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Kritik an Heilpraktikern
Therapie wissenschaftlich nicht fundiert

Ein Memorandum in der Fachzeitschrift "Deutsches Ärzteblatt" kritisiert den Beruf des Heilpraktikers: Die Ausbildung sei ungeregelt und eigentlich gehöre der Beruf abgeschafft. Ein Heilpraktiker nimmt den Berufsstand vor der Kritik der Autoren in Schutz.

Von Christina Sartori | 29.08.2017
    Frau bei Moxatherapie mit Moxa-Nadeln (model-released) Copyright: xMEVx ALLMVME2011 Woman at with Moxa Needles Model released Copyright xMEVx ALLMVME2011
    Ein Kritikpunkt an Heilpraktikern ist, dass sowohl die Diagnose, als auch die Therapie nicht auf wissenschaftlichen Standards beruhe. (imago stock&people)
    Seitdem das Münsteraner Memorandum in der Fachzeitschrift "Deutsches Ärzteblatt" erschienen ist, erhitzt es die Gemüter. Kein Wunder, denn die Autoren des Artikels äußern ihre Kritik am Beruf des Heilpraktikers sehr klar und deutlich:
    "Dass Heilpraktiker erstens sehr schlecht ausgebildet sind und dafür sehr viel tun dürfen und zweitens: Dass die Verfahren, die sie anwenden, sowohl in der Diagnose, als auch in der Therapie, keine Wissenschafts-Basierung haben. Das ist Naturheilkunde, die sich auf alte Überlieferungen beruft, aber nicht auf die Wissenschaft."
    Dr. Christian Weymayr ist Medizinjournalist und einer der federführenden Autoren des Memorandums. Initiiert hatte das Papier die Ärztin und Medizinethikerin Professorin Bettina Schöne-Seifert von der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster. Mitgearbeitet haben außerdem der Medizinjurist Prof. Jochen Taupitz, der früher dem Ethikrat angehörte, die Ärztin Dr. Nathalie Grams, die früher Homöopathin war, und weitere Fachleute. Trotzdem bezweifelt Christian Wilms, Vorsitzender des Dachverbandes deutscher Heilpraktikerverbände und selber seit mehr als 30 Jahren Heilpraktiker, die Kompetenz des Münsteraner Kreises:
    "Ich war erschrocken, weil bei Durchsicht der Teilnehmer auffällt, dass sich kein einziger Heilpraktiker dabei befindet. Dass sich eine sogenannte Gruppe, die mir bisher nicht bekannt war, sich als Experten bezeichnet und selber aus der Berufsgruppe, über die sie urteilt, niemanden dabei hat. Das erschüttert uns im Berufsstand sehr, was da passiert ist."
    Beruf des Heilpraktikers habe keine Daseinsberechtigung
    Kein Wunder, denn nicht nur die Kritik, auch die Konsequenzen, die in dem Münsteraner Memorandum gefordert werden, sind drastisch, wie Christian Weymayr sagt:
    "Die erste Forderung ist die Abschaffungslösung, wenn wir sagen: Der Beruf des Heilpraktikers in seiner jetzigen Form hat in unseren Augen keine Daseinsberechtigung."
    Alternativ dazu formulieren die Autoren eine Forderung, die sie Kompetenzlösung nennen:
    "Man könnte so etwas wie einen Fach-Heilpraktiker etablieren, der auf bestehenden Heilberufen aufbaut, meinetwegen zum Beispiel auf Physiotherapeuten. Das müssten dann aber Inhalte sein, die wissenschaftlich fundiert sind."
    Die Ausbildung sei ungeregelt
    Solch ein Fach-Heilpraktiker hätte dann mehr Kompetenzen, als der jetzige Physiotherapeut, aber er wäre auf dieses Gebiet beschränkt. Derzeit gibt es eine solche Beschränkung auf ein Behandlungsgebiet bei Heilpraktikern nicht. Für Christian Wilms sind beide Lösungen inakzeptabel:
    "In diesem Memorandum wird quasi gefordert: Entweder Abschaffung oder nur noch Einzeltherapien, am besten unter Aufsicht eines Arztes. Das heißt, wir wären kein Heilberuf mehr, sondern ein Heil-Hilfsberuf, es wäre kein Heilpraktiker-Beruf mehr, sondern ein Fachberuf im Gesundheitswesen. Mir kommt es so vor, als wenn hier Konkurrenz aus dem Weg geräumt werden soll."
    An der Ausbildung zum Heilpraktiker kritisieren die Autoren des Memorandums, dass sie quasi ungeregelt ist. Erfahrungen im Umgang mit Patienten sind nicht notwendig und jeder kann selber entscheiden, wie er sich auf die Heilpraktiker-Prüfung vorbereitet, sagt Christian Weymayr:
    "Es gibt Heilpraktiker-Schulen, in denen ein Wissen vermittelt wird, aber das kann man sich auch autodidaktisch aneignen. Entscheidend ist nachher für die Zulassung eine Prüfung, in der primär abgefragt wird, ob derjenige später eine Gefahr für die Allgemeinheit darstellt. Aber nicht, ob das was er tut auch wirklich wissenschaftlich fundiert ist."
    Prüfungs-Richtlinien werden gerade überarbeitet
    Dass die Ausbildung so unterschiedlich sein kann, ohne dass für den Patienten ersichtlich ist, wie lange und intensiv ein Heilpraktiker nun gelernt hat, findet Christian Wilms nicht problematisch:
    "Das zeichnet gerade den Beruf aus. Es gibt Kolleginnen und Kollegen, die in ihrer Praxis zum Beispiel nur Ernährungsberatung machen wollen und andere Kollegen wollen eventuell Chiropraktik machen. Das sind natürlich andere Wege der Vorbereitung. Das muss jeder für sich selbst entscheiden."
    Immerhin werden gerade die Richtlinien für die Heilpraktiker-Prüfung so überarbeitet, dass sie dann bundesweit einheitlich sind. Bisher ist das von Bundesland zu Bundesland verschieden. Und auch die Schulmedizin ist nicht perfekt, meint Christian Weymayr:
    "Natürlich gibt es auch in der Schulmedizin Über-, Unter- und Fehlversorgung. Wir alle im Münsteraner Kreis sehen diese Dinge auch sehr kritisch."