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Künstliches Erbgut

Genetik. – Mit den modernen molekulartechnischen Methoden können Gentechniker den Bauplan des Lebens verändern. Ganz neues Leben schaffen können sie noch nicht. Doch der US-Genpionier Craig Venter will auch das schaffen. In der Wissenschaftszeitschrift "Science" beschreibt er einen weiteren Schritt auf dem Weg: das erste im Labor zusammengebaute Bakterien-Erbgut.

Von Michael Lange | 25.01.2008
    Geht nicht – gibt es nicht für den Biotechnologie-Unternehmer Craig Venter. Sein Ziel war und ist es, das Unmögliche möglich zu machen. Er entzifferte das Erbgut des Menschen innerhalb weniger Jahre. Vor etwa fünf Jahren formulierte er sein neues großes Ziel: Leben schaffen aus toter Materie. Der Weg dorthin führt über ein im Labor erzeugtes Bakterien-Erbgut. Ein synthetisches Chromosom. Venter:

    "”Wenn wir ein synthetisches Chromosom schaffen, mit anderen Genen als in der Natur, dann wäre das die Basis für einen komplett künstlichen Organismus.""

    Der Name dieses Kunstwesens steht schon fest: Mycoplasma laboratorium soll es heißen. Eine Art Minimal-Organismus mit der kleinstmöglichen biologischen Ausstattung. Ein kleiner Erreger von Geschlechtskrankheiten, Mycoplasma genitalium, dient dabei als Vorbild. Nun hat Venters Team in Rockville bei Washington das Erbgut des kleinen einzelligen Lebewesens nachgebaut. Über eine halbe Million Erbbausteine – so genannte Nukleotide wurden im Labor zusammengefügt, verkündet Venters oberster Konstrukteur, der 76jährige Nobelpreisträger Hamilton Smith:

    "”Wir haben das Genom komplett chemisch synthetisiert. Es ist 582.000 Nukleotide lang. Und wir haben es erfolgreich in Hefezellen kopiert.""

    Das Team um Venter und Smith hat damit ein Erbmolekül synthetisiert, das mehr als zehnmal länger ist als der bisherige Rekordhalter. Der besaß gerade einmal 35.000 Erbgutbausteine. Allerdings hatten die US-Forscher Hilfe aus der Biologie. Ohne Hefezellen hätte es nicht funktioniert, gesteht Hamilton Smith.

    "Das Schöne an der Hefe ist, dass sie Erbanlagen so gut zusammenbaut. Wenn die Erbmoleküle einander überlappen, baut die Hefe sie effizient zusammen."

    Die Biochemiker im Venter-Institut bauten 101 DNA-Erbmoleküle nach dem Vorbild von Mycoplasma genitalium im Labor zusammen. Dieses Puzzle war zunächst reine Biochemie. Jedes Segment besaß zwei überlappende Sequenzen – für die Nachbarn zur Rechten und zur Linken. Die Hefe wusste, was sie zu tun hatte und baute daraus ein vollständiges Bakterien-Chromosom. Das ist zwar noch kein künstliches Leben, so Hamilton Smith, aber eine Art synthetisches Betriebssystem für ein künstliches Lebewesen. Damit könnte eine tote Zelle ohne eigenes Erbgut zum Leben erweckt werden. Smith:

    "”Wenn wir ein Erbgut chemisch zusammenbauen, dann ist es nutzlos, solange es frei im Teströhrchen schwimmt. Es muss in eine Empfängerzelle hinein gepflanzt werden. Die Zelle erweckt das Erbgut zum Leben, und es entsteht eine sich teilende Zelle.""

    Genau das wäre der nächste Schritt zum künstlichen Lebewesen – zunächst streng nach dem Vorbild der Natur. Dieser Schritt jedoch steht noch aus. Dass man ein Erbgut verpflanzen kann, haben Venters Forscher bereits voriges Jahr zeigen können. Dass sie nun noch nichts von derartigen Versuchen berichten, könnte bedeuten, dass die Verpflanzung des synthetischen Mycoplasma-Erbgutes nicht so einfach funktioniert wie gedacht, vermuten Kritiker. Aber vielleicht plant der Schöpfer Craig Venter ja schon seinen nächsten "Durchbruch".