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Kulturwirtschaftliche Mischkalkulation im Pergamonmuseum

Spektakuläre Zeugnisse der Vor- und Frühgeschichte sowie des antiken Saudi-Arabiens verspricht die Ausstellung "Roads of Arabia" im Pergamonmuseum in Berlin. Doch fernab von arabischer Kunst geht es bei der Ausstellung auch um Diplomatie.

Von Carsten Probst | 25.01.2012
    Kann es verwerflich sein, wenn sich ein Land wie Saudi-Arabien allmählich seiner eigenen Traditionen annimmt, die weit über die Zeit des Islam zurückreichen? Will man ihm einen Vorwurf daraus machen, dass es dem westlichen Vorbild folgt und die eigene Kultur als Wirtschaftsfaktor entdeckt und landesweit inzwischen elf moderne Museen mit Kulturschätzen eröffnet und wenn es diese Schätze dann anschließend auf einer Tournee durch westliche Großmuseen vermarktet, um Touristen ins Land zu locken? Sollte die Kritik, die in den letzten Tagen viel geargwöhnt hat über die Nobilitierungsversuche eines diktatorischen Herrscherhauses in westlichen Museen, nicht Milde walten lassen?

    Wer durch die prachtvoll inszenierte Ausstellung geht und den Worten der Vertreter der Staatlichen Museen zu Berlin folgt, könnte zeitweilig tatsächlich an den guten Zweck hinter allem glauben wollen. Die Exponate sind zweifellos außerordentlich. Vor fünf- bis sechstausend Jahre alten Grabstelen aus der Wüste zu stehen, später die Einflüsse der ägyptischen und römischen Antike oder der Handelsrouten aus China und das damit einhergehende Patchwork kultureller Zeichen und Techniken in vorislamischer Zeit zu sehen, ist im höchsten Maß faszinierend.

    Kritisch gemeinte Nachfragen, wie es denn mit jüdischen und christlichen Traditionen stehe, perlen an Tourismusminister al-Ghabban ab. Natürlich gibt es diese Spuren und Traditionen auch in seinem Land, antwortet er, wir zeigen sie auch, nur wurden bisher erst recht wenige archäologische Zeugnisse ausgegraben. In diesem Moment wirkt es so, als sei da ein Land plötzlich auf der Suche nach sich selbst, jenseits aller religiösen Schranken, und als sei diese Ausstellung tatsächlich so etwas wie eine wissenschaftliche Sensation, eben weil ein Land wie Saudi-Arabien plötzlich westliche Standards der Wissenschaft auf sich selbst anwendet.

    Eine Arabellion im Museum? Michel Eissenhauer, Generaldirektor der Staatlichen Museen, wird nicht müde, den wissenschaftlichen Nutzen der Ausstellung zu betonen und jegliche politische Dimension zu verneinen. Niemand habe den Staatlichen Museen bei diesem Projekt hineingeredet, kein arabischer oder deutscher Politiker habe irgendwelche Vorgaben gemacht – abgesehen vielleicht von dem Touristenbüro am Ende der Schau, die für die Verantwortlichen des Museums für Islamische Kunst ein harter Brocken gewesen sein muss, den sie zu schlucken hatten.

    Doch dann ist immer wieder von Öffnung die Rede, der Öffnung des Landes, die durch das Ausstellen dieser Kulturschätze im Westen demonstriert werde. Aber ist diese Öffnung nicht gerade ein politischer Akt? Dann ist vom Ausbau der wissenschaftlichen Kooperation die Rede. Mit anderen Worten erhoffen sich deutsche Archäologen vermehrte Grabungsmöglichkeiten in Saudi-Arabien, das noch immer als wenig erforscht gilt. Auch das ist, wie jede Art westlicher Wissenschaft in diesem Land ein politischer Akt.

    Und nicht zuletzt geht es dann doch wieder um Diplomatie. Zum einen liefert die Bundesregierung unter verkrampfter Geheimhaltung Militärartikel aller Art nach Riad, wovon gerade Israel möglichst gar nichts erfahren soll. Und zum anderen macht man so etwas wie eine Kulturinitiative. Vielleicht wird ja demnächst die Ausstellung "Kunst der Aufklärung" nach ihrem Abbau in Peking in Riad wieder aufgebaut. Bundespräsident Wulff ist schon Schirmherr dieser Ausstellung in Berlin.

    In der Kulturwirtschaft nennt man so etwas wohl eine Mischkalkulation. Man nimmt einige Dinge hin, die man sich normalerweise am liebsten sparen würden, aber am Ende hat man einen symbolischen Fuß in der Tür an einem Ort des Weltgeschehens, der noch einmal wichtig werden könnte wenn es um Terrorismus, Öl oder um Irans Atomprogramm gehen sollte. In dieser Liga der Symbolik spielt diese Ausstellung, kaum greifbar, aber doch unabweisbar, wovon die Stationen in Barcelona, Paris, St. Petersburg und Berlin und danach in fünf US-amerikanischen Städten eindrücklich zeugen.