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Künstliche Krankheitserreger

Biologie. - Als 1987 der BSE-Erreger entdeckt wurde, war klar, dass ein bis dato unbekannter Forscher mit einer wagemutigen These recht behalten hatte. Stanley Prusiner hatte die Infektion durch ein deformiertes Protein vorhergesagt - und war dafür von seinen Kollegen ausgelacht worden. 1997 erhielt er dafür den Nobelpreis und jetzt hat eine Arbeitsgruppe unter seiner Leitung auch den letzten Beweis erbracht. Sie stellen in der aktuellen "Science" einen künstlich erzeugten BSE-Erreger vor.

Von Kristin Raabe | 30.07.2004
    Sie sind schon ausgesprochen fiese kleine Dinger - diese Prionen: Irgendwie aus der Form geraten, sammeln sie sich zu großen Klumpen im Gehirn an. Gegen die Eiweißmassen haben die Nervenzellen keine Chance. Sie gehen zu Grunde, bis das Gehirn schließlich voller Löcher ist. Dann steht der Tod des Patienten schon kurz bevor. Und alles das nur, weil er sich mit einem Eiweiß infiziert hat. Dabei hat jeder Mensch in seinem Gehirn sowieso schon Prionproteine. Allerdings die gesunde Variante. Und genau das nutzen die krank machenden Prionen für ihre Vermehrung: Sie greifen die gesunden Prionproteine an, verändern ihre Form und machen aus den ehemals harmlosen Eiweißen ebenfalls gefährliche Prionen. Damit haben sie sich vermehrt - ganz ohne Hilfe von DNA und RNA.

    Das ist ja das ganz besondere am Prion, dass ein Protein ohne genetische Information vervielfältigt wird. Dafür gibt es ja sonst überhaupt kein Beispiel in der Natur. Es widerspricht ganz klar allen Grundlagen der Molekularbiologie und musste deswegen ja als ganz neues biologisches Phänomen bezeichnet werden.

    Detlev Riesner von der Universität Düsseldorf arbeitet schon seit Jahren mit dem Entdecker der Prionen, Stanley Prusiner, zusammen. Gemeinsam wollten sie den entgültigen Beweis erbringen, dass diese Eiweiße tatsächlich krank machen. Dazu mussten sie ein Prionprotein künstlich herstellen, es in seine krank machende Form umwandeln und dann damit ein Tier infizieren. Erst wenn dieses Tier tatsächlich Zeichen einer Prionenerkrankung zeigt, gilt die Theorie als wissenschaftlich belegt. Aber das alles ist gar nicht so leicht. Riesner:

    Das Protein ist nicht einfach zu behandeln. Es ist schwer löslich, es klebt überall. Und hat noch andere unangenehme Eigenschaften. Deswegen gingen die Arbeiten langsam voran. Und so seit drei, vier Jahren hat man eine bessere Vorstellung davon, wie die pathologische Struktur aussehen könnte, und wie man sie außerhalb des Tieres einstellen kann.

    Die pathologische - also die krankmachende - Form des Prionproteins im Labor herzustellen, war also die größte Schwierigkeit, die die Forscher in den USA und in Deutschland bewältigen mussten. Aber auch das gelang schließlich. Riesner:

    Man hat eine Struktur, die natürliche ungefährliche Struktur, und die muss man so ein bisschen auflösen, dass die so flexibel wird. Und dann ändert man die Bedingungen, dass sie in die falsche Struktur in die pathologische Struktur zurückschnappt, und das muss man so machen, dass da viele Moleküle zusammenkommen, dass sie sich gegenseitig in der pathologischen Struktur stabilisieren. Denn ein ganz wesentlicher Unterschied ist, dass die gesunde Struktur bei jedem Molekül isoliert vorliegt. Und die pathologische Struktur aber nach allem was man bisher weiß, nur wenn viele Moleküle zusammenpappen.

    Mit diesem künstlich hergestellten zusammengepappten Molekülen, den eigentlichen Prionen, haben die Forscher dann Mäuse infiziert. Und dann hieß es erst einmal warten. Zwei Jahre lange dauerte es bis die ersten Mäuse erkrankten. Nach Meinung von Detlev Riesner ist damit aber nun entgültig der Beweis erbracht: Die Priontheorie stimmt. Und das ist auch wichtig. Denn die BSE-Welle ist in Deutschland noch lange nicht vorbei. Riesner:

    Wir hatten in Deutschland eine viel aktivere Tagespresse als wir noch keine BSE-Fälle hatten und haben jetzt weniger Tagespresse, wo wir doch immer pro Jahr 30, 40 50 BSE-Fälle haben, und wo zum Beispiel in England gezeigt wurde, dass es wirklich durch Bluttransfusionen übertragen werden kann, der Typ von Jakob Creutzfeldt, der wohl von BSE kommt. Also es liegen inzwischen Daten vor, die das ganze gefährlicher erscheinen lassen als vor fünf Jahren. Aber es ist aus der Tagespresse raus. Man sollte vielleicht sagen, dass vor fünf Jahren vieles übertrieben wurde und das es heute in einer nüchternen und vielleicht angemesseneren Form behandelt wird, aber das Problem ist nicht vorbei.

    Auch wenn BSE bei Rindern nach wie vor vorkommt. Beim Menschen scheint die Prionerkrankung viel seltener aufzutreten als viele Experten noch vor Jahren befürchtet haben.