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Kulturkampf ums Kindeswohl

Befürworter und Gegner einer Krippenerziehung von unter Dreijährigen stehen sich hierzulande unversöhnlich gegenüber. Doch Fakt ist: In Deutschland gibt es ab 1. August einen Rechtsanspruch darauf. Die Qualität der Krippenbetreuung lässt aber noch zu wünschen übrig.

Von Monika Dittrich | 02.01.2013
    Oberkirch im Schwarzwald. Familie Endreß wohnt in einer ruhigen Straße. In der Einfahrt des Einfamilienhauses steht ein Kaninchenstall, im Garten gibt es einen Sandkasten. Es ist 11 Uhr am Vormittag. Im Wohnzimmer auf dem Boden sitzt Daniela Endreß mit ihrem jüngsten Sohn. Elf Monate ist Jaron alt.

    "Kommt ein Mücklein, baut ein Brücklein, kommt ein Floh, und der macht so!"

    Jaron hat noch zwei ältere Schwestern: Larissa ist sieben und geht zur Schule, die vierjährige Fiona ist vormittags im Kindergarten. Beide Töchter waren die ersten drei Lebensjahre bei der Mutter zuhause. Und so will Daniela Endreß es auch mit ihrem Sohn machen. Weil sie überzeugt ist, dass Kinder in diesem Alter bei der Mutter am besten aufgehoben sind:

    "Von dem, wie ein Kind gestrickt ist, vom Kind her, denke ich, dass ein Kind zuhause gesünder, seelisch gesünder aufwächst."

    Wo ein kleines Kind unter drei Jahren besser aufwächst, ob die zusätzliche Betreuung in einer Krippe oder bei einer Tagesmutter schadet, darüber diskutieren Politik und Gesellschaft seit Jahren mit Leidenschaft. Bei kaum einem anderen Thema stehen sich Befürworter und Gegner so verfeindet gegenüber. Die Vollzeit-Mutter Daniela Endreß spürt das am eigenen Leib – wenn sie sich für ihr Lebensmodell bei anderen Müttern rechtfertigen muss.

    "Es ist sehr viel Anklage unter den Frauen. Es wird so in Schubladen gesteckt, die berufstätige Mutter, die Rabenmutter, die Hausfrau, die die Herdprämie abzockt."

    Ihren Beruf als Erzieherin hat Daniela Endreß für die Kinder aufgegeben. Wenn der jüngste Sohn sechs oder sieben ist, dann will sie wieder halbtags arbeiten. Derzeit erwirtschaftet der Vater als Vollzeit-Informatiker das Familieneinkommen.

    "Modern? Nee, nach der Familienpolitik bin ich nicht modern, aber da habe ich jetzt keine Probleme, unmodern zu sein."

    Jahrzehntelang war die Hausfrauenehe in West-Deutschland der Normalfall – Mütter blieben zuhause und kümmerten sich um ihre Kinder. Mittlerweile aber gehen immer öfter beide Elternteile arbeiten – weil sie es so wollen oder aus finanziellen Gründen müssen. Nach Angaben des Statistischen Bundesamtes ist jedes vierte Kind unter drei Jahren in einer Tagesbetreuung. Diese Entwicklung dürfte an Fahrt gewinnen, wenn ab August der Rechtsanspruch auf einen Betreuungsplatz ab dem ersten Geburtstag gilt. Eltern kleiner Kinder, die auf die staatlich subventionierte Tagesbetreuung verzichten, erhalten zeitgleich das Betreuungsgeld. Daniela Endreß findet das gut, obwohl sie es selbst nicht einmal bekommen wird, denn ihr Sohn kam vor dem Stichtag 31. Juli 2012 zur Welt.

    "Es geht mir gar nicht ums Geld, sondern es geht mir um die Anerkennung. Für mich ist das eine Anerkennung für die Betreuungsleistung für die Eltern oder für die Mütter, die zuhause sind."

    Davon abgesehen hält sie die Familienpolitik der vergangenen Jahre allerdings für völlig verfehlt und einseitig:

    "Es geht immer um Vereinbarkeit von Familie und Beruf, es geht immer um die berufstätige Mutter. Eine Mutter ist eine Mutter, ob sie berufstätig ist oder nicht. Die Mutter hat ihre Aufgaben wahrzunehmen."

