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Kulturgutschutzgesetz
Schutz oder Enteignung?

Für Monika Grütters ist es das wichtigste Projekt ihrer Amtszeit: Das Kulturgutschutzgesetz, das die Abwanderung von national wertvollem Kulturgut verhindern soll. Kritiker sehen darin einen "Genickschlag für den deutschen Kunsthandel".

Von Christiane Habermalz | 08.07.2016
    Kulturstaatsministerin Monika Grütters (CDU)
    Kulturstaatsministerin Monika Grütters (CDU) am 15.07.2015 in Berlin während einer Pressekonferenz zum Kulturgutschutzgesetz. (picture alliance / dpa / Foto: Soeren Stache)
    Gestritten wurde bis zuletzt. Auf der letzten Strecke forderten Hessen, Baden-Württemberg und Niedersachsen noch mehr Geld vom Bund, um den zu erwartenden bürokratischen Mehraufwand bewältigen zu können. Und auch der Bundestag hatte in der vorvergangenen Woche noch zahlreiche Nachbesserungen eingebracht. Doch wenn heute der Bundesrat erwartungsgemäß seine Zustimmung gibt, hat die Novelle des Kulturgutschutzgesetzes die letzte Hürde genommen.
    Für Kulturstaatsministerin Monika Grütters ist es zweifellos das wichtigste Projekt ihrer Amtszeit. Mit dem neuen Gesetz kann der Staat erfolgreicher verhindern, dass bestimmte Kunstwerke, die für die Identität und das Selbstverständnis der Deutschen von herausragender Bedeutung sind, ins Ausland verkauft werden – auch dann, wenn sie in Privatbesitz sind.
    "Der Kulturgutschutz ist nämlich eine im Grundgesetz festgeschriebene Aufgabe. Dahinter steht die Überzeugung, dass Kunst einen Wert hat und nicht nur einen Preis. Als Spiegel unserer Geschichte und Identität darf Kunst staatliche Förderung, aber eben auch staatlichen Schutz erwarten."
    Auf diesen Schutz freilich hätten die meisten Kunstsammler und Galeristen gerne verzichtet. Sie befürchten, nicht mehr frei über ihr Eigentum verfügen zu können. Mit der neuen Regelung müssen sie künftig auch für den EU-Binnenmarkt eine Ausfuhrgenehmigung beantragen, wenn sie Kunstwerke ab einer bestimmten Alters- und Wertgrenze – bei Gemälden sind das 75 Jahre und 300.000 Euro – ins Ausland verbringen oder verkaufen wollen.

    Auf dem Weltmarkt lassen sich weitaus höhere Preise aufrufen

    Sollten Expertengremien der Länder dabei national wertvolles Kulturgut aufspüren, deren "Abwanderung für Deutschland einen Verlust darstellen würde", wird das Kunstwerk in eine Liste eingetragen und darf nicht mehr ausgeführt werden. Der Kunsthandel lief Sturm gegen die Pläne, denn auf dem Weltmarkt lassen sich weitaus höhere Preise aufrufen. Kunstanwalt und Sammler Peter Raue:
    "Wenn ich ein Werk habe, das auf dem internationalen Markt zehn Millionen wert ist, und ich kriege dafür, weil es in Deutschland gefangen ist, nur eine Million, das ist eine Form von Enteignung, und das sage ich nicht nur als soziologischen Begriff, sondern das meine ich ganz rechtlich im Sinne von Artikel 14 Grundgesetz. Das ist keine Eigentumsbindung, sondern das ist eine Enteignung, und die muss entschädigt werden."
    Eigentum verpflichtet, hielt Grütters dagegen. Wer sich im Besitz von herausragenden Kulturgütern wie der Himmelsscheibe von Nebra oder der Humboldt-Tagebücher befinde, der trage eben auch eine Verantwortung gegenüber der Gesellschaft. Und nur auf solche herausragende Kunstschätze ziele das Gesetz, nicht aber auf Richters, Polkes oder Werke von Georg Baselitz.

    Markus Eisenbeis: "ein Genickschlag für den deutschen Kunsthandel"

    Letzterer hatte aus Protest gegen das geplante Gesetz seine Leihgaben aus Museen abgezogen. Doch auch die zahlreichen Nachbesserungen, mit denen die Gesetzgeber den Sammlern entgegen gekommen sind, haben die Gemüter nicht beruhigen können. Das Kulturgutschutzgesetz sei "ein Genickschlag für den deutschen Kunsthandel", schimpfte erst vor wenigen Tagen Markus Eisenbeis, der Geschäftsführer des Kölner Auktionshauses Van Ham. Ein Exodus von Kunst und Kunstsammlern aus Deutschland, bevor das Gesetz in Kraft trete, sei die Folge.
    Widerstand des Kunsthandels regte sich auch gegen den Teil des Gesetzes, der die Einfuhr von Kulturgütern strenger regelt. Die derzeitige Gesetzesregelung ist derart lasch, dass Deutschland, wie seit langem von internationalen Experten beklagt, zum Hauptumschlagplatz von Raubkunst aus Kriegs- und Krisenländern geworden ist.
    Künftig gelten strenge Einfuhrverbote für Antiken ohne offizielle Herkunftsnachweise – und für die Händler in Deutschland eine Sorgfaltspflicht, das heißt, sie müssen nachweisen, dass ihre Antiquitäten aus legaler Quelle stammen. Der Handel wies dies als unzumutbaren Arbeitsaufwand zurück – vor allem rückwirkend ließen sich diese Nachweise nicht erbringen. Viele Antiken auf dem Markt seien dann gar nicht mehr handelbar.
    Unterstützt wird das Kulturgutschutzgesetz von Archäologen, Museen und den beiden großen Künstlerverbänden. Es sei begrüßenswert, so der Vorsitzende des Deutschen Künstlerbundes Werner Schaub, wenn Kunst und Kultur nicht nur unter merkantilen Gesichtspunkten betrachtet werde.