Dienstag, 19. März 2024

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Kuba im Umbruch
Von Fidel keine Spur

Seit Fidel Castros Bruder Raúl die Amtsgeschäfte als Staatschef übernommen hat, verändert sich Kuba spürbar. In kleinen Schritten öffnet sich das Land immer mehr. Vom "Maximo Líder" Fidel, der heute 88 Jahre alt wird, spricht auf den Straßen Havannas niemand mehr.

Von Henning von Löwis | 13.08.2014
    Fidel Castro
    Fidel Castro (Archivbild) (Deutschlandradio / Henning von Löwis)
    "Das ist der Parque Central aus den Siebzigerjahren des 19. Jahrhunderts. In der Mitte des Parks unser Nationalheld José Martí. Der war ein Befreier, von Beruf Dichter."
    Das Denkmal von Nationalheld José Marti im Parque Central gehört zum Pflichtprogramm jeder Stadtführung in Havanna.
    Revolutionsheld Fidel Castro, der heute 88 wird, ist nirgendwo in Havanna zu besichtigen. Es existiert keine Castro-Statue. Auch in den Souvenirshops keine Spur des einstigen Maximo Líder. Che Guevara an jeder Ecke - auf T-Shirts, Geldbörsen, Magneten. Es gibt so gut wie nichts, was nicht mit dem Konterfei Ches zu haben ist. Aber Fidel? Fehlanzeige! Eine Fidel-Castro-Straße findet sich im namibischen Windhoek, jedoch nicht in Havanna.
    Das Denkmal von José Martí in Havanna.
    Das Denkmal von José Martí in Havanna. (Deutschlandradio / Henning von Löwis)
    Und da die exzellent geschulten Stadtführer von "Cubatour" oder "San Cristobal" nichts von ihm zeigen können, lassen sie Fidel kurzerhand links linken, beantworten allenfalls die von Ausländern immer wieder gestellte Frage: Lebt er noch?
    Ja, er lebt noch, sagt Rolando - und lenkt die Aufmerksamkeit umgehend auf eine Sehenswürdigkeit.
    "Schauen Sie, die Fledermaus - das Zeichen von Bacardi. Der Palast hinter dem Hotel Plaza ist der Palast der Bacardi-Familie in Havanna aus den Zwanziger-, Dreißigerjahren, also nicht die Rum-Fabrik, sondern der Palast, wo die Familie in Havanna gewohnt hat."
    Wo Fidel Castro wohnt, seinen Lebensabend verbringt, das vermag kein Normalsterblicher in Havanna zu sagen. Nur illustren Staatsgästen wie jüngst Wladimir Putin und Xi Jinping wird das Privileg einer Begegnung mit dem greisen Revolutionsführer zuteil.
    Wäre Fidel Castro noch mobil, er würde sich die Augen reiben in Havanna.
    Kempinski, Internetcafés und Facebook
    Direkt am Parque Central, von einem hohen Bauzaun umgeben: Ein monumentales Gebäude, das in Havanna immer schon aus dem Rahmen fiel - verlaufen doch durch die 1890 errichtete Manzana de Gómez diagonal zwei Fußgängerwege. Die sollen integriert werden in Kubas künftiges Top-Hotel, das zur Zeit hier entsteht. Das Fünf-Sterne-Hotel mit 200 Zimmern, Swimmingpool, Aussichtsterrasse und luxuriöser Präsidenten-Suite gehört zum kubanischen Tourismusunternehmen Gaviota. Betreiber der Nobelherberge wird jedoch die Schweizer Hotelkette Kempinski sein.
    Das "Kempinski Havanna" wird das Glanzlicht sein in einer Hotellandschaft, in der in den Fünfzigerjahren errichtete Mafia-Hochhäuser immer noch eine wichtige Rolle spielen. Solange Fidel Castro am Ruder war, wurde in Havanna kein einziges Fünf-Sterne-Hotel errichtet.
    Das pompöse Capitolio - eine Kopie des Kapitols in Washington - wurde nach dem Sieg der Revolution 1959 als Museum und Ministerium genutzt. Nach umfassender Renovierung soll es schon bald wieder Sitz der kubanischen Volksvertretung sein - der Asamblea Nacional del Poder Popular.
    Unweit des Kapitols wurde kürzlich Modas Café eröffnet - Kubas erstes Wi-Fi-Restaurant. Das, was sie essen und trinken möchten, wählen die Gäste auf einer digitalen Speisekarte aus.
    Edificio Bacardi
    Edificio Bacardi (Deutschlandradio / Henning von Löwis)
    Wer irgendwie Zugang zum Internet hat auf Kuba, meldet sich bei Facebook an. Alle wichtigen kubanischen Medien zeigen hier Flagge. Auch Ministerien und Mitarbeiter staatlicher Einrichtungen haben keinerlei Berührungsängste gegenüber der US-amerikanischen Internet-Plattform.
    "Alles umgestalten, was umgestaltet werden muss"
    Ohne das autoritäre System und die führende Rolle der KP Kubas infrage zu stellen, setzt Raúl Castro behutsam, aber unübersehbar Akzente, bemüht sich verkrustete Strukturen aufzubrechen, alte Zöpfe - wenn es sein muss - abzuschneiden. Sein Amtsvorgänger Fidel lässt den Bruder offenbar gewähren, ohne sich in die Tagespolitik einzumischen.
    Fidel kommentiert - und kritisiert - Israels Kriegsführung in Gaza, Raúl kümmert sich indessen, um das, was unter dem Motto "Aktualisierung des Wirtschaftsmodells" läuft. Die Marschrichtung sei klar, wie René Mujica Cantelar - Kubas Botschafter in Deutschland - bemerkt:
    "Es ist erforderlich, alle Bereiche unserer Gesellschaft zu verändern, die verändert werden müssen, so Präsident Raúl Castro - alles umzugestalten, was umgestaltet werden muss."