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Künstliche Intelligenz
Google beschleunigt Computerchip-Design mit KI-Algorithmus

Bei der Entwicklung von Computerchips will Google künftig auf Künstliche Intelligenz setzen. Mit dem im Fachjournal Nature vorgestellten KI-Algorithmus ließe sich das Design der Chips deutlich beschleunigen – für Google-Dienste wie die Bildersuche und die Routenberechnung von Interesse.

Von Frank Grotelüschen | 11.06.2021
Bildnummer: 56540860 Datum: 30.11.2011 Copyright: imago/Torsten Becker Computerchips nebeneinander auf einem Wafer Objekte Symbolfoto xdp x0x 2011 quer CPU Computerchip Detail Hightech Makro Mikrochip Reflex Schaltkreis Silicium Silizium Technik Wafer regenbogenfarben schillern 56540860 Date 30 11 2011 Copyright Imago Torsten Becker Computer chips side by side on a Wafers Objects Symbolic image XDP x0x 2011 horizontal CPU Computer chip Detail High Tech Macro Microchip Reflex Circuit Silicon Silicon Technology Wafers Rainbow colors shimmer
Chip-Grundrisse sollen mit Hilfe Künstlicher Intelligenz deutlich schneller gezeichnet werden (imago stock&people)
Ein Spielzeug-Baukasten, aber nicht mit ein paar Dutzend Klötzchen, sondern mit Abermillionen. Die gilt es nun so aufzustellen, dass eine bestimmte Ordnung entsteht – eine ausgesprochene Geduldsarbeit. So ähnlich sieht der Alltag von Chip-Designern aus: Unter anderem müssen sie Abermillionen von Schalterelementen und Speicherbausteinen zu einem Grundriss anordnen, der garantiert, dass der Chip wie gewünscht funktioniert, sagt Anna Goldie, Forscherin bei Google in Kalifornien.
"Wie können wir Speicherbausteine und Logikgatter so auf dem Chip platzieren, dass Stromverbrauch und Rechenzeiten minimal werden? Menschliche Fachleute brauchen dafür heute oft zwei bis drei Jahre."

Belohnungssignale für lernfähigen Algorithmus

Um diese enormen Entwicklungszeiten zu verkürzen, setzte das Google-Team auf eine KI, eine künstliche Intelligenz. "Wir verwenden einen lernfähigen Algorithmus, der die Komponenten nacheinander auf dem Chip platziert, eine nach der anderen. Zwischendrin erhält er immer wieder eine Art Belohnungssignal. Es sagt dem Algorithmus, wie gut er seine Arbeit erledigt hat und was er besser machen kann. Auf diese Weise wird der Algorithmus mit der Zeit immer leistungsfähiger."
Screenshot von der Google-Seite mit dem Suchauftrag "Bilder"- "Idiot": Wer bei Google-Bildersuche "Idiot" eingibt, bekommt ziemlich viel Trump angeboten.
KI – Verbesserte Bildersuche mit Beispielbildern
2015 sorgte die App "Google Fotos" für einen Skandal: Bei Portraits von Schwarzen schlug sie als Schlagwort "Gorilla" vor. Vermeiden lassen sich solche Bilderkennungs-Pannen, wenn man der KI ein bisschen menschliche Gedankenwelt mitgibt, so Informatiker Björn Barz von der Uni Jena im Dlf.
Die KI von Google ist der Funktionsweise des menschlichen Gehirns nachempfunden, Fachleute sprechen von einem neuronalen Netzwerk, erklärt Goldies Kollegin Azalia Mirhoseini.
"Am Anfang agiert das neuronale Netz rein zufällig, und seine Ergebnisse sind alles andere als optimal. Doch dank des Belohnungssignals wird es beim nächsten Mal schon etwas besser. Und diese Schleife lassen wir dann tausendfach durchlaufen."

Optimiertes Chipdesign innerhalb von sechs Stunden

Das Resultat: überaus verblüffend. "Innerhalb von sechs Stunden erhalten wir ein optimiertes Chipdesign. Menschen brauchen dafür Wochen oder Monate und liefern in vielen Fällen eine qualitativ schlechtere Lösung."
Ein humanoider Roboter steht vor einer Schultafel. Er zeigt mit dem Finger auf den Schriftzug "Artificial Intelligence (AI)".
EU-Verordnung für Künstliche Intelligenz
Chatbots, die so tun, als wären sie eine echte Person. Solche und ähnliche Systeme mit Künstlicher Intelligenz sollen nach dem Willen der EU-Kommission in Zukunft stärker reguliert werden.
Das Team hat sich die von der KI geschmiedeten Chip-Grundrisse näher angesehen. Sie ähnelten nicht etwa jenen Grundrissen, die erfahrene Fachleute entwerfen, sondern sahen ganz anders aus – ein Zeichen dafür, dass die bisherigen Strategien nicht unbedingt die optimalen waren. Grundsätzlich lässt sich das neue Konzept auf alle Sorten von Chips anwenden. Google jedoch hat ein spezielles Interesse: Für seine Dienste wie Bildersuche und Routenberechnung setzt das Unternehmen auf künstliche Intelligenz. Und deshalb hat Google mit dem neuen Verfahren einen Spezialchip entwickelt, der Anwendungen in der KI voranbringen soll.
"Im Moment sind KI-Algorithmen für die Hardware optimiert, die wir heute haben. Bislang mussten wir Jahre auf eine neue Hardware-Generation warten – und damit auf die Möglichkeit, neue KI-Software zu erproben. Indem wir das nun verkürzen, können wir schneller zu neuen Chips zu kommen, auf denen dann die KI-Algorithmen der Zukunft laufen können."
Der Philosoph Thomas Metzinger 
Philosoph Metzinger zu "Ethics Washing"
Deutschland brauche dringend KI-Ethiker, fordert der Philosoph Thomas Metzinger im Dlf. China habe die Führung in der KI-Forschung übernommen, teile aber die europäischen Werte nicht. Derweil kaufe Facebook etwa an der TU München einen eigenen Ausbildungsbereich, in dem "Fake-Ethiker" entstünden.

KI soll den Menschen ergänzen und entlasten

Und das hätte eine bemerkenswerte Konsequenz: KI-Algorithmen sollen automatisch Chips entwerfen, auf denen sie dann anschließend schneller laufen und noch bessere Chip-Designs aushecken können – und so weiter und so fort. Klingt nach einer Entwicklung, die sich ganz von selbst immer weiter beschleunigt. Braucht es da überhaupt noch Chip-Designer aus Fleisch und Blut? Durchaus, meint Azalia Mirhoseini. Schließlich übernimmt der neue Algorithmus ja nicht das komplette Chip-Design, sondern nur den zeitaufwendigsten Teil, die Grundrisszeichnung.
"Wir glauben, diese Art von Techniken werden den Menschen ergänzen und entlasten können. Denn nun hat der Mensch mehr Zeit, neue Ideen und innovative Methoden zu entwickeln und zu testen."
Und damit, so die Hoffnung, könnte die Chipentwicklung wieder Fahrt aufnehmen. Die nämlich war in den letzten Jahren doch ziemlich ins Stocken geraten.