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Kulturpolitisches Versagen

Am Tag vor Heiligabend hatte Peter Konwitschny als Chefregisseur der Leipziger Oper den Intendanten Ulf Schirmer um Vertragsauflösung gebeten und diese auch umgehend zugesagt bekommen. Sein Weggang verweist auf Versäumnisse der Kulturpolitik. Denn dass es nicht einfach würde, beide Künstler zusammenzuspannen, lag auf der Hand.

Von Uwe Friedrich | 29.12.2011
    Ulf Schirmer hat den Machtkampf und das Kompetenzgerangel an der Leipziger Oper für sich entschieden. Ganz offensichtlich hatten die Leipziger Kulturpolitiker mal wieder nicht aufgepasst, als sie Ulf Schirmer seinen Intendantenvertrag anboten. Klar, dass Schirmer die üblichen Kompetenzen eines Alleinherrschers am Opernhaus haben wollte, also die letzte Entscheidungsgewalt in Sachen Stückauswahl, Regie und Besetzung. Dumm nur, dass Peter Konwitschny als Chefregisseur da anscheinend laut seinem Vertrag auch ein Wörtchen mitzureden hat. Schirmer setzte in den letzten Monaten offenbar auf eine Zermürbungstaktik, die ihn jetzt zum Ziel führte. Und auch wenn die Art und Weise nicht sehr fein war, kann man es ihm nicht verdenken, dass er an seinem Theater für klare Verhältnisse sorgen wollte.

    Der Skandal liegt nämlich in den Versäumnissen der Leipziger Kulturpolitik. Man kann mit sehr guten Gründen beide Künstler sehr schätzen, den Regisseur Konwitschny und den Dirigenten Schirmer. Dass es nicht einfach würde, ausgerechnet diese beiden zusammenzuspannen, lag allerdings von Anfang an auf der Hand. Das hat jedoch bereits Tradition in Leipzig. Die Kombination Riccardo Chailly/Henri Mayer führte vor einigen Jahren dazu, dass erst Chailly den Posten des Generalmusikdirektors der Oper aufgab und lediglich Chef des Gewandhauses blieb und schließlich auch der Intendant Henri Mayer bei vollen Bezügen vorzeitig von der Stadt Spazierengehen geschickt wurde. Natürlich kann es schon mal passieren, dass eine klug ausgedachte Personalplanung gerade in künstlerischen Dingen dann doch nicht funktioniert. Aber in Leipzig ist besonders eklatant, dass die Kulturpolitiker keine Vorstellung mehr davon haben, wie unsere großen Institutionen funktionieren.

    Da wird abwechselnd gefordert, das Opernhaus müsse internationale Strahlkraft haben, dann wieder, es müsse aber auch Lieschen Müller aus Kleinzschocher gefallen. Dass beides schlecht zusammen geht, ist in Leipzig offenbar noch niemandem aufgefallen. Nun möge aber kein Politiker in den anderen Städten auf Leipzig zeigen, denn die Lage ist fast überall trostlos. Vor ein paar Jahren noch konnte in Bremen ein Intendantenanwärter die Kulturpolitiker überzeugen, indem er finanziell das Blaue vom Himmel versprach. Danach sorgte er in Rekordzeit für ein Rekorddefizit. Auch in Köln sind die Kompetenzen der verschiedenen Intendanten an den Bühnen nicht geklärt, sodass sie sich immer wieder ins Gehege kommen. Und so manche Berufung und Vertragsverlängerung der letzten Zeit ist nur mit Ahnungslosigkeit der Entscheider oder hochgradigem Filz und Klüngel zu erklären. So betrachtet grenzt es an ein Wunder, dass immer wieder richtig gute Produktionen auf die Bühnen dieses Landes kommen. Die Kunstform Oper erweist sich auch in dieser Hinsicht als erstaunlich robust. Noch.