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Kümmel
"Entweder man mag den Geschmack oder nicht"

Kümmel macht schwer verdauliche Gerichte bekömmlicher und ist deshalb bei einer ganzen Reihe von Rezepten nicht mehr wegzudenken. Kümmel kann aber mehr als nur würzen – er wirkt auch bei Verdauungsproblemen und hat weitere heilende Kräfte. Das Problem: Kümmel schmeckt nicht jedem.

Von Renate Rutta | 29.12.2015
    Ein mit Kümmel gefüllter Sack ist am 13.10.2015 im Gewürzmuseum in Kulmbach (Bayern) zu sehen.
    Ein mit Kümmel gefüllter Sack (picture alliance / dpa / Nicolas Armer)
    "Ich mag Kümmel gerne in Roggenvollkornbrot. Meine Familie schimpft allerdings immer mit mir und fragt dann: Hast du wieder dieses Brot mit Kümmel gekauft?"
    "Ja, ich mag sehr gerne Kümmel, in Kohlgerichten, in Brot und ansonsten eigentlich auch zum Kochen, zum Beispiel wenn ich Kartoffeln koche, Pellkartoffeln, tue ich immer Kümmel ins Kochwasser."
    "Ja, in Soßen zum Beispiel und ansonsten mag ich ihn nur, wenn er nicht zu stark rauskommt.
    Mein Vater und mein Opa sind sehr große Kümmelliebhaber, die schmecken jede kleinste Dosis tatsächlich raus."
    "Nein, Kümmel. Es gibt gewisse Sachen, die mag ich nicht: Kümmel, Kokos gehört dazu. Ansonsten bin ich sehr experimentierfreudig. Kümmel nicht."
    Am Kümmel scheiden sich die Geister – entweder man mag den Geschmack oder man kann ihn nicht ausstehen. Dabei wird er schon sehr lange genutzt auch wegen seiner Heilkraft. Kümmel gilt als eine der ältesten Arzneipflanzen Europas.
    "Der Kümmel ist wahrscheinlich eine der ältesten, vielleicht sogar die älteste Arzneipflanze und Gewürzpflanze in Europa. Sie wurde auch in Deutschland schon in steinzeitlichen Siedlungen wie zum Beispiel den Pfahlbauten am Bodensee gefunden, hat also schon eine riesige Tradition, zumal wir ja nicht so viele einheimische Pflanzen haben auf diesem Gebiet."
    Eine Heilpflanze mit langer Tradition
    Doktor Johannes Mayer vom Studienkreis Entwicklungsgeschichte der Arzneipflanzenkunde an der Universität Würzburg. Dieser Studienkreis hat Kümmel zur Arzneipflanze des Jahres 2016 gewählt. Eine Heilpflanze mit langer Tradition.
    "Die Schule von Salerno, die im 12. Jahrhundert die wichtigste Medizinschule in ganz Europa war, hat den Kümmel bereits zur Stärkung der Verdauungskraft oder auch gegen Blähungen eingesetzt und empfohlen."
    Auch Hildegard von Bingen hat im Mittelalter Kümmel bei schwer verdaulichen Speisen wie alten harten Käse empfohlen.
    "Außerdem war der Kümmel auch ein sogenanntes Galaktagogum, das heißt ein Mittel gegen die ausbleibende Muttermilch."
    Auf das Öl kommt es an
    Kümmel ist eine zweijährige Pflanze mit weißen Doldenblüten, die in Europa, Asien und Nordafrika auf Wiesen und Wegrändern wächst. Die wirksamen Inhaltsstoffe stecken in den Kümmelfrüchten. Verwendet werden ausschließlich diese kleinen braunen Früchte, die eine harte Schale haben, in der ätherisches Öl enthalten ist. Auf dieses Öl kommt es an. Man sollte die Kümmelfrüchte mit einem Mörser oder einem Löffel zerstoßen, bevor man sie ins Essen gibt, nur dann kann das Öl in die Speise gelangen und seine Wirkung richtig entfalten.

    "Allein durchs Kochen werden nämlich diese Ölbehälter nicht geöffnet. Und dann ist es wichtig, dass man die Kümmelfrüchte nicht zu früh ins Essen gibt, sondern relativ spät, weil sonst das ätherische Öl verdampft durch das Kochen. Ätherisches Öl ist immer sehr leicht flüchtig und dann hat man es eben im Dampf drin und nicht in der Speise."