    Dass sie ihre Aufgaben als Mutter wahrnimmt, das würde sicher auch Ela Montag von sich sagen:

    "Man will immer so sehr das Beste für seine Kinder, dass man da sehr viel drüber nachdenkt."

    Das Beste für die Kinder heißt für sie aber nicht, auf den Beruf zu verzichten. Sie ist Lehrerin an einem Gymnasium, bildet Referendare aus und schreibt Schulbücher. Tochter Leni ist drei, die kleine Schwester Käthe knapp anderthalb. Jeweils ein Jahr nach den Geburten ist Ela Montag wieder arbeiten gegangen – auf einer 80-Prozent-Stelle.

    "Ich kenne auch meine eigenen Bedürfnisse gut. Und ich weiß, dass arbeiten auch ein Bedürfnis ist. Also rausgehen, in der Welt sein, teilnehmen am gesellschaftlichen Leben, Rückmeldung bekommen, zu sehen, was einem gelingt."

    Und zufriedene Eltern seien die Voraussetzung für glückliche Kinder, ist Ela Montag überzeugt – weshalb sie ihre Töchter in eine Tagesstätte bringt. Morgens um acht bei der "Sülzbande" im Kölner Westen. 40 Kinder werden hier in drei Gruppen betreut, von unter einem Jahr bis zur Einschulung. Ela Montag schält ihre beiden Mädchen aus den dicken Winterjacken, Leni hüpft davon in ihre Gruppe. Die kleine Käthe wandert vom Arm der Mutter auf den Arm der Erzieherin.

    "Magst Du mal zur Lena gehen? – Noch ein Küsschen für die Mama."

    In der Gruppe der Unter-Dreijährigen kümmern sich zwei Vollzeit-Erzieherinnen und eine Halbtagskraft um bis zu zehn Kinder. Ela Montag hat Käthe hier schon vor dem ersten Geburtstag eingewöhnt – ohne schlechtes Gewissen.

    "Sie krabbeln auf dem Boden, sie sind wunderbar versorgt, mit anregenden Spielmaterialien, Alltagsmaterialien, sie sind sehr im Fokus bei den Erzieherinnen. Da geht kein Kind unter. Das sind Dinge, die ich meinem Kind im Alltag so gar nicht geben kann. Ich gehe mit dem Kind einkaufen, ich mache was in der Wohnung, ich telefoniere mit anderen Leuten, ich lebe auch ein bisschen mein Leben, auch wenn ich zu Hause bin. Ich kann mich gar nicht so darum kümmern. Und da hab ich gedacht: Mensch, hier hat sie es wirklich gut."

    Krippengegner sehen das anders. Und der politische Streit um das Betreuungsgeld – das Lieblingsthema der wertkonservativen CSU - gab ihnen zuletzt reichlich Raum für ihre Argumente. Maria Steuer ist Kinderärztin. Vor sieben Jahren gründete sie das Familiennetzwerk, einen Interessenverband von überwiegend konservativen Gruppierungen. Ihr Ziel: Den gesellschaftlichen Trend der Doppelverdiener-Eltern und der frühkindlichen Tagesbetreuung umkehren. Krippenerziehung ist ein Risiko, sagt Maria Steuer. Kinder unter drei Jahren brauchen, ihrer Meinung nach, die unverplante Zeitzuwendung ihrer Eltern, und am Anfang eben insbesondere der Mutter.

    "Eine Mutter, die kaputt von der Arbeit kommt, die den Kopf voll hat mit Sachen, die die Arbeit angehen, ein Kind, das aus der Kita kommt, danach sind die Kinder quengelig und fertig, da kann man sich sehr schwer vorstellen, dass diese beiden Menschen zwei qualitätsvolle Stunden miteinander verbringen können."

    In der Krippe litten die Kinder unter einem Liebesleck: Über Stunden fehle ihnen die bedingungslose Liebe der Eltern, ist Maria Steuer überzeugt.

    "Das halte ich für Ideologie. Jede gute Krippe hat heute standardmäßig das, was wir Eingewöhnung nennen. Und dazu gehört vor allem, dass das Kind die Gelegenheit bekommt, zu einer Erzieherin eine zweite Bindung aufzubauen, das heißt, wenn es ihm einmal schlecht geht, es auch Trost finden kann. Und dann muss man sagen, haben Kinder kein Liebesleck."

