Donnerstag, 25. April 2024

Archiv


Kuhwiese als Bauernopfer für den Papstbesuch

Dort, wo Frank Schneiders Kühe normalerweise grasen, herrscht schon fast Hochsicherheitsalarm: Denn auf Schneiders Feldern sollen kommende Woche etwa 60.000 Pilger dem Papst lauschen. Bauer Schneider brachte das Feldopfer zwar gern - doch welche göttliche Instanz ersetzt ihm den Flurschaden?

Von Blanka Weber | 15.09.2011
    "Wir stehen jetzt auf dem sogenannten Pilgerfeld. Das hier oben gibt den Marktplatz."

    Frank Schneider kann es manchmal gar nicht fassen. Seine Wiesen, seine Felder: Eigentlich würden hier die Kühe grasen, doch nun - kommt der Papst. Und mit ihm 60.000 Pilger.

    "Hier kommen 20 Stände hin, wo man Bratwurst kaufen kann. Hier kommen 2000 Toiletten hin, und da kann man eben hier die Straße hoch und da die Straße hoch. Da kann man dann hingehen."

    Bauer Schneider wird an dem Tag nicht hingehen, obwohl er den kürzesten Weg von allen hat. Vis a vis quasi liegt die kleine idyllische Kapelle. Die Kapelle von Etzelsbach. Innen frisch gestrichen und nun bis ins Detail überwacht – besser als die Staatskanzlei in Erfurt, sagen manche mit Humor. Vor einem Jahr war das ein Ort, den fast niemand kannte, es sei denn, es handelte sich um katholische Wallfahrer oder Bauer Schneider, der die Kapelle und ihre Gäste bei Wind und Wetter sieht:

    "Erst'mal liegt sie direkt neben meinem Feld, wo ich jeden Tag arbeite; und dann sind ja auch die drei großen Wallfahrten hier."

    Frank Schneiders Kühe sind Wallfahrtsgäste gewohnt und auch die Wiesen haben schon manche Pilgergruppe überstanden – doch der Papstbesuch jetzt – das ist eine neue Dimension, auch für einen Bauern wie ihn:

    "Ich will nicht sagen, dass ich regelmäßiger Kirchgänger bin. Ich bin katholisch und ich hab auch Kontakt damit."

    Seit Januar ist der Kontakt noch intensiver. Das war der Moment, als ihn der Pfarrer bat, auf Raps und Grünland zu verzichten, die Kühe müssten auch im Stall bleiben. Das satte Etzelsbacher Grün sollte nicht beschmutzt, sondern Pilgerfeld werden.

    Nun ist es soweit.

    Pünktlich zum Herbstanfang kommt der Papst. Und Bauer Schneider fühlt sich eingekesselt von Masten, Kameraturm und Polizei. Der Aufwand ist immens. Das Feld ist Sicherheitszone, keiner darf es betreten.

    "Da wo der Bauzaun steht von der Straße – zu der Straße. Theoretisch wäre das jetzt meine Wiese."

    Die ist zerfurcht von Schotterwegen, einem Netzwerk aus Folie und Steinen. Hoffentlich wird rückgebaut, sagt er, damit die Kühe im nächsten Jahr wieder raus dürfen aus dem Stall und rauf auf die Wiese, dort wo jetzt für Benedikt XVI. eine große Bühne aufgebaut wird:

    "Naja gut, ich bin schon dafür, dass er kommt – in der einen Sache – in der anderen muss ich ja auch meinen Ausfall sehen. Der schlecht zu ersetzen ist, gerade dieses Jahr, wo es wenig Futter gibt und der Preis ziemlich hoch ist, da wird das schon schwierig, überhaupt Futter ranzukriegen."

    Seine 400 Rinder stehen geduldig im Stall. Am Tag, wenn der Papst kommt, sagt Bauer Schneider, muss alles schnell gehen, das Melken und das Ausmisten – denn die Zufahrtsstraßen zum Stall – wenige Hundert Meter von der Kapelle entfernt – die sind dann auch gesperrt.

    "Es wird nur für uns eben eine Umstellung. Und eben auch die Menschenmassen. Was wir hier eben so nicht kannten. Es ist jetzt schon ziemlich viel geworden, aber lassen wir uns überraschen, das wird noch mehr."

    Auch die zahllosen Helfer der Gemeinde rechnen mit einem Ansturm. Schon jetzt kommen an den Wochenenden viele Gäste:

    "Wo wird denn hier die Vesper stattfinden?" – "Auf diesem Gelände. Hier stehen wir und das ist dort seitlich. Das ist der Altar. Können Sie mal kurz halten."

    Guido Weidemann erklärt geduldig die Wege und die Zufahrten, wo was stehen wird und wo es Toiletten gibt. Manches ist noch auf dem Papier – nur der betonierte Platz und Bauer Schneiders Pilgerfeld sind zu sehen.

    "Nebenbühne heißt das. Da findet das Vorprogramm statt. Die Eichsfeldchöre ... "

    Wer ein Ticket hat, darf hierher kommen zur Marienvesper mit dem Papst, erklärt der Helfer. Er, der junge Mann aus dem Nachbarort, ist dann auch im Einsatz.

    "Der Papst kommt dann praktisch mit seinem Mobil hier an, fährt dann einmal hier so `ne Runde und landet dann ... "

    Bis dahin gibt's noch viel zu tun im Ort, erklärt seine Kollegin aus der Gemeinde. Schmücken ist Pflicht. Gewissermaßen:

    "Fenster geputzt, wie das so zu einem Dorf gehört - und sauber gemacht und der Rasen noch mal gemäht und die Blumen noch mal neu gepflanzt. Natürlich. Das gehört dazu."

    Ob es kritische Stimmen gibt und die Bilder vom Papstbesuch aus Madrid auch nachdenklich machen? Sie zuckt mit den Schultern.

    "Bisschen Angst hat man schon, weil es viele kritische Stimmen gibt. Aber ich denk' mal überwiegen wird doch, dass es ruhiger abläuft. Die Eichsfelder haben zwar einen Dickschädel, sind nicht immer mit allem und jedem gleich einverstanden, aber wenn sie dann mal in sich gekehrt sind und drüber nachgedacht haben, sagen Sie dann auch: Ja! Richtig. Schön, dass er kommt. Wir haben einen deutschen Papst, und dass er unsere kleine Etzelsbach-Kapelle ausgewählt hat, das macht einen schon stolz."

    Bauer Schneider wird an dem Tag das Geschehen aus der Ferne beobachten und vermutlich von ruhigeren Zeiten träumen und von einer angemessenen Entschädigung – über die hat nämlich derzeit noch niemand mit ihm geredet.