Freitag, 19. April 2024

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Künstliche Intelligenz in der Arbeitswelt
"Entscheiden, was der Roboter machen darf"

Roboter sollten "als Unterstützungswerkzeug für den Menschen" eingesetzt werden, so Steffen Wischmann, Verein Deutscher Ingenieure, im Dlf. Der Mensch müsse den Roboter auch einmal ausschalten können. So ließen sich Ängste abbauen - und die Akzeptanz von Mensch-Maschine Kollaboration am Arbeitsplatz erhöhen.

Steffen Wischmann im Gespräch mit Gastmoderatorin Britta Wrede | 03.05.2018
    Industrieroboter mit verlängertem Arm aus CFK auf dem Stand der IBG Automation auf der Hannover Messe mit dem Thema Mensch - Roboter.
    Einfach nur hilfreich? Roboter nehmen Menschen viel monotone Arbeit ab - das aber löst auch Ängste aus (imago / Hartenfelser)
    Britta Wrede: Wir haben ja jetzt schon einiges gehört, wo Roboter arbeiten können. Jetzt wollen wir uns noch mal mehr damit beschäftigen mit einem Experten gleich im Anschluss. Aber vorher hören wir uns vielleicht noch mal an, was Studierende denn so denken, wo Roboter eingesetzt werden können:
    "In der Industrie sind ja Roboter schon zahlreich eingesetzt, um irgendwelche Fertigteile herzustellen. Und ein neuer Markt, der sich da erschließt, ist ja zurzeit die Pflege."
    "In der Medizin halte ich das nicht für gut anwendbar, da ich denke, dass das menschliche Auge und der menschliche Körper besser geeignet ist als ein Roboter, um gewisse Operationen zum Beispiel durchzuführen."
    "Im Bereich der Krisensicherheit, sprich, dass sie in Gebiete gesendet werden, die für Menschen an sich zu gefährlich wären."
    "In allen kommunikationstechnischen, also von Verwaltung bis zu vorprogrammierten Rechtsfragen."
    "Im Wesentlichen müsste es wohl überall gehen, theoretisch. Wie es praktisch aussieht in den nächsten 150 Jahren, das weiß ich nicht."
    Ja. Über die nächsten 150 Jahre sprechen wir nicht, aber über jetzt und die nächsten paar Jahre sprechen wir jetzt mit Herrn Doktor Steffen Wischmann vom Verein Deutscher Ingenieure aus Berlin und Experte eben zu dem Thema, wie die Arbeitswelt sich durch den Einsatz von Robotern verändert. Er ist jetzt per Telefon zugeschaltet. Herzlich willkommen, Herr Wischmann!
    Steffen Wischmann: Schönen guten Tag!
    Wrede: Herr Wischmann, Sie kennen sich ja mit dem Einsatz von Robotern in den verschiedensten Einsatzgebieten aus. Werden Roboter denn heute auch schon außerhalb von Fabrikhallen eingesetzt, oder sind die im echten Leben eigentlich bislang noch auf den Bereich der Produktion beschränkt?
    Wischmann: Das werden wir natürlich, allerdings natürlich noch nicht so stark, wie wir das jetzt in der klassischen Industrierobotik haben, wo die Roboter ja schön hinter Zäunen auch versteckt sind. Aber Sie finden sie durchaus schon. Medizin wurde ja vorhin schon angesprochen, in der Chirurgie, als unterstützende Roboter. Das ist ein ganz großer Bereich, mit dem auch große Umsätze erzielt werden momentan. Chirurgieroboter, die den Chirurgen unterstützen. Da finden sie sich durchaus. Und wenn Sie jetzt durch einige Märkte gehen, finden Sie auch in Deutschland mittlerweile schon ein paar Roboter im Einsatz, die Sie so ein bisschen als Kunden durch die Märkte führen und Ihnen sagen, wo welche Produkte stehen und Sie da ein bisschen unterstützen. Aber das ist natürlich alles noch sehr am Anfang. Und sonst kennen vielleicht die Hälfte der Zuhörerschaft, natürlich haben sie Roboter auch schon zu Hause. Das sind die klassischen Staubsaugerroboter, die wohl die erfolgreichsten Roboter außerhalb der Produktionshallen sind.
    Mensch-Roboter-Kollaboration ein "heißes Thema"
    Wrede: Sie haben es eben auch schon so ein bisschen angesprochen, die Roboter in den Läden. Da muss so ein Roboter ja auch mit dem Menschen irgendwie zusammenarbeiten. Gibt es denn so eine Kollaboration auch schon in der Produktion? Sie haben gerade gesagt, die sind eigentlich noch hinter Zäunen, die Roboter. Aber da müssen ja die Menschen irgendwie auch mit den Robotern vielleicht zusammenarbeiten.
    Wischmann: In der Produktion ist es momentan ein ganz heißes Thema, eigentlich schon seit ein paar Jahren. Die Mensch-Roboter-Kollaboration beschränkt sich dabei vor allem auf die Interaktion mit Roboterarmen, wo der Mensch zum Beispiel mit einem Roboter zusammen bestimmte Dinge montiert. Weil die Montage ist etwas, was voll automatisiert relativ schwierig möglich ist, und es gibt sehr feinfühlige Roboterarme mittlerweile, mit denen der Mensch durchaus interagieren kann. Die haben dann auch noch so eine kleine Sensorhaut meistens oben drüber oder verfügen über spezielle Sensoren, so, dass die auch wirklich den Menschen nicht verletzen können, dass sie halt ihre Kraft regeln können. Aber das kommt erst so langsam. Aber wenn Sie auch jetzt durch die Hannover-Messe dieses Jahr gegangen sind, da sehen Sie jede Menge Anwendungsbeispiele mit genau diesen Robotern, die mit dem Menschen in der Produktion schon interagieren. Aber ich würde jetzt noch nicht sagen, dass es so ein Massenphänomen in der Produktion ist.