    Die Früchte sind im Hochsommer reif, im Juli, August können sie geerntet werden. Für die Früchte hat das ätherische Öl eine besondere Funktion.
    "Ätherisches Öl hat praktisch immer eine antibakterielle Wirkung, deshalb ist es nämlich in diesen Früchten drin. Das soll die Früchte davor schützen, dass zum Beispiel Bakterien die Früchte zerfressen, bevor sie wieder selber samen können."
    Diese antibakterielle Wirkung tritt auch im Darm des Menschen auf, wenn er Kümmel isst.
    "Das kann sich zum Beispiel da auswirken, dass man pathogene Keime, die sich im Darm angesiedelt haben, damit bekämpfen kann, ohne dass es einen negativen Effekt auf die normale Darmflora hat.
    Und außerdem kann das Öl auch den Schaum abbauen, der zum Beispiel für Blähungen verantwortlich ist. Außerdem wird obendrein die Oberflächenspannung des Magen- und des Darmsaftes heruntergefahren, sodass wir auch hier eine entblähende Wirkung haben. Also der Kümmel ist eines der stärksten Mittel gegen Blähungen, die wir kennen."
    Den Magensaft anregen
    Im ätherischen Öl ist vor allem das sogenannte Carvon für die Wirkung verantwortlich. Dieser Inhaltsstoff bewirkt noch mehr beim Menschen. Er hat auch eine appetitanregende Wirkung, denn das ätherische Öl reizt die Schleimhäute und dadurch wird der Speichelfluss erhöht: Das Wasser läuft einem im Mund zusammen.
    "Aber auch der Fluss des Magensaftes wird angeregt, sodass wir eine erhöhte Anzahl von verdauungsfördernden Stoffen zur Verfügung haben. Außerdem reizt das ätherische Öl die Magenschleimhäute und Darmschleimhäute zu einer stärkeren Bewegung, sodass die Bewegungen des Verdauungstraktes stärker sind, was auch eine verdauungsfördernde Wirkung hat, was auch schon den Appetit anregt. Wenn uns sprichwörtlich der Saft im Mund zusammenläuft, dann ist das die appetitanregende Wirkung, die der Kümmel auslösen kann."
    Wie kann man sich diese vielfältigen Wirkungen des Kümmelöls zunutze machen? Es gibt drei Anwendungsmöglichkeiten. Als Gewürz beim Kochen, als Kümmeltee und als Medikament in Form einer magensaftresistenten Kapsel.
    Professor Ahmed Madisch, Chefarzt Gastroenterologie am Klinikum Siloah-Oststadt-Heidehaus in Hannover schildert, dass Kümmelöl auch bei Reizdarmbeschwerden hilft.
    "Reizdarm kann unterschiedliche Beschwerden haben. Es gibt unterschiedliche Subgruppen von Patienten, bei den einen ist der Schmerz im Vordergrund, bei den andern Stuhlunregelmäßigkeiten, Verstopfung, Durchfall und wiederum bei den nächsten ist es eben die Blähung, sind es die Krämpfe im Bauch und die behandelt man mit Kümmelöl."
    Um überhaupt im Darm anzukommen, muss das Kümmelöl in magensaftresistente Kapseln verpackt werden.
    "Es gibt ja konfektionierte Medikamente mit einem Extrakt aus Kümmelöl – meist in Kombination mit Pfefferminzöl – und die Kapseln sind so zubereitet, dass sie sich erst im Dünndarm und im Dickdarm auflösen und nicht im Magen und können dort im Dünn- und Dickdarm auch ihre Wirkung entfalten."
    Studien konnten zeigen, dass diese Medikamente Schmerzen und Völlegefühl lindern und Blähungen und andere Beschwerden reduzieren.
    "Erst kürzlich hat die Europäische Arzneimittelbehörde im Oktober die Daten der letzten 30 Jahre zum Wirkstoff Kümmelöl bewertet und bestätigt die Wirkung gegen Blähungen und Völlegefühl."
    Auch beim Reizmagen hat sich die Anwendung von Kümmelöl bewährt.
    "Die funktionelle Dyspepsie ist ein Synonym für das Reizmagensyndrom und hier gibt es zahlreiche Placebo- kontrollierte Studien, die die Wirksamkeit der Kombination Kümmelöl / Pfefferminzöl signifikant gezeigt haben und deswegen ist es in den Leitlinien empfohlen, die Behandlung des Reizmagensyndroms mit Kümmelöl und Pfefferminzöl."
    Ein Tee-Tipp
    Wer statt der Kapseln einen Kümmeltee zubereiten möchte – hier ein Tipp von Doktor Mayer und dann: guten Appetit.
    "Für eine Tasse Kümmeltee zur Förderung der Verdauung oder nach dem Essen zur Vorbeugung von Blähungen nimmt man ein bis zwei Teelöffel Kümmelfrüchte, zerstößt sie vorher mit einem Mörser oder mit einem Esslöffel kann man die auch zerdrücken und gibt den in eine Tasse kochendes Wasser und lässt ihn zugedeckt fünf Minuten ziehen. Das ist ganz wichtig, dass er zugedeckt wird, weil sonst das ätherische Öl durch die Hitze aus der Tasse entweichen würde."