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Künstlerin Mary Bauermeister
"Ich habe ein Bedürfnis nach Schönheit"

Mary Bauermeister ist ein international gefeierter Kunststar. Sie gilt als Mitbegründerin der Fluxus-Bewegung. In Bergisch Gladbach ist jetzt eine große Werkschau mit Arbeiten aus sechs Jahrzehnten zu sehen.

Von Peter Backof | 12.12.2017
    Mary Bauermeister schaut in die Kamera, links und rechts von ihrem Gesicht befinden sich transparente Scheiben, in denen sich ihr Gesicht spiegelt
    Mary Bauermeister: immer noch mit Neugier und Entdeckertrieb Künstlerin (Mary Bauermeister © VG BILD-KUNST Bonn, 2017/ Foto: Thomas Köster)
    "Ich habe in meinem Atelier immer ein Steinbild liegen; und wenn ich Geduld und Ruhe brauche, setze ich mich an das Steinbild und mache die nächste Reihe. So und jetzt machen wir ein Interview."
    Und dann begegnet man der quirligen, nimmermüden Künstlerin, Mary Bauermeister, geboren 1934, die dazu als Urheberin auf den ersten Blick gar nicht zu passen scheint. So gut das in ihrem Alter noch geht, ist sie immer noch Wirbelwind und Energiebündel.
    "Die Steine ordnen sich meinen Prinzipien unter. Wenn ich Chaos in meine Bilder bringe, ist das immer gefesselt, gebannt. Mein Mann hat immer gesagt: Mach doch mal einen schwarzen Schmier' in das schöne Bild! - Nee, kannst Du machen, in der Musik, mache ich nicht! Das ist richtig: Ich habe ein Bedürfnis nach Schönheit."
    "Wenn man als Frau etwas Neues macht, ist das keine Kunst"
    "Zeichen, Worte, Universen" heißt die Werkschau der als Fluxus-Pionierin berühmten Mary Bauermeister, die immer wieder anders in ihrer Karriere Stein, Glas und Textilien kombiniert hat; und variiert wie die Parameter der Musik ihres Manns Karlheinz Stockhausen. "Malerische Konzeption" heißt so eine komplett durchrationalisierte Konzeptarbeit aus den 1960ern. Da denkt man erst mal an eine Gebrauchsanleitung oder an eine physikalische Formelsammlung.
    "Es gab in meiner Kindheit eine Situation, da habe ich versucht, mir eine nicht vorstellbare Farbe ins Gehirn zu zaubern. Und das ging natürlich nicht. Aber die Vorstellung einer nicht existierenden Farbe, die ist genauso spannend. Da bin ich wirklich fröhlich davongehüpft, nannte das Erkenntnis-Euphorie."
    Ein beleuchtetes Kunstwerk wird durch einen Spiegel verdoppelt
    ONNO, 1963 (Mary Bauermeister © VG BILD-KUNST Bonn, 2017, Installation: Kunstmuseum Villa Zanders, Foto: Michael Wittassek)
    So ein kindliches Staunen und die dazu gehörenden Kinderfragen wollte sich Mary Bauermeister zeitlebens erhalten, Neugier und Entdeckertrieb. Das ist also ihr Kosmos, in den man in dieser Ausstellung eintaucht. Und dazu hört man eine Wort-Klang-Installation ihres Sohns Simon Stockhausen. Vom Tagebucheintrag bis zum Welterklärungsmodell mit Forscherambitionen ist hier alles im Fluss. Und als Mensch ist Mary Bauermeister ein ziemlich unterhaltsames Original. Was aber, wenn die Welt dies alles nicht zu würdigen weiß? In Deutschland ist sie, die Fluxus-Ikone, lange Zeit nicht ernstgenommen worden.
    "Na, wenn man als Frau etwas Neues macht, ist das keine Kunst. Da müssen erst die Männer dasselbe machen, aber das ist schwer, die ganze Kunstgeschichte umzuschreiben. Als Künstler, wenn man immer Außenseiter war, ist es ja schon seltsam, dass das, was man mal gemacht hat, was teilweise auch gegen die normale Kunst war, heute im Museum hängt."
    "Homo demens"
    Warum Kunst? Um die Welt zu retten, die eigene sowie die Welt im Großen und Ganzen. Da ist eine Evolutions-Kette skizziert. In der Zukunft, nach dem Homo sapiens, steht da der "Homo demens". Der demente Mensch?
    "Die technische Revolution, also dass die Maschine die menschliche Arbeitskraft übernimmt, das war eine Errungenschaft. Da haben die Männer die Waschmaschinen erfunden und die Frauen waren nicht mehr am Fluss, tratschen. Aber die Computerisierung! Das ist eine ganz gefährliche Geschichte, denn der kannst du dich nicht entziehen. Das Problem ist, dass die Computerisierung uns das Denken abnimmt. Und das finde ich gefährlich."
    Ein Computer, ein Handy, sowie Alexa und Co., das ist auch das Recht ihrer Generation, kommen Mary Bauermeister nicht ins Haus. Dennoch: Wenn man in Zeichen, Worte, Universen die Parameter Glas, Stein, Textil und Text so variiert sieht, kommt es einem so vor, als sei das digitale Prinzip, Dinge in Bausteine zu zerlegen, hier ganz analog vorweggenommen. Wie die Erfindung des Algorithmus mithilfe eines hölzernen Rechenschiebers. Es geht um das Prinzip und das ist ganz gut. Sehenswert.
    Die Ausstellung ist in der Villa Zanders in Bergisch Gladbach noch bis zum 8. April 2018 zu sehen.