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Kündigungswelle im Zeitschriftenregal

Die Universität Dortmund hat im großen Stil Abonnements für wissenschaftliche Zeitschriften gekündigt. Grund sind offenbar die enormen Preissteigerungen der Verlage. So wurden Fachblätter im Wert von 300.000 Euro abbestellt. Nicht nur Dortmund kündigt, auch die Universität Duisburg-Essen und die Ruhruniversität Bochum haben in allen Bereichen der wissenschaftlichen Zeitschriften Abonnements gestrichen. Die Wissenschaftler sind am meisten von den Kürzungen betroffen und dementsprechend verärgert.

Von Hilde Braun | 20.07.2007
    Für das Jahres Abonnement einer naturwissenschaftlichen Zeitschrift könnte man sich ein neues Auto kaufen. So kostet beispielsweise die Chemie Zeitschrift Tetrahedron über 17.000 Euro im Jahr. Zum Vergleich: Geisteswissenschaftliche Magazine kosten in 52 Ausgaben nur 50 bis 100 Euro. Mediziner und Naturwissenschaftler leiden am meisten unter den Kündigungen. Ihre Zeitschriften sind die teuersten. Martin Sauerhoff, ist wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Universität Dortmund im Bereich Informatik.

    " Man kann jetzt nicht mehr so wie man das früher gewohnt war einfach in die Bücherei gehen, stöbern, sich neue Anregungen geben lassen, dass man jetzt etwas sieht, was man gar nicht vorher gesucht hätte ...... und es ist auch Ärger dabei, wenn sieht, was die Zeitschriftenverlage so verdienen an unserer Arbeit. "

    Die Universität Dortmund hat für 300.000 Euro Zeitschriftenabonnements gekündigt. Die Universität Duisburg Essen hat ebenfalls 10 bis 20 Titel storniert. Auch in der Universitätsbibliothek in Bochum wurden in allen Fachbereichen Abbestellungen bei den Zeitschriften vorgenommen. Als Grund geben die Hochschulen die kleinen Etats und die enormen Preissteigerungen der Verlage an. Jährlich sind das zwischen sechs und zehn Prozent. Sigurd Praetorius ist Bibliotheksdirektor der Universität Duisburg Essen:

    " Wir beobachten, dass eine sehr starke Konzentration auf dem Verlagsmarkt stattfindet. Einige international agierende Verlage habe sehr viele andere Verlage aufgekauft in den letzten Jahren und ich denke schon, dass diese Marktmacht auch ausgenutzt wird um die Preise nach oben zu treiben. "

    Die Universität Dortmund schätzt, dass in Zukunft noch mehr Fachblätter abbestellt werden müssen. Schon jetzt gehen von den 2,4 Millionen Euro, die für Ausgaben zur Verfügung stehen, 1,4 Millionen Euro für Zeitschriftenabonnements weg. Die Hochschulen sind bereits dazu übergegangen einige Broschüren ausschließlich online anzubieten, doch auch das verkaufen die Verlage hochpreisig; bietet also kaum Einsparmöglichkeiten. Marlene Nagelsmeyer-Linke ist Direktorin der Universitätsbibliothek in Dortmund und setzt auf Ideen der Hochschule:
    " Wir haben einen Zeitschriften Inhaltsdienst entwickelt, wo wir von 16.000 Zeitschriften die Inhaltsverzeichnisse in elektronischer Form anbieten, man kann dann direkt über das Inhaltsverzeichnis die Aufsätze bestellen, und das ist natürlich auch ein Ersatz für die Zeitschrift aber wird trotzdem nicht als vollwertig angesehen. "

    Lediglich das Inhaltsverzeichnis mit den Überschriften der Artikel ist dabei zu sehen. Die Universität kann nur einzelne Artikel nachbestellen. Zudem sind sie meist erst in einigen Tagen verfügbar. Für die Wissenschaftler keine wirkliche Alternative, aber billiger für die Hochschule, denn ein einzelner Artikel kostet 30 Dollar, die ganze Zeitschrift bis zu 1000. Grundsätzlich ärgert die Wissenschaftler aber das System der Veröffentlichungen in den Fachblättern. Die Zeitschriften kosten Geld, obwohl die Verlage den Wissenschaftlern für den Abdruck ihrer Artikel nichts bezahlen. Sigurd Praetorius:

    " Die Veröffentlichung von Zeitschriftartikeln wird nicht honoriert, auch die Qualitätsprüfung, welcher Zeitschriftenartikel zur Veröffentlichung die passende Qualität hat, wird in der Regel von den Wissenschaftlern ohne Honorierung durchgeführt. "

    Für die Wissenschaftler ein Dilemma. Denn 1. Ziel für sie ist es in Fachzeitschriften zu veröffentlichen um Renommee zu gewinnen - auch wenn sie damit kein Geld verdienen. Ein Ausweg aus dieser paradoxen Situation könnte das so genannte Open Access sein, der offene Zugang zu wissenschaftlichen Artikeln. Dabei veröffentlichen Wissenschaftler kostenfrei zum Beispiel im Internet - ihre Kollegen können die Artikel kostenfrei einsehen. Denn die Rechte an den Publikationen müssen die Wissenschaftler nicht komplett an die Verlage abgeben. Die Universität Duisburg Essen stellt für Open Access bereits eine elektronische. Kommunikationsplattform innerhalb der Hochschule zur Verfügung. Martin Sauerhoff nennt ein Beispiel:

    " Es gibt eine Online-Komplexitätstheoriezeitschrift, die wird auch von ganz vielen namhaften Komplexitätstheoretikern, die vorher bei anderen Zeitschriften waren begutachtet, das ist halt eine Möglichkeit und da gibt es auch viele interessante Arbeiten, die da schon eingereicht worden sind, die sind dann halt schon mal nicht bei irgendwelchen für Geld zu habenden Zeitschriften gelandet. Das ist sicherlich auch eine Folge von dem ganzen System. "