    Erwidert Jörg Maywald von der "Deutschen Liga für das Kind", einem interdisziplinären Netzwerk von Verbänden und wissenschaftlichen Vereinigungen, die sich mit der frühen Kindheit beschäftigen. Doch egal, ob Gegner oder Befürworter der Außer-Haus-Betreuung: Beide Seiten argumentieren mit dem Kindeswohl, beide Seiten zitieren Studien und Statistiken. Zu den prominenten Krippengegnern gehört Rainer Böhm, Kinderneurologe und leitender Arzt am Evangelischen Krankenhaus in Bielefeld-Bethel. Er kämpft mit Aufsätzen, Vorträgen und Interviews leidenschaftlich dafür, dass Kinder mindestens bis zum dritten Geburtstag in der Familie bleiben.

    "Weil ich aus meiner langjährigen Tätigkeit weiß, wie wichtig für kleine Kinder dieser Aspekt der Sicherheit, der Geborgenheit und auch der kompetenten Regulation von Emotionen und von Stressreaktionen ist."

    Und die Stressreaktionen sind seiner Ansicht nach genau das Problem: Speicheltests haben ergeben, dass Krippenkinder eine erhöhte Konzentration des Stresshormons Cortisol im Blut haben. Die Folgen für ihre Entwicklung seien dramatisch, ist Böhm überzeugt, wobei erhöhte Infektanfälligkeit und ein größeres Risiko für Neurodermitis noch zu den harmloseren Konsequenzen zählen. Der Stress in der frühen Kindheit verursache Schäden im Gehirn, sagt Böhm:

    "Wir wissen, dass es die Zentren des Gehirns sind, die auch das sozio-emotionale Verhalten steuern. Und wir wissen, dass diese Bereiche des Gehirns empfindlich reagieren auf chronische Stressbelastung, das heißt also, Nervenzellen in diesen Hirnteilen können geschädigt werden, wenn Kinder zu häufig und zu lange unter Stress stehen."

    Die Folge seien mitunter Aggressionen, grausames Verhalten, Hyperaktivität, Depressionen. Und das nicht nur in der Kindheit.

    "Wir werden eine bestimmte Zahl von später Erwachsenen haben, die tatsächlich darunter leiden, das heißt, die tatsächlich, wenn sie diese frühe Krippenerfahrung nicht gemacht hätten, dann ihnen vielleicht das Abkippen in eine depressive Entwicklung erspart hätte."

    Der Kinderneurologe Rainer Böhm bezieht sich mit seinen Aussagen auf Untersuchungen des US-amerikanischen National Institute of Child Health and Human Development, kurz NICHD. Hier wurde die bislang größte und wichtigste Studie zur frühen außerfamiliären Betreuung konzipiert: Die Forscher begleiten seit 1991 Kinder von der Geburt bis zum Ende der sechsten Schulklasse. Die Langzeitbeobachtung hat aber nicht nur Daten zu Stress und Aggressivität von Krippenkindern hervorgebracht. Viele andere Teilergebnisse belegen, dass die frühe Betreuung den Kindern nicht per se schadet. Unter anderem zeigten Zwölfjährige, die eine hochwertige Krippe besucht hatten, bessere Schulleistungen in Lesen und Mathematik. Und auch die sozial-emotionale Entwicklung scheint nicht gestört zu sein, sofern die Betreuungseinrichtung gut ist und die Eltern in der Zeit zuhause sensibel auf die Bedürfnisse ihrer Kinder reagieren. Und so ziehen auch die Krippenbefürworter die Ergebnisse des NICHD heran:

    "Diese Studien zeigen, und auch andere Studien zeigen, dass die frühe Krippenbetreuung keinerlei Beeinträchtigung der Mutter-Kind-Beziehung ausübt."

    Sagt Éva Hédervári-Heller, Pädagogin und Psychotherapeutin für Kinder und Jugendliche. Als Professorin an der Fachhochschule Potsdam bildet sie Kindheitspädagogen aus. Die Cortisolthese, wonach Krippenkinder ständig unter Stress leiden, hält sie für problematisch:

    "Krippenskeptiker sind natürlich froh über solche Ergebnisse, die aus der Perspektive der Wissenschaft allerdings so nicht interpretiert werden können. Wir brauchen da viel mehr Daten, um hier eine wissenschaftlich fundierte Aussage zu treffen."

