Dienstag, 19. März 2024

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Künstler im Exil
"Praktisch alle wollen zurück nach Syrien"

Das Goethe-Institut eröffnet in Berlin für zwei Wochen einen Kunstraum für syrische Musiker, Filmemacher, Schriftsteller und Fotografen. Man wolle damit den Künstlern im Exil einen Anlaufpunkt geben, sagte Björn Luley, ehemaliger Leiter des Goethe-Instituts in Damaskus, im DLF.

Björn Luley im Gespräch mit Beatrix Novy | 20.10.2016
    Pressekonferenz zum Projekt "Goethe-Institut Damaskus im Exil"
    Pressekonferenz zum Projekt "Goethe-Institut Damaskus im Exil" (dpa/ picture alliance/ Sophia Kembowski)
    Beatrix Novy: Das Goethe-Institut in Damaskus ist eines der ältesten überhaupt. Die Einrichtung entstand, als Deutschland nach dem Krieg versuchte, wieder Anschluss an die Welt zu finden. In der arabischen Welt war zunächst Kairo ein Stützpunkt, 1955 begann das Goethe Institut seine Arbeit in Damaskus. Heute, 61 Jahre danach, gibt es das Institut dort nicht mehr, schon seit Anfang 2012 ist es geschlossen. Und viele, die mit ihm verbunden waren, leben derzeit in der Bundesrepublik: geflüchtet vor dem Krieg, der Kulturarbeit unmöglich machte. Auch viele syrische Künstler sind darunter, einige von ihnen kann man jetzt kennenlernen in einer Art Mini-Goethe in Berlin. Heute Abend eröffnet in einem leerstehenden Ladenlokal der temporäre Kunstraum Goethe-Institut Damaskus, zwei Wochen lang zeigen dort syrische Künstler ihre Arbeiten; da wird es naturgemäß auch um Themen von Flucht, Heimat, Identität gehen. Björn Luley war bis kurz vor der Auflösung der Leiter dieses Instituts in Damaskus – er erklärt den Sinn des temporären Kunstraums.
    Björn Luley: Wir haben mit den Universitäten zusammengearbeitet in Damaskus, beispielsweise die Architekturfakultät und die Kunstfakultät. Unsere wichtigsten Partner waren: Wir haben im Musikbereich mit der Musikhochschule zusammengearbeitet, mit Theaterinstitutionen, Schriftstellern, im Filmbereich mit jungen Filmemachern, Fotografen et cetera und ihnen in diesem diktatorischen Ambiente Syriens mehr oder weniger einen Freiraum bieten können, in dem man auch jungen Künstlern eine Chance gibt, sich zum ersten Mal zu präsentieren und auch Filme zu zeigen, die es nicht im Kino gibt oder an die sie sonst nicht rankommen.
    Künstlern wurde "der Boden unter den Füßen weggezogen"
    Novy: Nun sind viele von diesen jungen Künstlern nicht mehr dort, gehören zu der Unzahl von Geflüchteten, die weg mussten, und wollen jetzt zeigen, was sie dort gemacht haben, und das wenigstens für eine ganz kurze Zeit ein bisschen hier fortsetzen. Was soll das eigentlich bezwecken? Wie nachhaltig oder langfristig kann das Nutzen haben?
    Luley: Wenn man weiß, dass es eigentlich ganz, ganz furchtbar ist, wenn man aufgrund der Umstände gezwungen ist, sein Land zu verlassen und seinen Wirkungskreis - und das ist gerade bei Künstlern so -, dass ein arabischer Theatermensch, der für ein arabischsprachiges Publikum gearbeitet hat, aus diesem Kulturkreis rausgerissen zu werden, einfach um sein Leben zu retten, und beispielsweise nach Deutschland flieht, dem ist ja erst mal der Boden unter den Füßen weggezogen worden, weil er sein Publikum nicht mehr hat, und ein Künstler arbeitet natürlich auch für ein Publikum. Und was das Goethe-Institut versucht mit diesem Projekt ist, diesen hier im Raum Berlin lebenden syrischen Künstlern im Exil einen Anlaufpunkt zu geben, wo sie mit deutschen Partnern diskutieren können auch über das, was zu tun ist, wenn sie wieder zurückkommen können. Ich glaube, man kann davon ausgehen, dass praktisch alle Künstler, sobald die Situation es erlaubt, wieder natürlich zurück nach Syrien wollen, um ihre Arbeit fortzusetzen.
    Austausch mit Syrern und Deutschen
    Novy: Wie viele machen da mit?
    Luley: Es sind, glaube ich, um die 30, 35 Künstlerinnen und Künstler aus allen Bereichen, Musiker, am Sonntag ist ein großes Konzert mit einem der bekanntesten jungen Klarinettisten, der in Syrien ausgebildet wurde, schon vor Beginn des Aufstandes 2011 in New York lebte, aber doch alle die Jahre immer mehrmals zurück in seine Heimatstadt Damaskus kam und ein großes Publikum hatte. Es sind Filmemacher, die ihr Land verlassen haben und die auch, bevor sie weggegangen sind, die Kriegssituation versucht haben, in Bilder zu fassen. Es sind Schriftsteller, die versuchen, das literarisch umzusetzen und einen Verlag zu finden. Jetzt kann man natürlich diese relativ kleinen Örtlichkeiten dieses Ladenlokals nicht sehen als eine Ausstellungshalle. Dazu ist einfach gar kein Platz. Aber es gibt Treffen von syrischen Künstlern mit deutschen Künstlern und auch hier lebenden Syrern, um zu besprechen, was können wir tun, wenn wir wieder zurück in unsere Heimat können.
    Novy: Nicht westliche Kunst, die im Westen erfolgreich ist, ist ja meistens auch westlich mitgeprägt. Können Sie sich vorstellen, dass auch die syrischen Flüchtlinge aus ihren Container-Heimen kommen und Verständnis für die Kunst ihrer Landsleute bekunden werden?
    Luley: Es sind sicherlich viele von denen, die unsere Veranstaltungen zum Beispiel in Damaskus und in Aleppo, wo wir ja Anfang Dezember 2010, also vier Monate vor Ausbruch des Aufstandes ein Goethe-Institut eröffnet haben. Die vielen Besucher unserer Veranstaltungen werden sicherlich auch Besucher werden dieses Goethe-Instituts Damaskus im Exil.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.