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Kroatiens Adria (3/5)
Das Inselleben hat seine Tücken

Feuchte Seeluft und der Duft von Pinien und Kräutern - Losinj hat als Luftkurort eine lange Tradition. Dank der Touristen auf der Hauptinsel ist die Gemeinde eine der reichsten Kroatiens und kann Aufgaben übernehmen, die eigentlich Staatssache sind. Den Katamaran zum Festland etwa, ohne den nichts geht.

Von Grit Eggerichs | 27.06.2018
    Luftaufnahme von Mali Losinj, Stadt auf der kroatischen Insel Losinj in der Adria
    Luftaufnahme von Mali Losinj, Stadt auf der kroatischen Insel Losinj in der Adria (Imago)
    Die Bürgermeisterin trägt ein rosa Sakko und eine sehr große silberne Armbanduhr. Jahrelang war Ana Kučić parteilos, aber als sie sich zur Wahl stellte, da ist sie dann doch in die nationalkonservative HDZ eingetreten.
    "Die Kroatische Demokratische Union, Teil der Europäischen Volkspartei EVP." Die stärkste Kraft im kroatischen Parlament und in knapp der Hälfte aller Städte und Gemeinden. Sagt es und erklärt dann ausführlich die Vorzüge der Parteilosigkeit – gerade unabhängige Politiker könnten junge Menschen überzeugen, dass Politik machen, sich einmischen und für bessere Lebensverhältnisse kämpfen eine gute Sache sei.
    "Aber dann sind Sie Mitglied geworden?!"
    "Ja. Aber das heißt nicht, dass man dieselben Überzeugungen teilt, also dass ich immer denke, was die Partei denkt. Aber du bist handlungsfähiger, du kannst viel besser Projekte vorantreiben, hier vor Ort."
    Abhängig von Fähren und Booten
    Ana Kučić ist knapp 40 – und leitet eine Gemeinde, die zu den reichsten Kroatien gehört.
    "Sagen wir, es geht uns gut. Vielleicht ist es unangebracht, das zu sagen, wir sollten aber ehrlich mit uns sein: Es gibt Städte und Gemeinden, denen es deutlich schlechter geht als uns."
    20 Prozent des Bruttoinlandsprodukts Kroatiens kommt aus dem Tourismus. Den größten Anteil daran haben die Küste und die Adria-Inseln.
    "Wir sind eine Insel, aber das hat natürlich eine Kehrseite. Das Thema Gesundheit zum Beispiel: Wir haben hier ein kleines Krankenhaus, aber wenn man was Ernsteres hat, dann muss man nach Rijeka oder nach Zagreb. Außerdem sind wir völlig abhängig davon, dass Fähren und Boote fahren."
    Zwei Jahre lang war der Katamaran quer über die Bucht, mit Zwischenstopp in Mali Losinj, komplett ausgefallen. Der klamme Staat leistet sich 20 Ministerien, hatte aber keine Mittel übrig, um die Linie aufrecht zu erhalten. Also haben sich die betroffenen Kommunen zusammengeschlossen, um Geld dazuzugeben. Jetzt fährt der Katamaran wieder.
    "Wenn uns die Regierung in Zagreb nicht so fördert, wie wir es eigentlich bräuchten, dann können wir uns hinsetzen und weinen. Oder wir versuchen, selber was zu machen."
    "Es ist wirklich ein hartes Leben"
    Zur Gemeinde Mali Losinj gehören 8.000 Menschen. Im Hauptort wohnen die meisten: mehr als 6.000. Der Rest verteilt sich auf andere Orte und auf die Inseln Vele und Male Srakane, Ilovik, Susak und Unije.
    "Wenn man sich das Leben auf unseren kleineren Inseln ansieht, also das ganze Jahr, nicht nur im Sommer, sondern auch, wenn es regnet und stürmt, das ist wirklich ein hartes Leben."