    "Jetzt wird mir da ein Roboter vorgesetzt"
    Wrede: Sehen Sie da jetzt schon, dass es da besondere Effekte auf die Arbeit gibt durch solche Roboter, und vielleicht auch durch den Aspekt, dass die ja auch nicht ganz allein da stehen, sondern auch miteinander vernetzt sind?
    Wischmann: Es gibt natürlich große Effekte. Die Frage ist auch immer, wenn man Maschinen dann in den Einsatz bringt, wenn sie mit Menschen kollaborieren sollen, wie man sie einführt. Wir erleben das bei größeren Firmen, die das teilweise versuchen, dass natürlich erst mal der Mitarbeiter so ein bisschen skeptisch ist. Jetzt wird mir da ein Roboter vorgesetzt, mit dem muss ich auch noch zusammenarbeiten, der nimmt mir unter Umständen meine Arbeit weg. Das sind so ganz klassische Befürchtungen, die der Mitarbeiter in der Regel hat. Und dann interagiert der Mitarbeiter auch in der Regel sehr zurückhalten mit diesen Systemen. Sie können aber solche Systeme natürlich auch einführen, indem Sie den Mitarbeiter viel mehr mitnehmen, indem Sie am Anfang fragen, bei welchen Aufgaben brauchst du eventuell Unterstützung. Du kannst auch selbst ein bisschen entscheiden, was der Roboter machen darf. Du kannst den Roboter auch jederzeit ausschalten. Das sind so Dinge, die können Sie integrieren, wo Sie so die Akzeptanz der Mitarbeiter für diese Mensch-Roboter-Kollaboration erhöhen können.
    Wrede: Sie sprechen das schon an, dass viele Menschen da auch Sorgen haben, dass Roboter möglicherweise vielleicht auch mal die Macht übernehmen. Das ist ja noch weiter gedacht. So weit sind wir ja jetzt noch nicht. Aber sehen Sie vielleicht trotzdem Risiken, die durch den Einsatz auch von solchen noch nicht ganz so intelligenten Maschinen, aber eben doch schon mit Künstlicher Intelligenz an der Seite von Menschen entstehen können?
    Wischmann: Ich glaube, das größte Risiko besteht darin, wenn man es wirklich versucht, überall da einzusetzen, wo es geht, und versucht, so viel wie möglich zu automatisieren. Ich glaube, wir können das Risiko minimieren, wenn wir versuchen, diese Systeme tatsächlich als Unterstützungswerkzeug für den Menschen zu benutzen. Dann können wir sehr viel gewinnen, weil, das muss man auch dazu sagen, die Roboter können uns natürlich sehr viel monotone, physisch anstrengende Arbeit abnehmen. Aber solange der Mensch sozusagen immer noch im Zentrum steht und solange der Mensch auch den Roboter mal ausschalten kann und sagen kann, das mach ich jetzt, und das machst du. Solange der Mensch da noch das Sagen hat und der Roboter quasi oder der Algorithmus eine Unterstützung sind, ein Assistenzsystem für den Menschen ist, ich glaube, dann kann man dieses Risiko minimieren. Und je mehr Beispiele wir da generieren können - da gibt es in der Forschung mittlerweile ja schon einige -, desto höher kann man vielleicht auch die Akzeptanz bei der Bevölkerung treiben und vielleicht auch diese Angst so ein bisschen, die momentan, glaube ich, das Stimmungsbild doch so ein bisschen prägt.
    Wrede: Was halten Sie denn für wahrscheinlicher? Dass tatsächlich es eher so einen unterstützenden Einsatz von Robotern gibt, oder möglicherweise vielleicht doch so einen kontrollierenden Einsatz?
    "Der Mensch muss im Mittelpunkt stehen"
    Wischmann: Wenn man der aktuellen Diskussion zwischen Gewerkschaften, Arbeitgeberseiten und auch Politik aufmerksam zugehört hat in den letzten zwei Jahren, da ist sehr viel passiert, dann kann man eigentlich fast nur optimistisch sein, weil alle sich da mehr oder weniger überraschenderweise doch sehr einig sind, dass der Mensch in Zukunft im Mittelpunkt stehen sollte. Was früher nicht immer so war bei den Diskussionen, gerade zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber. Da hat man Grund zur Hoffnung. Auf der anderen Seite muss man aber auch sagen, dass die Industrie natürlich momentan schon bisher in der Automatisierung eher den anderen Weg gefahren ist, und schon versucht hat, so weit es geht, die Dinge zu automatisieren, die auch zu automatisieren dienen und dem Menschen dann die Restaufgaben übertragen, sowohl die einfachen Arbeiten als auch dann die schwierigeren, die planerischen. Von daher ist es, glaube ich, noch nicht so ganz entschieden. Die Grundstimmung, glaube ich, ist aber durchaus positiv, was den Einsatz dieser Systeme angeht.
    Wrede: Das klingt ja doch eher mal nach einer positiven zumindest Option, wie sich da die Arbeitswelt weiterentwickeln wird. Ganz herzlichen Dank für das Interview, für die spannenden Antworten. Das war Steffen Wischmann. Wir haben über Roboter in der Arbeitswelt gesprochen.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.