Dienstag, 19. März 2024

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"Kroymann" im Ersten
Böse, zynisch, sehenswert

Vor 20 Jahren war sie die erste Frau mit eigener Satireshow im deutschen Fernsehen: die Schauspielerin und Kabarettistin Maren Kroymann. Mit "Kroymann" präsentiert sie ab dem 9. März im Ersten ihre neue Sendung: anarchisch, feministisch und alles andere als politisch-korrekt.

Von Achim Hahn | 09.03.2017
    Porträt der Schauspielerin und Kabarettistin Maren Kroymann.
    Maren Kroymann schreckt in ihrer neuen Satireshow "Kroymann" nicht davor zurück, sich auch über Minderheiten lustig zu machen. (dpa/picture alliance/Patrick Seeger)
    "Ich glaube, ich habe psychologische Probleme."
    "Wer hat die nicht, fragen Sie mal die Frau Stratmann. Oh weia."
    "Ich mache eine neue Sendung und da ist der Druck natürlich enorm."
    Zumal sie mit "Nachtschwester Kroymann" die Erste war, die als Frau im Ersten eine eigene Satiresendung bekam. Das war vor gut 20 Jahren schon etwas Besonderes. Heute dagegen:
    "Nennen Sie mir eine Frau, die komisch ist?!"
    "Anke Engelke." - "Noch eine." - "Caroline Kebekus." - "Noch eine." - "Cordula Stratmann." - "Noch eine." - "Martina Hill. Annette F..." - "Frau Kroymann, ich möchte mit Ihnen nicht über meine Patientinnen sprechen. Ich denke, das hätte ich eben geklärt."
    Gleich fulminant selbstironisch und offenbar immer noch aktuell - als Einstieg in "Kroymann": der Besuch bei Annette Frier als Therapeutin. Und von da an geht's Schlag auf Schlag. Fünf satirische Sketche, unterbrochen durch die Streiflichter dieser psycho-animierten Therapiesitzung. 28 Minuten, keine davon langweilig und alles andere als politisch korrekt. Eine Ehrensache für Maren Kroymann.
    "Dafür kann man Frauen wie Ihnen und der Frau Schwarzer nur dankbar sein. Aber ham Sie nicht manchmal das Gefühl, dass man das Kämpfen jetzt den jüngeren Frauen überlässt?" - "Und dann?" - "Und dann können Sie früher ins Bett und Frau Schwarzer hat Zeit, mit ihrem Steuerberater reden." - "Ich will nicht ins Bett, ich will auf die Straße."
    Das altersbedingte Gravitationsdilemma
    Maren Kroymann und das Alter, das Schwul- und das Lesbisch-Sein sowie der neu-feministische Protest-Ansatz von Femen, wo sie sich als betagte Aktivistin mit intellektuellem Anspruch, aber auch mit dem Nachteil des altersbedingten Gravitationsdilemmas bewirbt:
    "Na ja, Sie entsprechen nicht unbedingt dem nötigen Look-and-Feel von Femen!"
    So schlüpft sie in die unterschiedlichsten Frauenrollen, auch in die von Erika Steinbach.
    "Kein Grund gleich so zickig zu werden. Ich dachte Leute wie Sie haben mehr Humor, so wie der Thomas Hermmans, Ralph Morgenstern oder Hella von Sinnen. Oder der Günter Jauch." - "Tschuldigung, aber ich glaube nicht, dass der Ralph Morgenstern schwul ist, oder?"
    Sie spitzt die Situationen herrlich gekonnt zu und führt die alltäglichen Grenzerfahrungen in aller Absurdität ihrer pointierten Bestimmung zu.
    "Einige haben sogar Transparente mit meinem Namen hochgehalten." - "Toll. Wo beginnt der Albtraum?" - "Na ja. Ich war die Vertreterin der AfD." - "Und im Publikum gab's niemanden, der gegen Sie war?" - "Es war das klassische ARD-Publikum. Alle über 60."
    Sketch-Comedy vom Feinsten
    Sketch-Comedy, bis auf diesen Begriff wieder mal wegweisend von Radio Bremen ins Erste gebracht. Denn die haben sich die Bildundtonfabrik als Produktionspartner ins Boot geholt. Derzeit wohl eine der innovativsten Fernsehformatschmieden, man denke nur an das "Neo Magazin Royale" oder "Die unwahrscheinlichen Ereignisse im Leben von ... ". - Wir kommen zur Bewerbung um einen Vorstandsposten:
    "Wir haben hier zwei Kandidaten mit je einer Behinderung." - "Ja, warum sollten wir Sie einstellen?" - "Na ja, Sie haben es ja gesagt: Ich bin eine Frau." - "Frau Dr. Bartels, das reicht hier und heute nicht aus." - "Aber ich bin eine Frau und lesbisch." - "So lesbisch? Das ist ja großartig." - "Dr. Brandt?" - "Mein Großvater war Jude." - "Auschwitz oder Theresienstadt?" - "Theresienstadt." - "Ha. Ist natürlich nicht die volle Punktzahl. Aber immerhin." - "Ist ja wohl absolut geschmacklos, was Sie hier veranstalten."
    Und böse, zynisch, selbstironisch, mit gelegentlichen Seitenhieben auf die öffentlich-rechtlichen Sendeanstalten. Kurz "Kroymann" ist eine der interessantesten Sketch-Satiresendungen, die es in letzter Zeit zu sehen gab. Anarchisch und feministisch, ganz in der Tradition von "Nachtschwester Kroymann", dem legendären Satireformat, mit dem sie eben vor gut 20 Jahren brillierte - bevor die Sendung abgesetzt wurde, trotz guter Quoten.
    Absolut sehenswert
    Headautor Sebastian Colley hat mit seinem Team, darunter auch Maren Kroymann selbst, gute Arbeit geleistet und mit dem Schlussvideo vorab bereits die jugendliche Facebook-Gemeinde über 800.000 Mal auf die wahren Machtverhältnisse im Land eingestimmt: Prädikat: absolut empfehlenswert. Sollte in Serie gehen!
    "Wir sind die Alten! Ihr denkt zwar, ihr seid die Geilsten, aber wir sind die meisten. Wir sind die Alten! Ihr wollt was verändern, doch die Welt gehört den Rentnern."