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Kultur als Lebensinhalt
Audrey Azoulay wird Unesco-Generaldirektorin

Durchsetzungsstark und doch eine Frau der leisen Töne: Die frühere französische Kulturministerin Audrey Azouley übernimmt die Generaldirektion der Unesco. Damit könnten der Kultur-Organisation der Vereinten Nationen große Jahre bevorstehen.

Von Jürgen König | 10.11.2017
    Audrey Azoulay war Kulturministerin unter Francois Hollande in Frankreich, jetzt wird sie UNESCO-Generaldirektorin.
    Audrey Azoulay war Kulturministerin unter Francois Hollande in Frankreich, jetzt wird sie UNESCO-Generaldirektorin. (imago/ZUMA Press)
    Audrey Azoulay wurde in Paris geboren, stammt aus einer jüdisch-marokkanischen Familie, die sie stets als "sehr links" beschrieb, auch sie selbst steht der Sozialistischen Partei nahe, ohne Mitglied zu sein. In einem kulturellen und intellektuellen Lebensmilieu wuchs sie auf: der Vater ein Bankier, der später als Berater an den marokkanischen Königshof berufen wurde, ihre Mutter ist die in Frankreich wie in Marokko bekannte Schriftstellerin Katia Brami.
    Man könne die Rolle der Kultur gar nicht hoch genug einschätzen, sagte Audrey Azoulay bei ihrem Abschied aus dem Amt der französischen Kulturministerin:
    "Die Kultur ermöglicht es jedem, bis in die Bereiche des Intimen hinein, sein Innenleben zu ergründen und fragwürdige Ansichten, vereinfachende Klischeevorstellungen zu hinterfragen, die Ungeheuer in uns zu erkennen – dank großer Kunstwerke, dank des kulturellen Erbes ganzer Jahrhunderte."
    Als ihre Eltern Frankreich verließen, war Audrey Azoulay 18 Jahre alt, lebte mit ihren beiden Schwestern in Paris – und absolvierte eine klassische französische Eliteausbildung an zwei Staatlichen Hochschulen der Politik und der Verwaltung. Berufliche Jahre in einer Bank beschrieb sie später als "schrecklich", am französischen Rechnungshof war sie tätig, doch auch nicht sehr lange: Bei der staatlichen Behörde für Filmförderung, CNC, indes wurde sie heimisch, wurde deren stellvertretende Leiterin. Über die Schauspielerin Julie Gayet lernte sie Staatspräsident Francois Hollande kennen, der sie erst zu seiner Beraterin, dann zur Kulturministerin machte.
    "Manche sagen, dieses Ministerium würde nichts bewirken. Das Gegenteil ist der Fall. Es ist das wirkungsvollste ganz Frankreichs."
    Kulturministerium als das "wahre Innenministerium"
    Solche Sätze meint Audrey Azoulay ernst. Das Kulturministerium, sagt sie, sei doch "das wahre Innenministerium".
    "Was sonst niemand kann: dieses Ministerium spricht zum Herzen und zum Geist, es kämpft gegen die Einförmigkeit, die Uniformität – weshalb wir die Freiheit der künstlerischen Programme, des künstlerischen Ausdrucks ausdrücklich unter den Schutz des Gesetzes gestellt haben – umso der grassierenden Versuchung etwas entgegenzusetzen, die Kunst zu kontrollieren und Normen zu unterwerfen. Alles Kreative muss geschützt werden, nur dadurch erhalten wir uns das Wichtigste: die Verschiedenheit, die Vielfalt."
    Ihre Nachfolgerin im Amt, Francoise Nyssen über Audrey Azoulay:
    "Ich habe selten eine Ministerin erlebt, die ein bedeutendes Amt so elegant, so effizient und mit einer solchen Natürlichkeit ausgeübt hat - alles auf einmal: Das hat mich sehr beeindruckt."
    Ein brillanter Kopf sei Audrey Azoulay, hieß es im Kulturministerium bei ihrem Abschied, überdies fleißig, energisch, zielstrebig. All das wird die inzwischen 45-jährige verheiratete Mutter zweier Kinder als Generaldirektorin der Unesco in hohem Maße brauchen – folgt man der Analyse der Staatsministerin und Unesco-Beauftragten im Auswärtigen Amt, Maria Böhmer:
    "Also wir erleben die Unesco in einer Situation, wo - glaube ich - drei Forderungen wichtig sind: Sie muss rein von der Organisation her, von der internen Aufstellung her, effektiver arbeiten können. Sie muss eine größere Transparenz praktizieren, und es wäre manches Mal auch ganz gut, wenn sie schneller handeln würde."
    Austrittsankündigungen der USA und Israels
    195 Mitgliedsstaaten hat die Unesco und neun assoziierte Mitglieder. Am Hauptsitz in Paris arbeiten über 2000 Mitarbeiter aus etwa 170 Nationen, weitere 700 sind in 65 Außenstellen tätig. Zu den überfälligen Strukturreformen kommen der Streit um die Mitgliedschaft Palästinas und die Austrittsankündigungen der USA und Israels, die der Unesco antisemitische Tendenzen vorwerfen.
    Audreay Azoulay steht vor einer Mammut-Aufgabe. Dass sie sich bei ihrer Wahl durch das Exekutivkomitee der Unesco nur knapp gegen den Mitbewerber aus Katar hat durchsetzen können, macht die Aufgabe nicht leichter – doch Audrey Azoulay nimmt es mit Ruhe und Zuversicht, nicht zuletzt auch, weil sie sich der tatkräftigen Unterstützung durch Staatspräsident Emmanuel Macron sicher sein kann.
    Audrey Azoulay: "Die Unesco erlebt gerade eine schwere Krise, die sich durch die Umstände der Wahl einer neuen Generaldirektion noch beschleunigt hat – und Frankreich wird alles versuchen, die Unesco aus dieser Krise wieder herauszuführen. Weil die Unesco ihren Sitz in Frankreich hat, weil wir an den Multilateralismus glauben und an die universellen Werte, weil wir an die Macht von Bildung, Kultur, Wissenschaft glauben, an die Verteidigung der Freiheit und der Menschenrechte – um damit den großen Herausforderungen zu begegnen, die die Völkergemeinschaft bedrohen. Leon Blum hat einmal gesagt, die Unesco müsse das Gewissen der Vereinten Nationen sein – genau das wollen wir wieder werden."
    Eine Frau der leisen Töne ist Audrey Azouley, zurückhaltend, aber auch durchsetzungsstark. Kultur und Bildung sind für sie keine Etikette, sondern Lebensinhalt – der Unesco könnten große Jahre bevorstehen.