Donnerstag, 28. März 2024

Archiv


Kuhfladen mit Ladung

Energie. - In Pflanzen steckt mehr Energie als bislang angenommen. Davon sind die Wissenschaftler an der Universität Hohenheim bei Stuttgart überzeugt, die vor einem Jahr eine Biogasanlage ihren Betrieb genommen haben.

Von Pia Grund-Ludwig | 22.07.2009
    Eningen ist ein beschaulicher kleiner Ort am Fuße der Schwäbischen Alb. Im Hintergrund der bewaldete Albanstieg, immer wieder ragen kleine Felsnasen aus dem Wald, dazwischen Lichtungen mit Trockenwiesen und Weiden. Doch es gibt auch ein ausuferndes Industriegebiet inmitten der Obstwiesen des Ortes. Das belegt deutlich, dass wir uns in einer Gegend befinden, in der Tüftler zu Hause sind. So auch in der Biogasversuchsanlage der Universität Hohenheim, die hier in Eningen angesiedelt ist. "Fahren Sie am Ende des Industriegebiets immer geradeaus. Wenn es nicht mehr weiter geht, sind Sie bei uns", hatte Hans-Joachim Nägele den Weg zu seinem Arbeitsplatz beschrieben. Der ist in der Versuchsanlage. Weil man für Biogas Biomasse braucht, fährt man zunächst an einem großen Stall vorbei, in dem 250 Kühe, Schweine und Hühner sind. Dahinter geht es hoch zur Testanlage. Vor einem Jahr ist der Startschuss zum Bau gefallen, nun starten die Versuchsreihen. Die Forscher wollen herausfinden, welche Faktoren die Energieeffizienz einer solchen Anlage bestimmen. Um zu erklären, welche Ansätze sie dabei verfolgen, wartet Hans-Joachim Nägele bereits auf dem Betondeckel eines sogenannten Fermenters:

    "Ein Fermenter wandelt Biomasse in einem vierstufigen Prozess in Biogas um. Alle Prozesse finden in einem Behälter statt, von der frischen Maissilage, die hier reingeschüttet wird bis zur Biogasproduktion durch die Methanbakterien."

    Es sind in den Boden eingelassene Zylinder aus Beton mit einem Durchmesser von circa fünf Metern. Sie fassen 9000 Kubikmeter Biomasse. Viel Technik steckt im Inneren der nach außen unscheinbaren Zylinder:

    "Zum Beispiel hier im Fermenter 1 haben wir eine Bodenheizung verbaut und zwei unterschiedliche Wandheizungssysteme als Glatt- und Wellrohr. Dann haben wir unterschiedliche Rührwerke, haben Tauchmotorrührwerke, haben Langachsrührwerke. Auch dort können wir dann testen, wie die Rührwerke sich unterscheiden beim Rühren des Substrats in diesem Tank."

    Substrat hört sich sehr klinisch an. Weniger klinisch ist der Eindruck, wenn man durch die Fenster des Fermenters schaut. Dort bewegt sich eine mittel- bis dunkelbraune flüssige Masse, aus der immer wieder kleine Gasblasen aufsteigen. Es ist die Gülle der Kühe, Hühner, Schweine und Ziegen der Versuchsanlage. Dazu kommen Mais, Grasschnitt und weitere Silage. Zwölf Mal täglich bekommt der Fermenter Nachschub, füttern nennt Hans-Joachim Nägele das liebevoll. Alles wird genau protokolliert: Was wurde zugeführt, bei welcher Temperatur, mit welcher Methode wird es erhitzt und mit welchem Rührwerk bewegt. Der nächste Schritt ist die Überwachung des Gases, das im Prozess entsteht. Damit bewegen sich die Hohenheimer Forscher auf Neuland, erklärt Nägele im Pumpenraum der Anlage:

    "Ein ganz großes Ziel des Biogases ist es, Onlinemesstechnik zu etablieren, und deshalb auch diese zentrale Pumpe. Eine Kollegin von mir entwickelt gerade einen Nahinfrarot-Spektroskop-Messkopf, mit dem wir hier online Gärsäuren messen wollen und schneller den Prozess erfassen."

    Nicht nur der Sensor ist neu. Auch welche Art von Daten eigentlich benötigt werden müssen die Forscher erst noch herausfinden:

    "Das ist noch gar nicht so genau erforscht, wir möchten eine große Breite von Gärsäuren messen, die Essigsäure natürlich, die Propionsäure, Valeriansäure ist noch drin, Trockensubstanz, organische Trockensubstanz."

    Diese Erhebung der Daten ist nur der erste Schritt. Mittelfristig ist das Ziel, dass keine externen Labors mehr notwendig sind, um die Anlage optimal zu betreiben. Die Fehlerbehebung dauert nämlich bisher noch relativ lang. Mit Onlineerfassung könnte sich die Zeit verkürzen. Der Landwirt soll schließlich wie am Leitstand einer industriellen Anlage entscheiden, was er tun muss.

    "Es könnte das Ziel sein, dass der Landwirt eine Oberfläche hat, bei dem er auf unterschiedliche Parameter zurückgreifen kann und nicht den ganzen Prozess nachverfolgen muss."

    Im letzten Schritt soll dann nur noch die Überwachung von außen erfolgen. Die Optimierung der Prozesse übernimmt die Anlage automatisch. Also die Hitze regulieren, sich die richtigen Zusatzstoffe holen und die Rührwerke in der optimalen Geschwindigkeit betätigen.

    "Ich denke, dass wir in zwei Jahren soweit sein werden, um zu sagen, inwieweit wir diesen Prozess komplett automatisieren können."