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Künstliches Erdöl
Treibstoffe aus Luft, Wasser und Strom

Alternative Treibstoffe basierten bisher vorrangig auf Pflanzen - zum Beispiel Zuckerrohr, Raps oder Weizen. Eine Firma aus Dresden nutzt nun Kohlendioxid aus der Luft, um synthetische Kraftstoffe herzustellen. Die erste Pilotanlage ist jüngst in Betrieb gegangen.

Von Ines Rutschmann | 17.11.2014
    Ein Mitarbeiter der Sunfire GmbH bedient die Hochtemperatur-Dampfelektrolysekammer. Das Dresdner Unternehmen will künftig aus Wasser und Kohlendioxid einen Erdöl-Ersatz herstellen.
    Die Power-to-liquid-Anlage verwandelt elektrische Energie in flüssige Kraftstoffe. (picture alliance / dpa - Arno Burgi)
    "So, Sie geben das Startzeichen, wann ich drehen darf."
    Bundesforschungsministerin Johanna Wanka steht vor einem 14 Meter hohen und 14 Meter breiten Maschinenhaus. Kameras sind auf sie gerichtet. Fotoapparate klicken. Sie dreht den Gashahn vor sich auf.
    "Es strömt, es strömt. Und die Zeiger müssten es anzeigen: Ja, wir haben CO2."
    Kohlendioxid strömt in ein Rohr, das in einen sechs Meter hohen, schmalen Reaktor im Maschinenhaus führt. Dort setzt ein Brummen ein. Sonst ist nichts zu hören, nichts zu sehen, nichts zu riechen. Power to liquid ist das Verfahren, das die Firma Sunfire aus Dresden erstmals in Deutschland erprobt. Die Anlage soll zeigen, dass sich aus Ökostrom, Kohlendioxid und Wasser ein umweltfreundlicher Ersatz für Erdöl herstellen lässt - und zwar bis zu einem Fass am Tag, also 159 Litern. Das Produkt soll dann über gewöhnliche Raffinerieprozesse verfeinert werden, sagt Geschäftsführer Carl Berninghausen.
    "Man würde im ersten Schritt flüssige und gasförmige Stoffe trennen und dann würde man das Wasser abtrennen und im nächsten Schritt erst die verschieden langen Kohlenstoffketten, also zuerst die leicht flüssigen Benzine, dann Kerosin, Diesel, Schweröle."
    Auch eine Verstromung zum Bedarfszeitpunkt ist möglich
    Die Power-to-liquid-Anlage verwandelt elektrische Energie in flüssige Kraftstoffe, die heute unentbehrlich sind: Sie treiben Flugzeuge, Schiffe und Kraftfahrzeuge an. Sie finden in der chemischen Industrie Einsatz. Sie können aber auch gelagert und bei Bedarf verstromt werden. Die Erzeugung synthetischer Kraftstoffe vollzieht sich in drei Schritten: Wasser wird per Elektrolyse in Sauerstoff und Wasserstoff gespalten. Der Wasserstoff vermischt sich mit Kohlenmonoxid, das in einem zweiten Schritt aus dem zugeleiteten Kohlendioxid gewonnen wird. Sunfire nutzt im Moment Kohlendioxid aus Biogasanlagen. Langfristig soll es der Luft entnommen werden. Im letzten Reaktor bilden sich aus dem Gasgemisch langkettige Kohlenwasserstoffe. Dabei greift Sunfire auf das bekannte Fischer-Tropsch-Verfahren zurück.
    "Fischer-Tropsch liefert eigentlich ein Rohprodukt, das ein Äquivalent ist zu Rohöl. Nur es hat zwei große Unterschiede: Erstens: Es ist erneuerbar. Und zweitens: Es ist sauber. Rohöl hat alle möglichen Schwefelanteile und alle möglichen ungewünschten Stoffe, weil ja alles drin ist, was die Natur uns gekocht hat."
    Die einzelnen Prozessschritte sind bekannt und wurden in der Vergangenheit vielfach erprobt. Zwei Neuerungen hat Sunfire entwickelt, damit sich die Herstellung synthetischer Kraftstoffe auch wirtschaftlich trägt. Die Anlage arbeitet nicht mit flüssigem Wasser, sondern mit Wasserdampf. Dieser fällt als Nebenprodukt sowohl bei der Fischer-Tropsch-Synthese als auch bei der Gewinnung von Kohlenmonoxid an. Da der mehrere 100 Grad heiße Dampf bei der Elektrolyse gebraucht wird, strömt er dorthin zurück.
    "Die Tatsache, dass wir Dampf verarbeiten können, bedeutet, dass wir erheblich viel Energie einsparen und zwar gerade die elektrische Energie, die ein solcher Prozess braucht."
    Der Wirkungsgrad der Anlage erhöht sich damit von rund 55 auf 65 bis 70 Prozent. Wo Sunfire mit der Demonstrationsanlage genau landet, muss sich zeigen: In den kommenden Monaten werden Prozessparameter optimal eingestellt. Die zweite Innovation ist, dass die Anlage auch elektrische Energie bereitstellen kann. Im reversiblen Modus gefahren, wirkt der Elektrolyseur wie eine Brennstoffzelle: Sauerstoff und Wasserstoff verbinden sich wieder zu Wasser - und elektrische Energie wird nach einer gewissen Speicherphase wieder freigesetzt.
    "Das bringt eine höhere Auslastung, weil man eben die Anlage nicht nur als Speicher fährt, sondern auch als Energiebereitsteller. Speicher, wenn Energie da ist. Energiebereitsteller, wenn Energie gebraucht wird."
    Erst durch diese flexible Anwendung der Anlage kann sie sich für ihren Betreiber rentieren, sagt der zweite Geschäftsführer Christian von Olshausen. Denn die angestrebten Produktionskosten für einen Liter synthetischen Kraftstoff übersteigen den Ölpreis von heute um etwa das Doppelte. Lassen sich dagegen auch Dienstleistungen für den sicheren Betrieb des Stromnetzes generieren, können sich zusätzliche Erlöse ergeben. Ob die Rechnung aufgeht, zeigt sich frühestens in drei Jahren: Dann will Sunfire erste Anlagen im industriellen Maßstab anbieten.