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Kritik an Flüchtlingspolitik
Herrmann: Identitätsprüfungen dringend nachholen

Nach den Anti-Terror-Razzien in Norddeutschland hat Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU) nachträgliche Kontrollen von Flüchtlingen gefordert. Die Überprüfungen an den deutschen Grenzen seien nicht konsequent genug, sagte Herrmann im DLF. Die Fehlentwicklungen, die durch die Bundesbehörden veranlasst worden seien, müssten jetzt dringend korrigiert werden.

Joachim Herrmann im Gespräch mit Christine Heuer | 14.09.2016
    Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU)
    Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU) (picture alliance / dpa / Matthias Balk)
    Es könne nicht sein, dass Ausländer ohne Ausweispapiere beliebig durch Deutschland reisten, sagte Herrmann. Solange die Identität einer Person nicht geklärt sei, müsse diese an der Grenze "angehalten" werden, egal, ob es sich um einen Flüchtling handele oder nicht. Deutschland habe den Überblick verloren, wer sich eigentlich im Land aufhalte. Bei all jenen, deren Identität bis heute nicht überprüft worden sei, müssten diese Kontrollen jetzt "dringend nachgeholt" werden. Hermann forderte erneut mehr Personal für die Behörden.
    Hermann lobte die Festnahme der drei Terrorverdächtigen gestern in Schleswig-Holstein. Er sehe aber ein hohes Risiko, dass womöglich "eine ganze Reihe weiterer solcher Leute" im Land seien, von denen niemand etwas wisse.
    Entscheidend sei nun, dass jetzt gehandelt werde: "Dazu gehören klare Kontrollen an den Grenzen, dazu gehört ein konsequentes Vorgehen hinsichtlich der Identitätsklärung aller, die in unser Land gekommen sind, und eine klare Aussage vor allen Dingen in die Zukunft, dass so etwas, was im vergangenen Jahr sich ereignet hat, sich auf keinen Fall in der Zukunft mehr wiederholen wird."

    Das Interview in voller Länge:
    Christine Heuer: Drei Terrorverdächtige sind gestern in Schleswig-Holstein festgenommen worden. Die Männer sollen vom IS geschickt worden sein, um Attentate zu verüben oder sich immerhin für Attentatspläne bereitzuhalten. Alle drei haben sich offenbar auf dem Höhepunkt der Flüchtlingskrise als syrische Flüchtlinge gezielt nach Deutschland eingeschmuggelt. Innenminister Thomas de Maizière spricht von Bezügen zu den Paris-Attentätern. Joachim Herrmann, der bayerische Innenminister hat gesagt, jetzt räche sich, dass so viele Flüchtlinge im letzten Jahr unkontrolliert nach Deutschland kommen konnten. Er ist jetzt am Telefon. Guten Morgen, Herr Herrmann!
    Joachim Herrmann: Guten Morgen und grüß Gott.
    "Wir brauchen saubere Kontrollen an den Grenzen"
    Heuer: Terroristen als Flüchtlinge getarnt - ist die deutsche Willkommenskultur lebensgefährlich?
    Herrmann: Nein. Es geht darum, dass wir saubere Kontrollen an den Grenzen brauchen. Das funktioniert offensichtlich an den EU-Außengrenzen nicht hinreichend; deswegen haben wir im vergangenen Jahr schon durchgesetzt, dass überhaupt wieder Grenzkontrollen an den deutschen Grenzen stattfinden. Aber die sind noch nicht konsequent genug. Und entscheidend ist: Sie haben gerade zurecht gesagt, es kommen Leute ohne Ausweispapiere in unser Land. Es kann dann aber nicht sein, wenn die ohne Ausweispapiere unterwegs sind, dass sie beliebig erst einmal quer durch Deutschland unterwegs sind. Dass es normal ist, wenn sie beispielsweise heute aus Mexiko kommen und in Frankfurt ankommen und sie sagen, sie haben keinen Pass, dann werden sie dort erst mal angehalten, wenn sie an der bayerisch-österreichischen Grenze ankommen und sagen, sie sind Flüchtlinge und haben keinen Pass, dann dürfen sie erst mal weiterfahren. Wir müssen konsequent dazu kommen, wenn die Identität nicht geklärt ist, jemand keinen Ausweis hat, dann muss er erst mal angehalten werden an der Grenze, bis die Identität geklärt ist, egal ob Flüchtling oder anderes.
