2-Ausstoß ihrer Flotte nicht durch zehn teilen, sondern – wegen des einen Elektroautos - durch zwölf oder 13. Der Grenzwert kann also auch mit Spritfressern in der Flotte leichter eingehalten werden. Mit dieser Regelung würden Elektroautos also Spritfresser fördern, fürchten die Umweltschützer.

    Bremkamp: Den Spritverbrauch senken … Was wird da zurzeit diskutiert und was halten die Umweltschützer für erreichbar?
    Banse: Sie verlangen eigentlich einen Grenzwert von 80 Gramm CO2, sagt eine Sprecherin von Greenpeace:
    ""Das Problem ist, dass diese 95 Gramm schon nicht besonders ambitioniert sind, und deswegen fordern wir 95 ohne Wenn und Aber."

    Ohne Wenn und Aber heißt: ohne besondere Anrechnung der Elektroautos.

    "Wir finden die Position der Bundesregierung deshalb so deprimierend, weil es ja mittlerweile Autohersteller gibt, die wie wir für ein Ziel 95 Gramm ohne Schlupflöcher eintreten. VW hat sich zum Beispiel dafür starkgemacht."

    Die Bundesregierung argumentiert, man wolle die Elektroautos so hoch anrechnen, um es attraktiver zu machen für die Autohersteller, sie zu bauen. Doch das über den CO2-Grenzwert zu machen, hält Dorothee Saar von der deutschen Umwelthilfe für den falschen Weg.

    "Wenn man eine weitere Elektrifizierung auf der Straße weiter unterstützen will, wofür wir auch sind, dann wird das am besten funktionieren, indem man einerseits klar Grenzwerte setzt und andererseits über ein Bonus-Malus-System hoch emittierende Fahrzeuge stärker belastet und wenig emittierende Fahrzeuge entlastet – zum Beispiel über die Kfz-Steuer."

    Bremkamp: Das Thema Klimaschutz sorgte auch gestern für Aufsehen. Da hat das Europaparlament eine Reform des Emissionshandels abgelehnt. Die Abgeordneten sprachen sich dagegen aus, die Verschmutzungsrechte zeitweilig zu verknappen, um eine Verteuerung der Zertifikate zu erreichen. Heute Morgen äußerte sich Bundesumweltminister Peter Altmaier – hier bei uns im Deutschlandfunk dazu – folgendermaßen:

    "Das war gestern ein Rückschlag für den Klimaschutz in Europa. Das Europäische Parlament insgesamt hat mit Mehrheit dagegen gestimmt. Dabei waren auch Abgeordnete aus Osteuropa, aus neuen Mitgliedsstaaten, auch nicht nur konservative Abgeordnete …Darüber müssen wir diskutieren …Es waren wenige Stimmen, die gefehlt haben, deshalb hoffe ich, dass wir in den nächsten Monaten noch zu einer anderen Entscheidung kommen können."

    Wie ist das Scheitern bei den Umweltverbänden angekommen?

    Banse: Natürlich nicht gut. Doch hat die Entscheidung des EU-Parlaments mit Autos wenig zu tun, da der Verkehr nicht Teil des Emissionshandels ist, Autohersteller also keine Rechte kaufen müssen, um CO2 auszustoßen. Gerd Lottsiepen vom VCD sieht dennoch einen Zusammenhang:

    "Die Entscheidung gestern war eine Entscheidung gegen den Klimaschutz. Das kann jetzt natürlich dazu führen, dass die Abgeordneten resignieren und Klimaschutz Klimaschutz sein lassen. Es kann aber auch sein, dass sie sich noch mal auf die Hinterbeine stellen und sich tatsächlich für Klimaschutz einsetzen und hier beim CO2-Grenzwert für einen ambitionierten Wert kämpfen werden."