Kulturelles Feature

Am Fuß des Vulkans oder Briefe aus Catania

Von Alban Nikolai Herbst · 17.06.2005
Catania, die zweitgrößte Stadtregion Siziliens, gilt als gefährlich. Auf Touristen wirkt der in Stadtnähe gelegene Flughafen Fontanarossa wenig einladend: Außer dem Ätna, der die Szenerie nicht nur malerisch, sondern bisweilen als massive, mattgraue Drohung beherrscht, sieht man überall Abriss, Dreck, hochgetürmte Mietskasernenghettos. In den letzten Jahren ist Catania auch industriell stark gewachsen, so als solle die einstige Pracht zum Verschwinden gebracht werden. Deshalb wollen die meisten Urlauber gleich wieder weg, wollen weiter, nach Syrakus im Süden, nach Giardini Naxos oder Taormina im Norden. Badeurlaub, da fühlt man sich heimisch. Und ahnt nicht, was man verpasst.
Denn Catanias aus Wildheit und repräsentierender Form gemischter Charakter kann einen jeden Spaziergang zum architektonischen Abenteuer werden lassen. Zudem wird die von Erdbeben und Vulkanausbrüchen, von Krieg, Korruption, Mafia heimgesuchte "città in bianco e nero" abends von einem derart gelben Licht erfüllt, das die Grenzen von Wirklichkeit und Illusion verschwimmen und sich die nüchterne Moderne mit dem Mythos mischt. In Briefen an eine ferne Geliebte erzählt Alban Nikolai Herbst von Gerüchen und Farben, vom Meer, dem schwarzen Öl des Kaffees, vom Lärm und vom Elend, von stolzen Frauen und Verzicht.