Kulturelles Feature

"Im Jenseits des Sagbaren"

Von Stefan Fuchs · 29.09.2006
Die strahlende Schönheit ihres Gesichts, die hypnotisierende Wirkung ihrer katzenhaft schräg stehenden Augen, ihre weichen, einschmeichelnden Bewegungen - alles steht im Widerspruch zur geradezu akrobatischen Anstrengung ihres Schreibens. Selten erfuhr das literarische Vexierspiel mit dem nach sich selbst tastenden Ich eine solche Radikalisierung wie in dem Werk der Brasilianerin Clarice Lispector.
Clarice Lispector wurde 1925 in der Ukraine geboren, und starb 1977 in Rio de Janeiro. Selten ist die Wahrheitssuche so dramatisch und das Schreiben eine Art Neugeburt, nämlich "existieren zu lassen, um selbst zu existieren". In der Tradition Virginia Woolfs wird das Erzählen zur schwindelnden Pirouette auf dem zerbrechlichen Eis des Bewusstseins. Dinge und Wesen nehmen unter Clarice Lispectors mikroskopierenden Blick den Ausdruck eines grausamen Mysteriums an.

Produktion: Deutschlandfunk 2006