    "Kontrollen müssen dringend nachgeholt werden"
    Heuer: Herr Herrmann, aber sind nicht gerade die Festgenommenen in Schleswig-Holstein für das, was Sie da ausführen, ein schlechtes Beispiel? Diese Männer hatten Papiere, sie wurden offensichtlich überwacht und sie wurden gefasst vor jedem Attentat.
    Herrmann: Darüber bin ich auch sehr, sehr froh. Das ist eine starke Leistung der Sicherheitsbehörden und ich bin sehr, sehr dankbar, dass es gelungen ist. In diesem Fall sind die deutschen Sicherheitsbehörden rechtzeitig aufmerksam geworden auf diese Täter, oder aufmerksam gemacht worden, und sie konnten jetzt rechtzeitig erst mal aus dem Verkehr gezogen werden. Das ist wichtig und das ist ein gutes Zeichen, dafür bin ich auch unheimlich dankbar. Aber wir müssen natürlich das hohe Risiko sehen, dass womöglich doch noch eine ganze Reihe von weiteren solchen Leuten im Land sind, von denen wir bisher gar nichts wissen. Und das ist ja gerade das Problem, dass wir den Überblick im vergangenen Jahr verloren haben, wer sich eigentlich in unserem Land aufhält. Wir müssen jetzt jedenfalls noch mal klar nachvollziehen, wann und wie sind die wo in unser Land gekommen, welche Kontrollen haben stattgefunden. Und wir müssen konsequent auch für alle, die im vergangenen Jahr schon ins Land gekommen sind und von denen einige bis heute nicht überprüft worden sind, von denen einige bis heute nicht richtig angehört worden sind beim Bundesamt, da müssen gegebenenfalls diese Kontrollen jetzt dringend nachgeholt werden. Es darf und kann nicht sein, dass sich womöglich eine größere Zahl von Leuten in unserem Land aufhält, über deren Identität wir bis heute letztendlich keine Klarheit haben.
    "Wir brauchen mehr Personal"
    Heuer: Herr Herrmann, aber genau da sagen die Praktiker, zum Beispiel die Gewerkschaft der Polizei, das ist überhaupt nicht zu leisten, weil die Politik in Bund und aber auch in den Ländern in den vergangenen Jahren so viel am Personal gespart haben, dass man einfach nicht hinterherkommt.
    Herrmann: Wir brauchen mehr Personal. Der Bund hat jetzt die Entscheidung getroffen, auch die Bundespolizei deutlich zu verstärken. Wir haben die bayerische Polizei kontinuierlich über die letzten Jahre immer weiter verstärkt. An uns in Bayern hat es nicht gelegen. Dass es einige Bundesländer gibt, die bei der Polizei gespart haben, das ist gar keine Frage. Aber entscheidend ist doch schon da der Zusammenhang, auch wenn Sie sich das zu eigen machen sollten, was hier gesagt wird hinsichtlich zum Beispiel auch der Polizeigewerkschaft. Dann kann ich nur sagen, ja ich kann doch dann nicht einfach sagen, wir lassen die einfach rein, unkontrolliert, was hier an Flüchtlingen kommt, denen wir natürlich helfen wollen - den echten Flüchtlingen - aber wir lassen hier unbegrenzt einen Zustrom ins Land und sagen dann gleichzeitig, wir hätten nicht genügend Leute, um die zu kontrollieren. Das ist doch unmöglich. So kann man doch entsprechend keine Politik machen. Ich stelle diesen Vorwurf gar nicht auf, aber wenn Sie sagen, es sind zu wenig Leute da, dann muss ich sagen…
    "Fehler der Bundesbehörden müssen korrigiert werden"
    Heuer: Nein, das ist ja allgemein anerkannt, dass das so ist. Aber Sie sagen ja, in Bayern ist das anders. Warum konnte dann zum Beispiel der Attentäter von Ansbach vor dem Anschlag nicht gefasst werden? Der war ja auffällig geworden.