    Zum einen sei die Effektstärke des Cortisols nicht ausreichend belegt, das heißt, es sei nicht erwiesen, welchen Einfluss das Stresshormon als einzelner Parameter für bestimmte Entwicklungen tatsächlich habe. Und andere Untersuchungen wie etwa die Wiener Krippenstudie der Entwicklungspsychologin Lieselotte Ahnert hätten ergeben, dass in guten Einrichtungen und mit einer sanften Eingewöhnung der Stresspegel für das Kleinkind nach einer gewissen Zeit auch wieder sinkt. Die deutsche Debatte über Schaden und Nutzen frühkindlicher Betreuung folgt vor allem einem überholten Mutterideal, sagt Éva Hédervári-Heller:

    "Kinder brauchen nicht ausschließlich die Mutter als Betreuungsperson, sondern sie brauchen Erwachsene, die sehr empathisch, feinfühlig die Bedürfnisse und Wünsche der Kinder ernst nehmen und feinfühlig auf die Signale reagieren."

    Éva Hédervári-Heller rät beim Krippenthema zu Gelassenheit: Eltern sollten sich klarmachen, dass ihr eigener Einfluss auf die Entwicklung ihres Kindes am wichtigsten bleibt. Studien zeigen, dass die Sozialisation in der Familie immer dominant ist – selbst wenn ein Kind viele Stunden am Tag in der Krippe verbringt. Aus ihrer Erfahrung als Therapeutin weiß Éva Hédervári-Heller außerdem, dass frustrierte Vollzeitmütter, die eigentlich gerne arbeiten möchten, auch nicht immer das Beste sind fürs Kindeswohl:

    "Viele dieser Mütter entwickeln dann eine Depression oder sie sind lustlos. Sie sind zwar physisch mit dem Kind zusammen, aber nicht emotional."

    Berufstätige Mütter seien oft ausgeglichener und würden die Zeit mit ihren Kindern mehr genießen. Éva Hédervári-Heller zitiert Untersuchungen, die belegen, dass Krippenkinder von ihren Eltern ebenso viel exklusive Zuwendungszeit erhalten wie Kinder, die ausschließlich zu Hause betreut werden. Auch Kinder aus Migrantenfamilien profitieren von der Krippe, vor allem beim Spracherwerb. Entscheidend ist aber wohl in allen Fällen eine gute Qualität der frühkindlichen Tagesbetreuung.

    "Es gibt da so drei wichtigste Bedingungen: Das betrifft zum einen den sogenannten Fachkräfte-Kind-Schlüssel. Wir schlagen vor, dass bei Säuglingen tatsächlich nicht mehr als zwei Kinder pro Fachkraft da sein sollten, bei den einjährigen Kindern können es drei sein, bei den Zweijährigen bis zu fünf Kinder pro Fachkraft. Die zweite große Stellschraube ist die Gruppengröße, das heißt, die Gruppe der Kinder, die gemeinsam den Tag verbringen, darf nicht zu groß sein. Und die dritte große Stellschraube ist das Ausbildungsniveau."

    Erklärt Jörg Maywald von der Deutschen Liga für das Kind. Eine gute Krippe ermögliche den Eltern außerdem, ihre Kinder in den ersten Wochen stundenweise zu begleiten, bis die Kleinen sich an eine Erzieherin gebunden und an die neue Umgebung gewöhnt haben.

    Zurück bei der Sülzbande in Köln, in der Gruppe der Krabbelkäfer. Käthes Mutter ist längst bei der Arbeit, das Mädchen spielt jetzt mit durchsichtigen Plastikflaschen, die unterschiedlich gefüllt sind. Wasser und Öl, Seifenschaum, Sand, Konfetti. Immer wieder: schütteln, beobachten. Nach einer Weile krabbelt die Anderthalbjährige in die andere Ecke des Raums – hier ist heute Waschtag. Alle Spielzeuge werden in einem großen Bottich abgewaschen. Die Kinder strecken ihre Ärmchen bis zu den Ellbogen ins lauwarme Wasser und plantschen mit den Bauklötzen.

