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Kronprinz Wilhelm im Porträt

Die elektronische Übermittlung von Bildern ist nicht erst seit Erfindung des Fernsehens ein wichtiges Kommunikationsmittel. Schon Anfang des 20. Jahrhunderts legte der deutsche Physiker und Mathematiker Arthur Korn mit seinen Entwicklungen zur Bildtelegrafie erste Grundlagen.

Von Andrea Westhoff | 17.10.2006
    Die letzten Minuten des Fußballspiels auf dem Handy live verfolgen, Urlaubsfotos per E-Mail aus Übersee schicken, Internetseiten in Sekundenschnelle runterladen - Übertragungstechniken in Wort und Bild machen rasante Fortschritte: War in den 80er Jahren noch das Faxen der große Renner - also das Verschicken von kompletten Schriftstücken, Zeichnungen und Bildern nicht per Post, sondern per Telefonleitung - wird es heute eher belächelt als uralte Technik.

    Und das stimmt sogar, denn die Anfänge reichen über 100 Jahre zurück. Maßgeblich entwickelt hat diese Technik der Physiker und Mathematiker Arthur Korn. In seinem Buch "Bildtelegraphie" schrieb er:

    "Wie es durch die Benützung der elektrischen Erscheinungen möglich geworden ist, in ganz außerordentlich kurzen Zeiten Buchstaben, Worte, Sätze usw. durch oberirdische Drahtleitungen und Kabel, sowie drahtlos durch die Luft zu übermitteln, so ist natürlich auch der Wunsch rege geworden, Bilder auf telegrafischem Wege in weite Fernen zu senden."

    Man brauchte dazu beim Sender und Empfänger zwei synchron laufende, elektrisch angetriebene Apparate, wie es sie in der Telegrafentechnik im Prinzip schon gab: Speziell für die Bildtelegrafie wurde beim Absender ein Foto als transparenter Film auf einen sich drehenden Glaszylinder gespannt und dann Zeile für Zeile und in winzig kleinen Schritten mit einem Lichtstrahl abgetastet - in Pixel zerlegt, würde man heute sagen. Im Innern des Zylinders befand sich ein reflektierender Spiegel, der das Licht auf eine Fotozelle warf.

    Korn machte sich hier die besondere Lichtempfindlichkeit des halbmetallischen Elements Selen zunutze. Die damit beschichtete Fotozelle konnte besonders viele Grautöne eines Bildes "erkennen" und in unterschiedlich starke elektrische Stromstöße umwandeln. Diese Stromstöße wurden per Leitung zum Empfänger gesandt und dort auf einen ebenfalls sich drehenden, mit einem lichtempfindlichen Film bespannten Glaszylinder geleitet. So wurde das Ausgangsbild Licht-Punkt für -Punkt und Zeile für Zeile wieder zusammengesetzt.

    Ein erster Versuch mit dieser Bildtelegrafie gelang zwar schon 1904, allerdings dauerte der noch 42 Minuten und brachte ein sehr verschwommenes Resultat. Arthur Korn schrieb daher auch, die Euphorie dämpfend:

    "Man kann von vornherein sagen, dass sich diese Methode praktisch nur verwirklichen lassen wird, wenn alle Funktionen im Geber und Empfänger automatisch mit genügender Präzision und Schnelligkeit verrichtet werden können."

    Korn und seinen Mitarbeitern an der Universität München gelang es rasch, sowohl die Sende- als auch die Empfangsapparate zu verbessern: Am
    17. Oktober 1906 sendete er ein recht klares Porträt des Kronprinzen Wilhelm über 1800 Kilometer. Die Übermittlung eines Fotos dauerte jetzt generell nur noch 10 bis 15 Minuten. Die Bildtelegrafie konnte in Serie gehen:

    "Die erreichten Resultate erregten das Interesse des Direktors der bekannten französischen Zeitschrift 'L'Illustration', und es wurde für den Herbst 1907 der Beginn einer regelmäßigen Bildübertragung zwischen Paris und London, und auch Berlin und Paris beschlossen."

    Im November 1907 schickten die Franzosen eine Aufnahme des Prinzen von Wales über ein Unterwasserkabel im Ärmelkanal von Paris nach London, und sie erschien am nächsten Tag in einer Vergrößerung im "Daily Mirror". Bald bedienten sich auch andere europäische und sogar amerikanische Zeitungen der Bildtelegrafie.

    "Wunder der modernen Wissenschaft!","

    titelte eine amerikanische Zeitung begeistert, als es mit der Kornschen Methode 1923 gelang, ein Bild Papst Pius XI. über den Atlantik zu senden, von Rom nach Bermudas Harbour in den USA.

    Aber nach Arthur Korns Willen sollte die Bildtelegrafie nicht nur der öffentlichen Schaulust dienen:

    ""Man kann den Steckbriefen von Übeltätern telegraphisch ihr Porträt beifügen; charakteristische bildliche Kennzeichen, Tatbestandsaufnahmen können mit übertragen werden."

    Tatsächlich veröffentlichte am 17. März 1908 der Londoner "Daily Mirror" das telegrafisch übermittelte Fahndungsfoto eines Mannes, der Tags zuvor in der französischen Hauptstadt Juwelen geraubt hatte. Ein Zeitungsleser identifizierte den abgebildeten Dieb, der daraufhin festgenommen werden konnte.

    1928 wurde Korns System erstmals bei einer staatlichen Behörde eingesetzt: Die deutsche Polizei begann, Fahndungsfotos und sogar Fingerabdrücke per Bildtelegrafie zu versenden. Für einen Großeinsatz bei der Jagd auf Flüchtige war die Technik allerdings immer noch zu aufwendig und zu teuer. Beinahe könnte man sagen: Zum Glück für Arthur Korn selbst! Denn mit Beginn der Nazi-Herrschaft wurde er wegen seiner jüdischen Abstammung verfolgt und floh mit seiner Familie aus Deutschland in die USA, wo er als hoch geehrter Professor bis zu seinem Tod 1945 lehrte und forschte.