    Die alte Fähre tuckert an Male Srakane vorbei – eine Insel so klein wie eine Schrebergartenkolonie. Zwei Menschen wohnen hier. Und weil sie dort auch bleiben sollen, hat die Gemeinde EU-Gelder beantragt, beim Bezirk gebettelt und der Insel für 200.000 Euro einen neuen Pier gebaut. In der Landeswährung Kuna ein Millionenbetrag.
    Die Fahrt nach Susak dauert zweieinhalb Stunden. Von weitem sieht die grüne Insel inmitten des unendlichen Blau des Meeres aus wie eine Fata Morgana. Ein paar Touristen sind an Bord, eine österreichische Familie, zwei Schreiner; Brötchenkisten, Bierkästen, Ziegel und Holzpfähle reisen mit.
    Nikola ist in Ilovik zugestiegen. Er hat zwei große Tüten mit Eiern dabei – auf Susak hält niemand Hühner. Auf Ilovik dagegen schon. Und Barbara, Lehrerin und Restaurantbesitzerin, kauft dort ihre Eier. Nikola fährt regelmäßig hin und bringt sie mit – er ist Ticketverkäufer der Reederei. Seine Frau Sandra kommt gerade aus der Post. Sie ist Postbotin und trägt einen Stapel Briefe in der Hand.
    Bugkorb eines Segelbootes auf der Adria vor der Küste der kroatischen Insel Susak
    Auf dem Weg zur grünen Insel Susak (Imago)
    Bei Gewitter kommt niemand weg von der Insel
    Fahrscheinverkäufer, Postfrau, Lehrerin und der Leuchtturmwärter – damit wären die Ganzjahresjobs auf der Insel schon aufgezählt.
    "Das Leben ist schwer hier. Das ist nicht so wie auf dem Kontinent. Wenn schlechtes Wetter ist, haben wir kein Schiff. Und dann gibt es mit allem Probleme."
    Dann kann man im Notfall ein Taxiboot mieten, das kostet 150 Euro die einfache Fahrt. Aber bei Gewitter, Sturm oder Starkregen kommt niemand von der Insel weg – auch nicht im Notfall.
    "Wenn ich kein gutes Wetter habe und kein Geld, kann ich nicht nach Mali Losinj fahren, ich bin hier tot. Und was kann man machen? Nichts. Katastrophe!"
    80 tapfere Ganzjahres-Insulaner auf Susak
    Restaurantbesitzer, Köchinnen, Kellner – sie alle arbeiten nur im Sommer. Wenn die Saison im Spätsommer endet, dann machen die Teilzeitinsulaner ihre Häuser und Restaurants winterfest, steigen auf die Fähre und kehren nach Zagreb, Graz, Ljubljana oder Rosenheim zurück. Zurück bleiben etwa 80 tapfere Ganzjahres-Susaker – und die leerstehenden Häuser. Viele sind eigentlich Ruinen.
    "Die haben keinen Briefkasten. Wo soll ich die Rechnungen lassen?" Sandra steigt Treppen und schmale Stiegen hoch und runter, sie läuft hin und her durch ein Labyrinth aus Gassen und Wegen, die alle "Susak" heißen. Die Häuser sind durchnummeriert. "Die Hausnummern: Es gibt 679."
    Viele Insulaner sind in den 60er/70er-Jahren nach Amerika ausgewandert. Die Susak-Community in New Jersey ist inzwischen zehnmal größer als die auf der Insel. In die vielen leeren Häuser sind auch Ausländer gezogen. Man hört Österreichisch, Slowenisch, Tschechisch. Aber die achten wenigstens auf einen ordnungsgemäßen Briefkasten, sagt Sandra.
    Manches geht eben doch voran auf der Insel Susak. Seit einigen Jahren gibt es eine Kanalisation. Und die Wasserschiffe kommen nicht mehr – denn Susak hat seit einem Jahr eine Entsalzungsanlage. Drei junge Familien sind hergezogen – deshalb gehen jetzt immerhin vier Kinder auf die Inselschule.