    "Wolltest du das in den Eimer schütten?"

    Erzieherin Lena Wörmann hat eine spezielle Weiterbildung für die Arbeit mit so kleinen Kindern absolviert. Dass sie in der Krippe unter Stress leiden, hat sie noch nicht beobachtet:

    "Wenn sie zur Gruppe gehören und sich zugehörig fühlen, finde ich, dass sie einen gelassenen Eindruck machen. Das ist auch wirklich unser Ziel. Wir wollen den Kindern Zeit lassen, auch selber sich zu erforschen, die Umgebung zu entdecken. Und das setzt auch voraus, dass sie gelassen sind. Sie schlafen hier gut und auch lange und das ist für mich auch so ein Zeichen, dass sie sich hier auch wohlfühlen. Sie weinen auch ab und zu, das ist ganz klar, das gehört auch dazu, dass man eigene Erfahrungen macht, das Umfeld erforscht. Aber es wird auch viel, viel gelacht bei uns."

    Doch obwohl derzeit überall in Deutschland neue Betreuungsplätze für Kleinkinder eingerichtet werden: Es gibt kaum Erzieherinnen, die sich in der Arbeit mit Krippenkindern auskennen, bemängelt Kita-Leiterin Jutta Hüntemann.

    "Wir haben festgestellt, dass sich die Inhalte der Ausbildung immer noch sehr an den älteren Kindern orientieren. Und dass die Kolleginnen, die frisch von der Schule kommen, noch wenig entwicklungspsychologischen Hintergrund für die jüngeren Kinder haben."

    Träger der Kölner Kita ist ein Elternverein. Die Eltern zahlen 120 Euro pro Kind und Monat zusätzlich zum städtischen Beitrag. Das reicht für einen etwas besseren Betreuungsschlüssel und für gezielte Fortbildungen für die Arbeit mit Kleinkindern. Eigentlich sollte das ein Schwerpunkt in der Erzieherausbildung sein, findet Jutta Hüntemann:

    "Die Betreuung der unter dreijährigen Kinder ist wirklich ein ganz anderes Arbeitsfeld mit den Kindern, über die Kommunikation, über die Pflege, über die Angebote, über das Spielverhalten: Das ist alles anders bei den jüngeren Kindern, muss einfach besonders bedacht werden."

    "Und die körperliche Pflege, das Wickeln, ist ja nicht nur ein hygienischer Akt, sondern darüber passiert ja auch viel an Beziehung und Begegnung, an feinfühliger Pflege, wie wir heute sagen. Und das ist schlichtweg in vielen Ausbildungen bisher nicht vorhanden gewesen."

    Kritisiert auch Jörg Maywald von der Deutschen Liga für das Kind. Die Qualität der Krippenbetreuung in Deutschland sei noch lange nicht zufriedenstellend. Und der übereilte Krippenausbau, auf den sich Bund, Länder und Gemeinden 2007 verständigt haben, trage eher noch zu einer Verschlechterung bei. 220.000 Plätze fehlen bundesweit noch, um bis August den Rechtsanspruch für Kinder ab dem ersten Geburtstag zu garantieren. Deshalb würden vielerorts Kindergärten einfach für kleinere Kinder geöffnet, obwohl die Einrichtungen weder personell noch räumlich darauf eingestellt seien.

    "Ganz offen gesagt: Ich würde auch nicht mein Kind in jede Einrichtung in Deutschland geben. Es gibt leider doch einen gewichtigen Anteil in Deutschland, in denen die Qualität nicht stimmt oder sie sogar wirklich schlecht ist, möglicherweise sogar Kinder zu Schaden kommen können."

    Die unter anderem vom Bundesfamilienministerium geförderte Nationale Untersuchung zur Bildung, Betreuung und Erziehung in der frühen Kindheit, kurz NUBBEK, hat ergeben: Nicht mal zehn Prozent der frühkindlichen Betreuungsplätze in Deutschland sind von guter pädagogischer Qualität. Bundesfamilienministerin Kristina Schröder (CDU) hat zwar ein Qualitätsgesetz angekündigt, will sich damit aber Zeit lassen bis 2020.