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Kritik der SPD-Basis
Keine Lust auf Zickzack-Gabriel

Die Genossen an der Basis sind sauer und genervt über Sigmar Gabriels Wankelmütigkeit bei politischen Themen, sei es nun Griechenland, Pegida oder die Vorratsdatenspeicherung. Einer von ihnen ist Björn Uhde. Er ging den Parteivorsitzenden in seinem Blog direkt an - und erhielt im Netz Unterstützung.

Von Axel Schröder | 23.07.2015
    Der SPD-Parteivorsitzende und Vizekanzler Sigmar Gabriel während des Parteikonvents in Berlin.
    Der SPD-Parteivorsitzende und Vizekanzler Sigmar Gabriel (picture alliance / dpa / Rainer Jensen)
    Als Treffpunkt hat Björn Uhde das Bobby Reich vorgeschlagen. Ein alteingesessenes Restaurant mit großer Terrasse direkt am Wasser, an der Hamburger Außenalster. Mit 15 ist Uhde in die SPD eingetreten. 20 Jahre ist das her. Sein Blogeintrag auf der Website meinespd.de ging SPD-Chef Sigmar Gabriel frontal an – und schlug Wellen in der SPD. Unter dem Titel "Zickzack no more" warf Uhde Gabriel Wankelmütigkeit vor, fehlende Geradlinigkeit bei politischen Themen. Ude hat ein Problem damit, wie der Parteichef die SPD in der Öffentlichkeit vorstellt – "wie willst Du einen Wahlkampf machen, wenn keiner mehr mit macht", hat er ihn in seinem öffentlichen Brief gefragt.
    Und? Hat sich Gabriel schon gemeldet?
    "Nein. Keine Reaktion vom Vorsitzenden."
    Jedenfalls keine direkte. Dafür musste sich Gabriel im Sommerinterview des ZDF die Zickzack-Kritik des einfachen Mitglieds Uhde aus dem SPD-Ortsverein Bad Segeberg anhören.
    "Dass es einen jungen Mann in Schleswig-Holstein gibt, der sich mit dem Parteivorsitzenden anlegt, das ist doch erst einmal was Gutes. Da will einer Auseinandersetzung."
    10.000 Internetnutzer unterstützen Uhdes Kritik
    Als Beispiele für dessen Zickzack-Kurs nennt Björn Uhde Gabriels unabgesprochenes Treffen mit Pegida-Anhängern oder seinen Wankelmut in Sachen Vorratsdatenspeicherung und Griechenland. Mehrere 10.000 Internetnutzer unterstützen Uhdes Kritik am SPD-Chef.
    "Für mich erschreckend an der ganzen Geschichte war, dass die Kritik an der Außendarstellung von Gabriel nicht auf dieser Ortsvereins-Ebene stehen geblieben ist. Sondern dass waren Leute, die aus zweiten Reihe da sind: Unterbezirksführer, Mitarbeiter von Landtagsabgeordneten, von Bundestagsabgeordneten. Die sehr, sehr kritisch mit Gabriel umgegangen sind."
    Viel kritischer als Uhde selbst. Recht gibt ihm auch Sebastian Haffke, stellvertretender Distriktvorsitzender aus Hamburg-Eppendorf. Er sitzt neben Björn Uhde, genießt den Blick über die Außenalster, auf die Kirchtürme und das prächtige Rathaus, in dem ein sehr erfolgreicher Sozi, Olaf Scholz, die Geschicke der Stadt lenkt:
    "Es geht mir einfach auf die Nerven. Und ich spüre auch, dass das bei den Genossen so ist. Wir sind müde! Man stellt sich bei Bundestagswahlkämpfen an die Stände und weiß nicht, was man den Leuten sagen soll. Wir können auch nicht transportieren, wie wir unsere politischen Ziele erreichen wollen. Die bleiben immer wieder im Unklaren, wir konzentrieren uns nicht. Und das ist besonders bitter, wenn man sieht, dass das in Hamburg ja funktionieren kann."
    "Die Linie fehlt!"
    Olaf Scholz hat den Genossen an der Elbe Ziele gegeben, ganz sozialdemokratische Ziele gegeben: Er treibt den Wohnungsbau voran, will Jugendliche und Migranten schneller in Arbeit bringen, will eine bessere Bildung für alle. Genau dieser einigermaßen klare Kurs fehlt auf Bundesebene, kritisiert SPD-Mann Haffke. Obwohl doch gerade in einer Großen Koalition solch ein Kurs dringend erforderlich sei:
    "Die Linie fehlt! Weil nicht dort sind, wo wir nicht hätten sein dürfen: beim Hökern um Einzelfragen: 'Ich gebe Dir das, dafür gibst Du mir das.' Das wird nicht wahrgenommen, das ist den Leuten dann egal. Dann spielt die Rente mit 63 keine Rolle mehr. Und dann ist auch irgendwie der Mindestlohn nur noch halb so schön."
    Neben Sebastian Haffke nickt Genosse Uhde, schaut nach unten auf die Tischplatte. Nicht nur Gabriels Zickzack-Kurs macht den Genossen Sorge, sondern auch die machtpolitische Perspektive der SPD. 2017 steht die nächste Bundestagswahl an. Und bislang sieht es so aus, als würde dann Sigmar Gabriel gegen die Kanzlerin antreten:
    "Darf ich was ganz Fieses sagen? Es ist auch wirklich nur eine kleine Gemeinheit. Ich habe gesagt: 'Ja gut. Dann ist das das Ende seiner Karriere als Parteivorsitzender.' Weil er dann verlieren wird, wird zurücktreten müssen."
    Glaube an den Vorsitzenden noch nicht aufgegeben
    Aber so weit ist es ja noch lange nicht. Vielleicht, das hoffen die beiden Sozialdemokraten an der Außenalster, vielleicht bringt ja Björn Uhdes Vorstoß genau die innerparteiliche Debatte in Gang, die die SPD so dringend braucht. Die helfen könnte, den Kurs der Partei zwischen einer weichgespülten CDU und einer gezähmten Linkspartei zu bestimmen. Den Glauben an ihren Vorsitzenden haben Uhde und Haffke keineswegs schon aufgegeben:

    "Es ist ja nicht so, dass ich sage, dass er in irgendeiner Weise unfähig ist. Auf keinen Fall! Der hat's drauf! Aber er muss halt Kurs halten."
    "Er muss nur zuhören! Muss da wieder lernen!"
    Und wenn es wieder mal drunter und drüber geht im Kabinett, wenn der Finanzminister wieder den Grexit fordert und außer Sigmar Gabriel kein Genosse Bescheid weiß, dann, so Björn Uhde, könne moderne Technik weiterhelfen:
    "Herrschaftszeiten! Dann macht halt eine WhatsApp-Gruppe. Wo man einfach mal reinpostet und sagt: 'Hey, wie schaut's aus? Hier ist gerade was los!' Und dann kann man sich auch abstimmen!"
    Es muss ja nicht gerade eine WhatsApp-Gruppe aller 450.000 SPD-Mitglieder sein. Vielleicht reicht es schon, auf diesem Weg die 193 Sozis im Deutschen Bundestag über unvorhersehbare Kurskorrekturen zu informieren.