    Herrmann: Nun, das lag nun wiederum an den Verfahren des Bundesamtes, wohl gemerkt. Das Bundesamt hätte den guten Mann in Ansbach, Mann in Anführungszeichen, schon längst auch wieder nach Bulgarien rücküberstellen können. Das sind Dinge, die noch weiter untersucht werden. Aber es lag jedenfalls nicht an den bayerischen Behörden in Ansbach. Klar ist: Es gibt keine hundertprozentige Sicherheit. Da will ich auch gar keinen falschen Eindruck erwecken. Aber was im vergangenen Jahr geschehen ist, war einfach insgesamt eine zu große Zahl, die völlig unkontrolliert ins Land gekommen ist. Wir können jetzt die Geschichte des vergangenen Jahres eh nicht mehr rückgängig machen, aber entscheidend ist, dass jetzt konsequent gehandelt wird. Und das bedeutet eben auch, dass beispielsweise die Entscheidung, dass zeitweilig jemand, der gesagt hat, er kommt aus Syrien, ohne weitere Anhörung automatisch anerkannt wurde als Asylbewerber, dass das natürlich auch eine völlige Fehlentwicklung war, weil wir ständig bei solchen Beispielen feststellen, das sind Leute mit gefälschten Papieren, das sind Leute, die überhaupt keine Papiere haben, die mit mehreren Identitäten unterwegs sind. Und nur weil einer sagt, ich bin Syrer, kann das doch keine hinreichende Grundlage dafür sein, dass er als Asylbewerber anerkannt wird. Da sind eine Reihe von Fehlentwicklungen aufgetreten, wohl gemerkt durch die Bundesbehörden veranlasst, und diese Fehler müssen jetzt dringend korrigiert werden.
    "Ich bin daran interessiert, dass die SPD mitmacht"
    Heuer: Und wer hat denn die politische Verantwortung? Sie fordern ja nach wie vor einen Kurswechsel von Angela Merkel. Gibt es da einen Zusammenhang zur Terrorgefahr und der Kanzlerin mit ihrer Willkommenskultur?
    Herrmann: Es geht darum, dass das, was wir beispielsweise auch im Kreis der Unions-Innenminister als klare Position zur Sicherheit in unserem Land formuliert haben, dass dies jetzt konsequent umgesetzt wird. Und ich bin vor allen Dingen sehr daran interessiert, dass da auch die SPD mitmacht. Es reicht nicht, dass Vizekanzler Gabriel zwar bei jeder Gelegenheit auch seine Besorgnisse äußert, dass es dann aber immer, wenn es konkret wird, im Bundestag und Bundesrat es alle möglichen Bedenken gibt. Wir müssen jetzt das, was sicherheitspolitisch notwendig ist, konsequent dringend umsetzen. Dazu gehören klare Kontrollen an den Grenzen, dazu gehört ein konsequentes Vorgehen hinsichtlich der Identitätsklärung aller, die in unser Land gekommen sind, und eine klare Aussage vor allen Dingen in die Zukunft, dass so etwas, was im vergangenen Jahr sich ereignet hat, sich auf keinen Fall in der Zukunft mehr wiederholen wird.
    Heuer: Herr Herrmann, ich höre mit Interesse: Ich frage Sie nach der Kanzlerin und Sie kritisieren die SPD.
    Herrmann: Ja, weil das die Realität auch mit Verlaub in Berlin ist. Wir haben in CDU und CSU, denke ich, eine klare Position, was die Sicherheitsfragen anbetrifft. Jetzt muss das auch konsequent durchgesetzt werden.
    Heuer: Das ist schön und dann kann Angela Merkel, wenn ich Sie richtig verstehe, mit einer Einladung zum CSU-Parteitag rechnen?
    Herrmann: Ich glaube, wenn wir jetzt über die Bekämpfung von Terrorismusgefahren reden, dann geht es jetzt nicht um Parteitagsregie. Es geht zunächst einmal darum, dass wir jetzt unsere inhaltlichen Positionen klären. Wir haben vonseiten der CSU am vergangenen Wochenende in Schwarzenfeld in der Oberpfalz noch mal klar deutlich gemacht, wo Klärungsbedürfnis besteht und wo wir klare Positionen haben, auf die wir uns hoffentlich in CDU und CSU gemeinsam verständigen können. Zuerst geht es um diese inhaltlichen Positionen und dann können wir die weiteren Fragen in das Wahljahr 2017 hinein klären.
    Heuer: Und das wird spannend. - Der bayerische Innenminister Joachim Herrmann war das im Interview mit dem Deutschlandfunk. Herr Herrmann, haben Sie vielen Dank.
    Herrmann: Ich danke Ihnen auch. Einen schönen Tag!
    Heuer: Ja, das wünsche ich Ihnen auch.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.