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Kritik an Horst Seehofer
"Die CSU hat nicht nur ein Problem am rechten Rand"

Viele in der CSU finden, Parteichef Horst Seehofer müsse abtreten. Die Junge Union in Bayern hat schon Markus Söder als neuen Spitzenmann ausgerufen. Steht ein Schwenk der CSU nach rechts bevor? Einschätzungen der ehemaligen Dlf-Bayern-Korrespondentin Barbara Roth.

Von Barbara Roth | 09.11.2017
    Bayerns Ministerpräsident Horst Seehofer am 16. Oktober 2017 in München
    Bayerns Ministerpräsident und CSU-Chef Horst Seehofer ist angeschlagen (dpa / picture alliance / Peter Kneffel)
    Welches Gewicht hat ein Misstrauensvotum der Jungen Union?
    Es reiht sich ein in eine Kette ähnlichen Voten innerhalb der CSU. Die Bezirke München, Oberpfalz, Oberfranken fordern ebenfalls einen geordneten Übergang. Mit Markus Söder stellen sich zudem vier Mitglieder des eigenen Kabinetts gegen den Parteichef, und er kann nichts dagegen tun, denn er ist nicht mehr stark genug, diese Minister und Staatssekretäre zu entlassen. Das müsste er eigentlich machen. Und die Junge Union hat ganz konkret einen Wechsel an der Spitze der Staatsregierung gefordert. Ich lese daraus, dass die Junge Union nicht mehr bereit ist, nochmal für Seehofer in den Wahlkampf zu ziehen. Doch ein Wahlkampf der CSU ohne die Junge Union ist undenkbar. Die Junge Union ist die Gruppierung, die die Plakate aufhängt und die Wahlkampfstände in den Fußgängerzonen organisiert. Vor diesem Hintergrund ist das Votum sehr bedeutend.
    Welche Persönlichkeiten und Machtzirkel beeinflussen die Personalentscheidungen?
    Immer schon die CSU-Landtagsfraktion. Die wird nicht umsonst die Herzkammer der CSU genannt. Nach dem desaströsen Ergebnis der CSU bei Bundestagswahl haben die Abgeordneten Angst vor einem ähnlichen Absturz bei der Landtagswahl nächsten Herbst in Bayern. Man hat das Desaster bei der Bundestagswahl genau analysiert und Seehofer als Grund dafür ausgemacht - Seehofer, der sich monatelang für die Obergrenze beim Zuzug von Flüchtlingen stark gemacht hat, sich aber gegen Angela Merkel nicht durchsetzen konnte.
    Die Wählerwanderung sagt es ja auch: Jeder zweite Wähler, der früher CSU gewählt hat, ist zur AfD abgewandert. Diese Wähler glauben nicht mehr, dass Seehofer sich durchsetzen kann. Sie haben das Vertrauen in Seehofer verloren.
    Warum wird Theo Waigel und Edmund Stoiber eine wichtige Rolle zugeschrieben?
    Beide sind Ehrenvorsitzende der CSU, ihr Wort hat Gewicht. Aber die Frage ist: Wer redet jetzt eigentlich mit Seehofer und sagt ihm, dass es Zeit ist zurückzutreten? Theo Waigel wird sich heraushalten. Stoiber gilt als Förderer von Söder. Also wenn ich es einem zutrauen, dann dem ehemaligen Justizminister Alfred Sauter - ein wichtiger Ratgeber von Seehofer. Weil Sauter nichts mehr werden will, kann ich mir gut vorstellen, dass Seehofer sich von Sauter einen Rat geben lässt.
    Würde Markus Söder an der Parteispitze einen automatischen Kursschwenk nach rechts bedeuten?
    Man hört ja aus der CSU Sprüche wie "Wir müssen die AfD rechts überholen". Und man hört, dass Seehofer bei den Sondierungsgesprächen in Berlin beim Thema Flüchtlingszuzug überhaupt nicht kompromissbereit sei. Ich glaube nicht, dass das die richtige Strategie ist für das Projekt der CSU, die absolute Mehrheit in Bayern zu verteidigen. Denn jeder zweite einstige CSU-Wähler ist zur AFD gegangen bei der Bundestagswahl, aber: Jeder fünfte einstige CSU-Wähler ist zur FDP oder den Freien Wählern abgewandert. Das heißt: Die CSU hat nicht nur ein Problem am rechten Rand, sondern auch in der Mitte. Es wird einen Rechtstruck geben, aber es wird auch ein interessanter Spagat zu beobachten sein, denn die CSU muss ja auch ein Interesse daran haben, die Wähler in der Mitte zu halten - oder zurückzugewinnen.